7. April 2004

Bundespräsident Johannes Rau in Drabenderhöhe

Am 1. April besuchte Bundespräsident Johannes Rau die Siebenbürger-Sachsen-Siedlung in Drabenderhöhe. Höhepunkte des festlich umrahmten zweistündigen Programms waren das Grußwort des Bundespräsidenten, der Eintrag in das „Goldene Buch“, ein Besuch des Altenheims Siebenbürgen des Trägervereins Adele Zay sowie eine Gesprächsrunde mit Jugendlichen und jungen Familien über den Umgang der jungen Generationen mit dem siebenbürgischen Erbe. Begleitet wurde Rau, dessen Gattin Christina kurzfristig abgesagt hatte, von der nordrhein-westfälischen Sozialministerin und Patenministerin der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, Birgit Fischer (SPD).
Kaiserwetter. Pünktlich um 10.50 Uhr landet der Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes auf dem Sportplatz in Wiehl-Drabenderhöhe. Dort werden der Bundespräsident und die Sozialministerin von einem Empfangskomitee mit Landrat Hans-Leo Kausemann und Bürgermeister Werner Becker-Blonigen begrüßt und anschließend zum Kulturhaus „Hermann Oberth“ geleitet. Den Weg säumen rund 500 Kindergartenkinder und Grundschüler, die, schwarze, rote und gelbe Luftballons in den Händen haltend, ein fröhliches Spalier bilden. Am Kulturhaus spielt die Siebenbürger Trachtenkapelle Drabenderhöhe.



Kinder bereiten den Ehrengästen einen stimmungsvollen Empfang in Drabenderhöhe, vordere Reihe von links: Bürgermeister Werner Becker-Blonigen, Bundespräsident Johannes Rau, NRW-Sozialministerin Birgit Fischer und Landrat Hans-Leo Kausemann. Foto: Christian Melzer
Kinder bereiten den Ehrengästen einen stimmungsvollen Empfang in Drabenderhöhe, vordere Reihe von links: Bürgermeister Werner Becker-Blonigen, Bundespräsident Johannes Rau, NRW-Sozialministerin Birgit Fischer und Landrat Hans-Leo Kausemann. Foto: Christian Melzer


Nach einer Begrüßung durch den Bundesvorsitzenden Volker Dürr, den Landesvorsitzenden Harald Janesch, die Kreisgruppenvorsitzende Enni Janesch und den stellvertretenden Landrat Hagen Jobi (MdL) besuchte Bundespräsident Rau die Heimatstube des Kulturhauses. Enni Janesch erläuterte in wenigen Worten die Ausstellung. Indes hatten sich rund 400 Gäste, darunter zahlreiche Politprominenz und Pressevertreter, in gespannter Erwartung im Saal des Kulturhauses versammelt. Nachdem die Ehrengäste ihren Platz auf der Bühne eingenommen hatten, hieß Hans-Leo Kausemann, Landrat des Oberbergischen Kreises, Bundespräsident Dr. h.c. Johannes Rau nochmals herzlich willkommen. Ebenso begrüßte er Birgit Fischer, Ministerin für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Nordrhein-Westfalen, ferner Hagen Jobi, stellvertretender Landrat des Oberbergischen Kreises, den Bürgermeister der Stadt Wiehl, Werner Becker-Blonigen, sowie, seitens der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, den Bundesvorsitzenden Volker Dürr und die Vorsitzende der Kreisgruppe Drabenderhöhe, Enni Janesch, die in enger Abstimmung mit der Stadt Wiehl den Besuch des Bundespräsidenten organisatorisch mit vorbereitet hatte.

„Willkommen daheim!“, rief Landrat Kausemann dem deutschen Staatsoberhaupt zu, dessen familiäre Wurzeln im Oberbergischen tief gründen: Seine Mutter ist im nahen Waldbröl geboren. Zudem hat Rau im Nachbarort Bielstein Verwandte. Kausemann dankte Rau im Namen aller Oberberger für dessen Besuch, der zugleich Auszeichnung und freundschaftliche Geste sei.

Bürgermeister Becker-Blonigen hob in seinem Grußwort die gelungene gesellschaftliche Integration der Siebenbürger Sachsen in Deutschland hervor („deren Bandbreite reicht von Renate Schmidt bis Peter Maffay“). Die Siebenbürger Sachsen, anteilmäßig gut 12 Prozent der Bevölkerung von Wiehl, seien ein wichtiger, integraler Bestandteil der Stadt.

Enni Janesch, Vorsitzende der Kreisgruppe Drabenderhöhe, erinnerte an den ersten Spatenstich vor vierzig Jahren. Damals hätte niemand geahnt, dass hier eines Tages die weltweit größte geschlossene Siedlung der Siebenbürger Sachsen entstehen würde. In diesem Zusammenhang dankte Janesch für die Unterstützung des Patenlandes Nordrhein-Westfalen, des Oberbergischen Kreises, der Stadt Wiehl und der Bewohner des Altdorfes.

Volker Dürr, Bundesvorsitzender der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und Föderationsvorsitzender, übermittelte dem Bundespräsidenten auch namens seiner siebenbürgischen Landsleute in Kanada, den USA, in Österreich und Siebenbürgen herzliche Grüße. Dass etliche Tausend Siebenbürger Sachsen in Drabenderhöhe ihre „alte“ und jetzt „neue“ Heimat wiedergefunden hätten, sei „der beispielhaften Aufnahmebereitschaft der hier im Oberbergischen Kreis in der Stadt Wiehl lebenden Bürgerinnen und Bürger zu verdanken“. Ganz besonders dankte Dürr dem Land Nordrhein-Westfalen, das vor 47 Jahren die Patenschaft für die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland übernommen hat. Im „Zeichen der gegenseitig erwiesenen Solidarität“ stünden neben Drabenderhöhe auch die Siedlungsgründungen Setterich, Overath, Herten-Langenbochum und Oberhausen, im weiteren Sinne dann „Kultureinrichtungen wie die Siebenbürgische Bibliothek, das Siebenbürgische Archiv und das Siebenbürgische Museum in Gundelsheim“. So könnten die Siebenbürger Sachsen heute sagen: „Wir sind daheim“. Zur Erinnerung an seinen Besuch in Drabenderhöhe überreichten Volker Dürr und Enni Janesch seitens der Landsmannschaft sowie des Adele-Zay-Vereins an Johannes Rau einen Koronder Keramikteller sowie, für dessen Gattin, eine handgearbeitete siebenbürgische Tischdecke. Harald Janesch, Vorsitzender der Landesgruppe NRW, überreichte Ministerin Fischer eine Bodenvase.



Bundespräsident Johannes Rau beim Eintrag ins Goldene Buch, v.l.n.r.: Sozialministerin Birgit Fischer, Landrat Hans-Leo Kausemann, Kreisgruppenvorsitzende Enni Janesch, Bundesvorsitzender Volker Dürr und Bürgermeister Werner Becker-Blonigen. Foto: Christian Schoger
Bundespräsident Johannes Rau beim Eintrag ins Goldene Buch, v.l.n.r.: Sozialministerin Birgit Fischer, Landrat Hans-Leo Kausemann, Kreisgruppenvorsitzende Enni Janesch, Bundesvorsitzender Volker Dürr und Bürgermeister Werner Becker-Blonigen. Foto: Christian Schoger


Im Anschluss an einen Liedvortrag des von Hubert Schönauer dirigierten Männergesangvereins Drabenderhöhe trat Bundespräsident Rau ans Rednerpult. Von der spürbar freundschaftlichen Atmosphäre berührt, hielt Rau eine herzliche, eingedenk des 1. April mitunter humorvolle, freie Rede. Darin blickte er auf seine langjährigen Beziehungen zu Siebenbürger Sachsen zurück, angefangen mit dem siebenbürgischen Lehrer seines Kindes, Richard Georg, über Veranstaltungen der Kreisgruppe Wuppertal, den Besuch des Heimattages in Dinkelsbühl 1997, damals noch als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, bis hin zu seinem Siebenbürgen-Besuch vor zwei Jahren. Und Rau resümierte: „Wir brauchen Wege zueinander. Es gibt gemeinsame Räume, in fünf Jahrzehnten erprobt und bewährt.“ Integration sei gewiss nicht immer einfach. Jedoch gelte es nun, miteinander zu leben und sich gegenseitig zu bereichern. Eine Kette führe von Fremdheit über die Neugier zur Freundschaft. Diese Kette zu stärken, sei gleichermaßen Aufgabe der Zivilgesellschaft wie des Staates. Bundespräsident Rau brachte überdies seine tiefe Verwurzelung im Oberbergischen zur Sprache und schloss seine Rede mit den Worten: „Ein Amt hört auf, das Leben nicht, und ich freue mich auf die Zeit danach.“ Darauf trug sich der Bundespräsident ein in das Goldene Buch des Oberbergischen Kreises, der Stadt Wiehl, der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland sowie des Altenheimes Drabenderhöhe. Bürgermeister Becker-Blonigen lud alle Gäste im Saal zum Imbiss und Umtrunk ein. Für die Bewirtung zeichneten der Siebenbürgische Frauenverein Drabenderhöhe und die Nachbarväter verantwortlich.

Das Altenheim war dann die nächste Station des Besuchsprogramms. An der Schwelle empfingen der Vorstand des Adele-Zay-Vereins mit seinem Vorsitzenden, Pfrarrer i.R. Kurt Franchy, und Hans Wolfgang Klein, Leiter des Altenheims, den Bundespräsidenten. Franchy führte kurz ein in Leben und Leistung von Adele Zay, ehe man sich in den Glaspavillon des Altenheims begab. Im Foyer davor sang der Honterus-Chor unter der Leitung von Regine Melzer ein Volkslied in Mundart.

Auf Wunsch des Bundespräsidenten fand zum Abschluss seines Besuchs in Drabenderhöhe im Glaspavillon eine Gesprächsrunde mit Jugendlichen und jungen Familien statt. Unter der Moderation von Hagen Jobi informierte sich Rau in diesem Diskussionsforum über den „Umgang der jungen Generation mit dem Siebenbürger Erbe“.



Johannes Rau im Dialog mit siebenbürgisch-sächsischen Familien, rechts vom Bundespräsidenten der stellvertretende Landrat Hagen Jobi, Moderator der Gesprächsrunde. Foto: Christian Schoger
Johannes Rau im Dialog mit siebenbürgisch-sächsischen Familien, rechts vom Bundespräsidenten der stellvertretende Landrat Hagen Jobi, Moderator der Gesprächsrunde. Foto: Christian Schoger


Rau befragte die zu dieser Gesprächsrunde eingeladenen Familien Melzer und Kasper (Eltern und Kinder) nach ihrem persönlichen Verhältnis zur siebenbürgischen Tradition. Angesichts der Präsenz zahlreicher Medienvertreter, respektive der Kamerateams von ARD, ZDF und des WDR, herrschte auf Seiten der Kinder anfangs eine nachvollziehbare Befangenheit. Heide Melzer unterstrich die Bedeutung von Geborgenheit und Sicherheit, wie sie in der siebenbürgischen Großfamilie begründet seien. Elke Kasper erklärte, mit ihren Kindern sächsisch zu sprechen. In der Mundart könne man seine Gefühle besser ausdrücken.

Zum Ausklang seines Besuchs in Drabenderhöhe besichtigte Rau die Kapelle des Altenheims und den „Turm der Erinnerung“: Beide sollen am 19. Mai feierlich eingeweiht werden. Aus diesem Anlass kündigte Rau an, eine Bibel mit persönlicher Widmung zu schenken. In einem vor Ort geführten ARD-Interview äußerte sich der Bundespräsident anerkennend über die gelungene Integration der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, deren Landsmannschaft in den zurückliegenden Jahrzehnten keinerlei Spannungen ausgelöst, sondern beispielhaft integrativ gewirkt hätte. Zur Verabschiedung des Bundespräsidenten spielte die Trachtenkapelle Drabenderhöhe unter Leitung von Jürgen Poschner einen musikalischen Gruß. Im Dienstwagen der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen verließen die Ehrengäste die Siebenbürger-Sachsen-Siedlung Drabenderhöhe, um noch der örtlichen Achsenfabrik BPW Bergische Achsen KG einen Besuch abzustatten. Sein Besuch in Drabenderhöhe, der unter bemerkenswert aufwändigen Sicherheitsvorkehrungen stattfand, ist einer der letzten Termine, den Bundespräsident Rau in seiner ausklingenden Amtszeit wahrnahm. Nicht nur bei den in der Siebenbürger-Sachsen-Siedlung lebenden Landsleuten hinterlässt das warmherzige Auftreten der Person Johannes Rau bleibende Eindrücke.

Christian Schoger



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Bundespräsident Johannes Rau zu Besuch in Drabenderhöhe

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