5. April 2004

Wird Rumänien demokratisch regiert?

Massive Zweifel am Funktionieren der lokalen und regionalen Demokratie in Rumänien äußerte Hermann Fabini in der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien (ADZ) vom 10. März. Dr. Hermann Fabini, seit 2000 als Senator der oppositionellen Nationalliberalen Partei (PNL) im Bukarester Parlament, wirft den regierenden Sozialdemokraten vor, mittels einer ausgeklügelten Strategie Lokalpolitiker der Oppositionsparteien abzuwerben und so die demokratischen Prinzipien der freien, geheimen und allgemeinen Wahl auszuhebeln. Die schwerwiegende Kritik des Hermannstädter Architekten bringt neue Brisanz in die aktuelle Debatte über den für 2007 angestrebten EU-Beitritt Rumäniens.
Wenige Wochen vor den Lokalwahlen im Juni setzt sich der liberale Senator des Kreises Hermannstadt in seinem umfangreichen ADZ-Beitrag mit der Frage auseinander, inwieweit die Sozialdemokratische Partei Rumäniens (PSD) bereit sei, „das demokratische Grundprinzip der Kontrolle der Macht durch die Gesellschaft grundsätzlich anzuerkennen“. Abgesehen von der Legislaturperiode 1997 – 2000 regiert die nach der Wende von 1989 gegründete Linkspartei unter verschiedenen Namen nun rund zehn Jahre. Nach dem jüngst vollzogenen NATO-Beitritt tritt die PSD nun für die Aufnahme Rumäniens in die Europäische Union im Jahr 2007 ein. Dies geschieht im parteiübergreifenden Konsens und auf der Grundlage des letztjährigen Referendums, wonach die Bürger Rumäniens für eine neue Verfassung gestimmt haben, die den Weg ihres Landes in die EU ebnen soll. Doch angesichts der sozialdemokratischen Politik der vergangenen drei Jahre stellt Fabini fest, „dass diese Partei das Wort demokratisch in ihrem Namen nur sehr bedingt rechtfertigt“. Das verdeutliche die Besetzung der Bürgermeisterposten im Land. Der Vertreter der Hermannstädter Liberalen verwies auf eine im Vorfeld der Wahlen 2004 durchgeführte Studie des Instituts für öffentliche Politik (IPP). Danach habe während der Legislaturperiode 2000 – 2004 „eine massive Wanderung der durch Direktwahl in ihr Amt gekommenen Bürgermeister von einer Partei zu einer anderen stattgefunden“. 65,4 Prozent der insgesamt 2 957 Bürgermeister seien nun Mitglied der PSD: im Wahljahr 2000 waren es noch 1 050 Bürgermeister, drei Jahre später sind es 1947, also 897 mehr. Fabini begründet diesen enormen „Frontwechsel“ im Einklang mit den Schlussfolgerungen der Studie damit, „dass die PSD eine ausgeklügelte Strategie der Anwerbung von Lokalpolitikern der Oppositionsparteien entwickelt hat. So wurde unter anderem eine Aktionsgruppe für die sozialdemokratische Vereinigung gegründet mit dem vorrangigen Ziel, möglichst viele Mitglieder, besonders der Demokratischen Partei (DP), zur PSD zu holen.“

Fabini führt weiter aus, dass die Liga der Gewählten Lokalpolitiker diese Manöver der Sozialdemokraten auf das Schärfste kritisiert habe. Diese seien durch „Druck und Erpressung“ vor allem über die örtlichen Budgets erfolgt, die häufig ausschließlich nach politischen Kriterien verteilt würden. Ein weiteres Element dieser Strategie, Bürgermeisterposten mit PSD-Mitgliedern zu besetzen, komme zum Tragen, wenn, wie vermehrt praktiziert, Dörfer in Gemeinden umgewandelt werden. Zwischen 2000 und 2003 habe das Parlament in Bukarest 68 derartige Umwandlungen durch entsprechende Gesetze sanktioniert. Die „Wahlmaschinerie von PSD plus UDMR“ (Ungarnverband) hätte „perfekt funktioniert“. Gegenwärtig liegt der Abgeordnetenkammer ein Gesetzentwurf der Regierung vor, demzufolge 96 neue Gemeinden gegründet werden sollen. Den offensichtlichen Zusammenhang mit den bevorstehenden Lokalwahlen markiert Fabini als „wichtigsten Schönheitsfehler“ dieser Gesetzesinitiative.

Der Hermannstädter Architekt glaubt, dass eine konservative Gruppe innerhalb der Sozialdemokratischen Partei, die Präsident Ion Iliescu nahe steht, die Oberhand gewonnen hat. Diese würde aus machtpolitischen Erwägungen undemokratische Mittel einsetzen und die freie Meinungsbildung der Wähler missachten. „Steht hinter dieser Haltung“, fragt Fabini rhetorisch, „der Wunsch nach unkontrollierter Macht für die Regierung, letztlich nach dem einheitlichen Parteistaat, den wir über Jahrzehnte genossen haben?“

Zweifellos werden die Äußerungen des Noch-Senators Fabini (vergangenen Herbst hatte er erklärt, bei den Wahlen 2004 nicht kandidieren zu wollen) für erheblichen Zündstoff in den ohnedies heftigen Kontroversen um das EU-Eintrittsdatum 2007 sorgen. Ausgelöst hatte diese Diskussionen kürzlich der holländische EU-Parlamentarier Arie Oostlander mit seinem Rumänien-Länderbericht, Diskussionsgrundlage für den außenpolitischen Ausschuss des Europäischen Parlaments. Danach sei das Land kein Rechtsstaat.

Christian Schoger


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