29. April 2004

Höhlenerlebnis in den Westkarpaten

Rosia Montana, Abrud, Zlatna sind Orte in den Westkarpaten, die Inbegriff sind für die Bodenschätze und Wirtschaft der Region. Aber auch die Tropfsteinhöhle von Meziad, die Eishöhle von Scarisoara, der Höhenkurort Stana de Vale oder der traditionelle „Targul de Fete“ (Mädchenmarkt) auf dem Muntele Gaina sind sehenswerte Merkmale dieser Gegend, wovon sich unsere Reisegruppe im März diesen Jahres überzeugen konnte. Denn wir wollten eben diese Tropfsteinhöhle von Meziad sehen.
Nach einem Höhlenführer befragt, verwies uns eine Bäuerin auf Titi, einen jungen Mann im Nachbarhof. Titi war bereit, uns zu führen. Am Höhleneingang angekommen, gelangten wir durch einen riesigen Bogen im Fels in eine Halle von ca. 40 m Höhe, Breite und Länge, in der stellenweise noch Eis lag. Vor einem großen Stalagmiten (Auftropfstein), dem „Höhlenwächter“, machte uns Titi mit den wichtigsten Verhaltensregeln vertraut. In der Höhle entspringt der Meziad-Bach. Die „Hand des Riesen mit fünf Fingern" schwebte als Stalaktit (Abtropfstein) über uns.


Tropfsteinhöhle Meziad, Westkarpaten: 'Die krumme Säule'.
Tropfsteinhöhle Meziad, Westkarpaten: 'Die krumme Säule'.

Gleich daneben hing der „Höhlenluster" vom Deckengewölbe. Nach der „Sommerküche“, einem Raum, in dessen Deckengewölbe ein Loch war, gleichsam ein Rauchabzug, sahen wir die „kleine und die große Orgel“, danach den „Lämmchenkopf“ und den „Gänsekopf“. In etwa 20 m Tiefe hörten wir den Höhlenbach fließen, zu dem wir noch absteigen sollten. Wir stießen auf weitere Stalagmiten (u.a. „Hirte im Schafspelz“, „Bug der Titanic“) bzw. Stalaktiten („Alphorn des Avram Jancu“, „Tintenfisch“). Ab und zu beleuchtete Titi die Höhlendecke. Was wie schwarze Schmutzflecken aussah, entpuppte sich als eine Schar von Fledermäusen, die vor dem Lichtschein flohen. Im „Dom der Stalaktiten“ sahen wir viele Leuchtkügelchen. Die Leuchtkügelchen an den Stalaktiten waren Wassertropfen, die zum Stalagmiten überwechseln werden.


Tropfsteinhöhle Meziad, Westkarpaten: 'Die 3-stufige Rakete'.
Tropfsteinhöhle Meziad, Westkarpaten: 'Die 3-stufige Rakete'.

Wieder zurück am Ausgang war uns bewusst, dass wir eine der schönsten Tropfsteinhöhlen Rumäniens gesehen hatten. Titi war sehr bescheiden: ein geringes Trinkgeld und zwei Tafeln Schokolade genügten ihm. Unser Interesse und unsere Zufriedenheit mit seiner Führung waren ihm eine ehrwürdigere Belohnung. Wir fuhren zurück auf der N75 entlang der Schwarzen Kreisch in Richtung Albac, über eine schöne Passtraße dann in Richtung Abrud. Ein trauriger Anblick: Rosia Montana und seine Umgebung gleichen einer Mondlandschaft. Ausgewaschene Erde, so genannter „Steril“, liegt zu Bergen aufgeschüttet bis an die Straße. Die Schmalspurbahn, die Mocanita, fährt nicht mehr. Das Gleis ist von Gras und Unkraut überwuchert. Eine kanadische Firma hat die Schürfrechte für ganze Gebirgszüge um Rosia Montana gekauft und ist jetzt dabei, auch die Häuser der Bauern im Ort zu kaufen, um sie abzureißen und nach Gold zu schürfen. Die Menschen sind heute eher ein Störfaktor in der Gegend, denn sie widersetzen sich dem Vormarsch der Maschinen und wollen auch noch Geld haben. Der ganze Ort soll verlegt werden. Eine Straße wird bereits zu dem neuen Standort gebaut. Die heutige Rente eines Bergarbeiters, der sein Leben lang Gold geschürft hat, bewegt sich zwischen 35 und 75 Euro im Monat.

Nach Abrud überquerten wir das Trascau-Gebirge und gelangten ins Ampoiu-Tal. Spätestens in Zlatna, wo der auf einem Berghügel erbaute Schornstein der Buntmetallfabrik quasi als Mahnmal steht, kann man erkennen, dass die sozialistischen Veränderungen das Land tief ins Elend geführt haben. Riesige Fabriken sind stillgelegt, in keinem Ofen brennt mehr Feuer, aus keinem Schlot tritt Rauch aus. Die Menschen sind wieder zur Landwirtschaft und Viehzucht zurückgekehrt, wenn man die bescheidenen Überlebensversuche so nennen darf. Die unberührte Natur aber ist immer noch sehens- und erlebenswert. Wir werden wiederkommen! Einmal im Sommer, wenn die Natur mit sattem Grün das fahle Grau der Industrie übertönt.

Johannes Kravatzky


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