19. April 2004

Gundelsheim: Bewährter Gemeinsinn dringend gefragt

Das Siebenbürgische Archiv und die Siebenbürgische Bibliothek in Gundelsheim beinhalten das kollektive Gedächtnis der Siebenbürger Sachsen. Das Siebenbürgen-Institut erforscht dieses geistige Erbe und die Geschichte der Siebenbürger Sachsen im Zusammenspiel mit anderen Völkern Siebenbürgens. Zur Sicherung des existenziell bedrohten Siebenbürgen-Instituts ist gerade eine große bürgerschaftliche Aktion angelaufen. Der bewährte Gemeinsinn der Siebenbürger Sachsen ist dabei dringend gefragt.
Durch den Beschluss des Landes Nordrhein-Westfalen, die Förderung ab 2005 ganz einzustellen, drohen die gewachsenen Strukturen des Siebenbürgen-Instituts zusammenzubrechen. Neben politischen Verhandlungen sind nun alle Siebenbürger Sachsen dringend aufgerufen, mit Spenden und Zustiftungen den Erhalt des Instituts zu sichern. Die nordrhein-westfälische Regierung hat, wie in dieser Zeitung berichtet, im Zuge der Konsolidierung des Landeshaushaltes beschlossen, die institutionelle Förderung des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrates als Träger des Siebenbürgen-Instituts mit Bibliothek und Archiv in Gundelsheim ab 2005 einzustellen. Bereits für 2004 wurden Förderkürzungen wirksam, die schon zur Entlassung von Mitarbeitern geführt haben. Das Patenland NRW war über Jahrzehnte der größte Förderer des Kulturrates, gefolgt vom Land Baden-Württemberg, das zwar nur die Hälfte des nordrhein-westfälischen Beitrages aufbringt, aber gewillt ist die bisherige Förderung – geringfügig gekürzt - auch zukünftig zu leisten.

Bibliothek und Archiv könnten somit auf viel niedrigerem personellen Niveau als bisher aufrecht erhalten werden. Unter den derzeitigen Voraussetzungen müssen aber zum Jahresende weitere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (ca. drei volle von bisher vier Stellen!) in Bibliothek und Verwaltung entlassen werden. Deshalb muss es in der verbleibenden Zeit gelingen, die Stiftung Siebenbürgische Bibliothek so auszustatten, dass sie Personalkosten kompensieren kann. Je erfolgreicher die Stiftung in der Mitteleinwerbung in nächster Zeit sein wird, um so mehr Personal - und damit Service - kann in Gundelsheim erhalten werden.

Schloss Horneck in Gundelsheim, Sitz des Siebenbürgen-Instituts.
Schloss Horneck in Gundelsheim, Sitz des Siebenbürgen-Instituts.

Die Siebenbürgen betreffende wissenschaftliche Arbeit bedarf der Koordination. Bislang wurde diese Koordination vom Siebenbürgen-Institut Gundelsheim geleistet. Das Institut ist eine Gewähr, dass die siebenbürgisch-sächsische Vergangenheit eine Zukunft hat. Der Einrichtung ist es in dem vergangenen Jahrzehnt gelungen, erhebliche Mittel für Projekte einzuwerben, sei es von öffentlichen (Beauftragte der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und Medien, die Länder Baden-Württemberg und Bayern) oder privaten Förderern (VW-Stiftung, Bosch Stiftung). Dazu zählen die Kulturgutsicherung, die Erarbeitung und Publikation der Denkmaltopographie, die Erschließung evangelischer Gemeindearchive, die Endbearbeitung des Nordsiebenbürgisch-Sächsischen Wörterbuchs, eine Vielzahl von Publikationen, wissenschaftliche Tagungen, Stipendien etc. Mit diesen Finanzmittel erst konnte das Institut gestaltend wirken und siebenbürgisch-sächsisches Kulturerbe am Leben erhalten. Diese Mittel müssen jedoch sachkundig beantragt und ordnungsgemäß verwaltet werden. Ohne hauptamtliches Fachpersonal kann das Institut die ihm zugewiesenen Aufgaben nicht erfüllen. Vor allem die vor knapp einem Jahr geglückte Anbindung an die Universität Heidelberg, auch ein wichtiger Schritt der Zukunftssicherung, kann nur durch einen in Gundelsheim präsenten und angestellten Wissenschaftler mit Leben erfüllt werden.



Gustav Binder, Geschäftsführer des Siebenbürgen-Instituts, präsentiert eine bibliophile Kostbarkeit der Bibliothek aus dem Jahr 1702. Foto: Petra Reiner
Gustav Binder, Geschäftsführer des Siebenbürgen-Instituts, präsentiert eine bibliophile Kostbarkeit der Bibliothek aus dem Jahr 1702. Foto: Petra Reiner
Die Siebenbürgen-Forschung ist weit mehr als ein belangloses Steckenpferd einiger weniger ergrauter Herren. Sie ist ein mit Verve, neuen Fragestellungen und Theorien betriebenes Vorhaben geworden. Bricht die Kontinuität und die Erfahrung des Personals weg, dürfte das Gundelsheimer Kultur- und Wissenschaftszentrum alsbald nur noch eine skelettierte Hülle sein. Deshalb ist es jetzt ganz wichtig, den Mitarbeitern für das weitere Funktionieren der Einrichtung eine berufliche Perspektive zu bieten.

Der Verlust aller angestellten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Siebenbürgen-Instituts würde einen enormen Aderlass an Humankapital bedeuten. Die Fach-, Milieu-, Mentalitäts- und Sprachkenntnisse, die Forschungserfahrungen der Mitarbeiter, aber auch die gewachsenen und komplexen Beziehungen zu anderen Institutionen in ganz Europa sind ein wertvoller, kaum ersetzbarer Schatz. Das berufliche und darüber hinaus ehrenamtliche Engagement, die zahlreichen Reisen, Seminar- und Tagungsteilnahmen sind Qualifikationen, die in der Forschungseinrichtung in Gundelsheim unabdingbar sind.

Das verbleibende Zeitfenster für die Weichenstellung, wie es mit dem Personal weitergehen soll, sind die nächsten 100 Tage! In diesem Zeitraum muss absehbar sein, ob die Mitarbeiter auf eine Weiterbeschäftigung hoffen können und der Kernbetrieb der Einrichtung (wissenschaftliche Leitung, Bibliothek) aufrecht erhalten werden kann. Daher müssen in diesem kurzen Zeitraum neben den parallel verlaufenden Bemühungen auf politischem Wege hohe Spenden und Zustiftungen für die Fördereinrichtungen, hauptsächlich die Stiftung Siebenbürgische Bibliothek, eingehen. Es ist notwendig in den nächsten 100 Tagen eine Million Euro einzusammeln, damit diese Garantie gegeben werden kann. Diese Summe scheint zugegebenermaßen utopisch. Doch könnten 10 000 Personen mit einer Summe von jeweils 100 Euro diesen Betrag zusammenbekommen. Alle Landsleute sind aufgefordert, diese Mittel aufzubringen. Die Zahl unserer Landsleute in Deutschland beträgt bekanntlich ein Vielfaches der genannten Zahl.

Wichtig hierbei ist, dass diese eingeworbenen Mittel nicht ausgegeben, sondern lediglich aus den Zinserträgen die Ausgaben für Personal bestritten werden. Das Kapital wird nicht geschmälert und erbringt (vorbehaltlich außerordentlicher Ereignisse) „in alle Ewigkeit“ Zinsen, die für den dauerhaften und stetigen Betrieb des Institutes.

Die Stiftung Siebenbürgische Bibliothek und der Verein der Freunde und Förderer der Siebenbürgischen Bibliothek setzen sich jetzt schon finanziell für das Funktionieren der Gundelsheimer Einrichtungen ein. Die operativen Mittel dieser Fördereinrichtungen werden durch Spenden, Zuwendungen, Vermächtnisse und/oder Mitgliedsbeiträge aufgebracht. Alle Landsleute, denen der Erhalt siebenbürgisch-sächsischer Kultur ein Herzensanliegen ist, sollten die genannten Einrichtungen bei der Bewältigung ihrer Aufgabe stärken. Daher bitten wir Sie, in den nächsten 100 Tagen den Betrag von 100 Euro auf das Konto der Stiftung zu überweisen. Sollten Sie nicht ganz so vermögend sein, darf es selbstverständlich auch weniger sein und sollten Sie sich als gutsituiert betrachten, darf es auch etwas mehr sein. Sie helfen damit das kulturelle Erbe der Sachsen am Leben zu erhalten. Das vielleicht markanteste soziale Merkmal der Siebenbürger Sachsen über Jahrhunderte ist ihr Bürgersinn. Hier ist er wieder gefragt.

Zuwendungen an die Stiftung Siebenbürgische Bibliothek sind steuerlich absetzbar. Die Bankverbindung lautet: Kontonummer 211 029 013, Volksbank Oberberg, Bankleitzahl 384 621 35. Für Rückfragen stehen Ihnen der Vorstand der Stiftung und die Mitarbeiter des Siebenbürgen-Institutes, Schloss Horneck, D-74831 Gundelsheim, Telefon: (0 62 69) 4 21 00, Fax: (0 62 69) 42 10 10, E-Mail: info@siebenbuergen-institut.de, Internet: http://siebenbuergen-institut.de, gerne auch persönlich zur Verfügung.

Gustav Binder


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