24. April 2004

Entwicklungsökonom Bruno Knall 80 Jahre alt

Als „Gründer einer eigenen entwicklungsökonomischen Schule“ wurde Professor Dr. Bruno Knall kürzlich von der „Rhein-Neckar-Zeitung“ gewürdigt. Die „harten“ Wirtschaftswissenschaften nützten kaum bei der Lösung praktischer Entwicklungsprobleme in wirtschaftlich zurückgebliebenen Ländern. Diesen Zweifel habe Knall seinen Studenten in Heidelberg ebenso vermittelt wie „ein besonderes Gespür für die Bedeutung des soziokulturellen Umfelds der wirtschaftlichen Handelnden“. Heute sitzen die ehemaligen Studenten in vielen Schlüsselpositionen der deutschen und internationalen Entwicklungspolitik.
Bruno Knall wurde am 22. Februar 1924 in Hermannstadt geboren und absolvierte 1943 das Brukenthalgymnasium. Nach dem völkischen Dienstjahr in Mühlbach und dem Militärdienst in der deutschen Wehrmacht geriet er 1945 zunächst in amerikanische, dann in französische Kriegsgefangenschaft. Ein „positives Ergebnis“ der Gefangenschaft war, dass er gut Französisch lernte, erinnert sich Knall in einem Interview gegenüber der Hermannstädter Zeitung. Ab 1947 studierte er am Pariser Institut für Politische Wissenschaften, wo er auch promovierte. Ebenfalls in der französischen Hauptstadt lernte er Hermann Gross, den Nestor der südosteuropäischen Wirtschaftswissenschaften, kennen. Der aus Kronstadt stammende Professor berief Knall zu seinem Assistenten an das Kieler Institut für Weltwirtschaft. Hier spezialisierte sich der Hermannstädter in Wirtschaftsfragen der Entwicklungsländer.

1968 wurde Knall an das Südasien-Institut der Universität Heidelberg berufen, wo er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1993 als ordentlicher Professor für Wirtschaftswissenschaften das Lehrfach Entwicklungsökonomie unterrichtete. Sein Blick über den Tellerrrand der „harten“ Wirtschaftswissenschaften hinaus machte Bruno Knall zum idealen Partner in einer als interdisziplinär konzipierten Organisation wie dem Südasien-Institut. „Sein wichtigster theoretischer Beitrag ist eine grundlegende Arbeit über die Entwicklungsprogrammierung, die sich mit den Methoden und Techniken zur Aufstellung von Entwicklungsplänen befasst. Sie wurde 1969 als eine der ersten Publikationen des Südasien-Instituts veröffentlicht“, schreibt die Rhein-Neckar-Zeitung. Danach wandte sich Knall immer mehr auch der praktischen Durchführung von Programmen und Projekten zu. Seine besondere Liebe galt Nepal. Im Hindukönigreich am Himalaya machte sich der Siebenbürger einen Namen als Lehrer und Berater. Im Vordergrund seines Interesses standen zunächst Fragen der Bildungspolitik, später widmete er sich der Partizipationsforschung. Er gewann dabei die Erkenntnis, dass eine wirklich nachhaltige Entwicklung nur unter der Beteiligung der betroffenen Bevölkerung in der Planung und Vorbereitung von Projekten möglich sei. Mehr als drei Jahrzehnte lang wurde Bruno Knall von der UNO und anderen Organisationen als Fachmann für Entwicklungsfragen herangezogen. Knall engagierte sich dabei für eine menschliche Entwicklung auch der ärmsten Regionen der Welt.

Sein Fachwissen und seine Erfahrungen auf dem Gebiet der Entwicklungsökonomie setzte Knall auch nach seiner Emeritierung durch Beratung und Vorlesungen in einzelnen Transformationsländern ein. So hielt Knall 1995 einen Vorlesungen in seiner Heimatstadt Hermannstadt und in Kischinau (Republik Moldau). Seine Lehrveranstaltungen waren sehr erfolgreich und bei den Studenten so begehrt, dass sie wiederholt werden mussten. Ein Satz des rumänischen Philosophen Constantin Noica beeindruckte ihn ganz besonders: Hermannstadt sei das „Heidelberg de la Roumanie“. Den Vergleich Hermannstadt-Heidelberg fand Knall zutreffend. „Ich habe ja selbst in Heidelberg Stückchen meiner Heimatstadt wiedergefunden“, erklärte er in einem Gespräch mit der Hermannstädter Zeitung.

Eine faszinierende Persönlichkeit war für ihn Stephan Ludwig Roth (1796-1849), eine der hervorragendsten Erscheinungen in der 850-jährigen Geschichte der Siebenbürger Sachsen. Der „Wirtschaftsreformkonzeption von Stephan Ludwig Roth“ widmete Knall in einem Vortrag, den er am 22. Juni 1996 im Rahmen der Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturtage in München hielt. Roth sei ein „ausgefuchster Nationalökonom“ gewesen und habe die Wirtschaftszusammenhänge ganzheitlich gesehen. Knall bescheinigte Roth einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit in der Lebensführung: „Roth war ein Philosoph, einfach zu gut für diese Welt“.
Seit einem Schlaganfall Anfang 2000 wird Bruno Knall im Siebenbürger Pflegeheim in Gundelsheim betreut.

Siegbert Bruss



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