19. Juni 2001

Vorschläge zur Dokumentation kultureller Aktivitäten

Die siebenbürgischen Kultureinrichtungen in Gundelsheim sind in ihrer Dokumentationsarbeit vorwiegend auf historische Zeugnisse aus und im Herkunftsgebiet orientiert. Weniger Aufmerksamkeit wird offenbar der kreativen Fortführung dieses Erbes im neuen gesellschaftlichen Umfeld der Aussiedler geschenkt. Vorschläge zur musealen und archivalischen Dokumentation auch der hiesigen Betätigungsfelder vieler siebenbürgischer Aussiedler machte ein Leser dieser Zeitung.
Vor einigen Tagen wurde telefonisch angefragt, ob die Würzburgrer Theatergruppe für ihre Bühnenauftritte sächsische Stick- und Websachen übernehmen könnte, die bei einer Haushaltsauflösung angefallen waren, da man sie sonst „entsorgen“ würde. Unsäglich viele unwiederbringliche Erinnerungsstücke – Trachten, Stickerei- und Webtextilien, alte sächsische Möbel und Keramiken, Bücher und Dokumente – sind vor allem Ende der achtziger Jahre leichtfertig vernichtet oder verschleudert worden, und anscheinend geht dieser Aderlass an wertvollem Heimatgut in unserer Konsum- und Wegwerfgesellschaft weiter. Es ist daher höchste Zeit, dem Einhalt zu gebieten und zu retten, was noch zu retten ist – eine Daueraufgabe für uns alle!
Die Todesanzeigen in der Siebenbürgischen Zeitung melden laufend den Abgang von Zeitzeugen unseres Gemeinschaftslebens. Bedauerlicherweise hat die an und für sich begrüßenswerte Integration unserer Jugendlichen in das gesellschaftliche Umfeld der neuen Heimat bei manchen von ihnen das Interesse an der Erhaltung althergebrachter Traditionen schwinden lassen. Trotzdem gibt es noch viele Jugendliche, die zwar selber das Leben in der alten Heimat nicht mehr bewusst miterlebt haben, sich aber dennoch in Tanzgruppen, Blaskapellen oder Laienspielgruppen zum kulturellen Erbe ihrer Vorfahren bekennen. Ihnen gilt es zu helfen.
Diesbezüglich seien hier folgende Anregungen zur Diskussion gestellt:
Aufnahmettechniken in Ton und Bild bieten unseren Kulturgruppen heute die Möglichkeit, Bestleistungen der eigenen Arbeit dokumentarisch festzuhalten. Das Bespielen einer CD ist für eine Chorgemeinschaft nicht nur ein Riesenansporn zu qualitativer Leistungssteigerung, sondern nach erfolgreichem Abschluss auch für jeden Teilnehmer ein persönliches Erfolgserlebnis. Lobenswert hervorzuheben wäre diesbezüglich etwa der von Paul Staedel geleitete Reußmarkter Chor in München für die Herausgabe der CD „Siebenbürgen, Land der Ahnen“. Doch auch weniger anspruchsvolle Leistungen sollten liebevoll registriert und in einem noch zu schaffendes Kulturdokumentationszentrum gesammelt werden.
Wenn Gundelsheim sich aktiv auch in die kulturelle Förderung von Kreisgruppen einschalten könnte, würde dies sicher der Besucherzahl in Museum und Bibliothek zugute kommen. Trotz des bekannten Raummangels dort müsste sich eine Regalwand zur Aufnahme aktueller Ton- oder Videoaufnahmen frei machen lassen für folgende Dokumentationsbereiche:
1. CDs und Audiokassetten von Volks- und Heimatliedern mit den verschiedenen siebenbürgisch-sächsischen Chorgemeinschaften; gesammelt und katalogisiert, könnten so bei Bedarf vervielfältigt oder ausgeliehen werden, genau so wie auch Videokassetten mit Auftritten und Chorveranstaltungen von Trachtenträgern.
2. Schön wäre es, wenn auch Mitschnitte von Aufführungen unserer Theatergruppen dokumentarisch festgehalten würden. Sie könnten wertvolles Anregungsmaterial bei der Auswahl neu einzustudierender Stücke, zur Kostüm- und Bühnengestaltung, lehrreich für die Interpretation von Laiendarstellern sein.
3. Erfreulicherweise haben wir zurzeit noch viele siebenbürgisch-sächsische Volkstanzgruppen mit kundigen Tanzlehrern. Sie könnten in Zukunft seltener werden. Es wäre also hilfreich, wenn man in späteren Jahren auf ein gefülltes Archiv mit Videoaufnahmen derzeitig versierter Tanzgruppen zurückgreifen könnte. Das setzt allerdings deren Hilfsbereitschaft voraus: sie müssten als schriftliche Anlagen zu ihren Videokassetten auch Aunfzeichnungen ihrer Tanzschritt- und Figurenfolgen liefern.
4. Ähnliches könnte auch bezüglich der derzeit in Deutschland tätigen Blaskapellen und ihres Notenmaterials getan werden. Heute würde das eine geringe Mehrbelastung bedeuten, die aber nicht nur als Leistungsnachweis, sondern auch als Dokumentation, Anregung und Ansporn zum Nutzen späterer Interessenten dienen kann.
5. Seit Jahren wird der Bedarf an einem zentralen Trachtenlager mit der Möglichkeit zum Ausleihen von Trachtenstücken zu bestimmten festlichen Gelegenheiten angemahnt – bisher ohne jeden Erfolg. Eine kostendeckende Leih- und Pflegegebühr hierfür sollte bei seinem Zustandekommen ins Auge gefasst werden. Die im Lager benötigten Trachten könnten von hilfsbereiten Heimatfreunden über Spenden und aus Haushaltsauflösungen zusammengetragen werden.
Es wären dieses gangbare Wege, um unser Kulturerbe nicht nur zu bewahren, sondern auch kreativ zu verwerten und es an kommende Generationen unverfälscht weiterzureichen. Schwierigkeiten und Probleme sind da, um überwunden und gelöst zu werden, denn: „Wo ein Wille ist, findet sich auch ein Weg!“

Walter Schlandt


(Siebenbürgische Zeitung, Folge 10 vom 20. Juni 2001, Seite 10)

Bewerten:

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.