11. Mai 2004

Osteuropa durch die "Filmbrille" gesehen

Wenn aus einem "Farbtupfer" eine "Orchidee" wächst, dann ist das Konzept des vor vier Jahren gegründeten goEast-Filmfestivals in Wiesbaden von Erfolg gekrönt - so Claudia Dillmann vom Deutschen Filminstitut Frankfurt am Main bei der Preisverleihung im Jugenstilkino Caligari in Wiesbaden.
Im Programmkino Caligari fand kürzlich das 4. GoEast-Filmfestival mit 6 500 Besuchern aus Deutschland und Osteuropa statt. Die bisherige Direktorin des GoEast Festivals, Claudia Dillmann, begrüßte bei der Eröffnung den hessischen Minister für Wissenschaft und Kunst, Udo Corts, Hilmar Hoffman, Schirmherr des goEast Festivals, Vertreter der Hertie-Stiftung Frankfurt und Diplomaten, darunter den rumänischen Generalkonsul. Hauptförderer des kleinen Filmfestivals sind das Auswärtige Amt, das Goethe-Institut sowie Wirtschaftsfirmen, die Landeshauptstadt Wiesbaden sowie das Land Hessen. Auch ZDF und 3sat arbeiten mit goEast zusammen. In der Reihe „Das kleine Fernsehspiel“ des ZDF werden Filme aus den Wettbewerbsländern gezeigt. 3sat hat die preisgekrönten Filme gekauft und in sein Programm aufgenommen.

Der rumänische Regisseur Titus Muntean zeigte den Spielfilm "Examen"
Der rumänische Regisseur Titus Muntean zeigte den Spielfilm "Examen"
Wissenschaftsminister Udo Corts nannte das Festival eine große Chance "die andere Seite" Europas psychologisch, sozial und politisch durch die "Filmbrille" besser kennen zu lernen. In Wiesbaden haben übrigens im Laufe der Jahrhunderte immer wieder ost- und mitteleuropäische Künstler ihre Spuren hinterlassen: Dostojewski schrieb hier Teile seines Romans "Der Spieler" im Kaffeehaus Maldaner; Jawlensky lebte in Wiesbaden und ist auf dem Neroberg begraben, zudem bergen der russisch-orthodoxe Friedhof und die griechisch-orthodoxe Kapelle Spuren osteuropäischer Kultur. Die Stadt hat auch diesmal die Chance erkannt, ein osteuropäisches Festival finanziell und organisatorisch zu fördern.

"GoEast comes West", sagte die neue Festivalleiterin Christine Köpf : Acht osteuropäische Länder, die mit Beiträgen auf dem Festival vertreten waren, traten am 1. Mai der EU bei und gehören nunmehr zur großen Familie Europa. Im diesjährigen Wettbewerb waren neun Spielfilme aus Polen, Russland, Rumänien, Ungarn, Kroatien, Montenegro, Serbien, der Tschechischen Republik, Bulgarien, Usbekistan und Armenien sowie sechs Dokumentarfilme für die "Goldene Lilie" nominiert. In der Jury saß auch die Diana Dumbrava, Schauspielerin des Bulandra-Theaters in Bukarest. Die Rumänin wurde 2003 für ihre Rolle der Maria in einem Film von Peter Netzer als beste Schauspielerin von der European Film Academy ausgezeichnet.

Außerhalb des Konkurses lief der rumänische Spielfilm "Niki und Flo", 2003 von dem in Frankreich lebenden Regisseur Lucian Pintilie mit dem bekannten Schauspieler Victor Rebengiuc in der Hauptrolle gedreht. Rebengiuc stellte sich in Wiesbaden den Fragen des Publikums. Als rumänischer Festivalbeitrag lief der Spielfilm "Examen" von Titus Muntean. In Rückblenden wird geschildert, wie eine Familie durch das totalitäre Überwachungssystem Ceausescus zerstört und die folgende Generationen davon betroffen wird. Drei Jahre dauerten die Dreharbeiten an "Examen“ (Prüfung), da die Gelder ausgingen und der Regisseur das Ende umschreiben musste, um den Film mit den vorhandenen Mitteln doch noch fertig stellen zu können. Rumänische Filme werden nur in wenigen Kinohäusern des Landes gespielt, da ihnen kein finanzieller Erfolg zugetraut wird. Jungregisseur Muntean meinte, er müsse nach Deutschland kommen, um Filme aus Osteuropa zu sehen. In Rumänien seien eher die amerikanischen Streifen populär.

Als bester Film wurde "Koktebel" von Boris Chlebnikow und Aleksej Popogrebski beim Filmfestival in Wiesbaden ausgezeichnet
Als bester Film wurde "Koktebel" von Boris Chlebnikow und Aleksej Popogrebski beim Filmfestival in Wiesbaden ausgezeichnet

Die Spielfilme des Festivals schilderten Lebenssituationen und die wechselhafte Stimmung in Osteuropa, aber auch den Optimismus der dortigen Jugend. Der polnische Regisseur Jerzy Stuhr stellte im Film "Das Wetter von morgen" humorvoll und fast märchenhaft, im Hollywoodstil, das Leben einer Familie im postkommunistischen Polen dar. Es ist der Versuch, mit den neuen Lebensverhältnissen klar zu kommen. Jerzy Stuhr erhielt den Preis der Internationalen Filmkritiker Jury (FIPRESCI). Als bester Film wurde "Koktebel" von Boris Chlebnikow und Aleksej Popogrebski mit der "Goldenen Lilie" und einem Preisgeld von 10 000 Euro ausgezeichnet. Es ist die Geschichte eines elfjährigen Jungen, der mit seinem Vater auf Wanderschaft geht von Moskau ans Schwarze Meer. Die großartigen Landschaftsbilder des kleinen Ortes auf der Krim - Koktebel - und die Geschichte eines ungewöhnlichen Kindes, das nach seiner Identität und Herkunft sucht, beeindruckten die Kinobesucher. Ein etwas ungewöhnlicher Film des Ungarn Benedek Fliegauf, "Dealer", erhielt den Preis für die beste Regiearbeit. Fliegauf, der selbstbewusst auftrat, erzählt die Geschichte eines Drogendealers, der seine Opfer nicht nur mit "Stoff" beliefert, sondern auch diese Menschen und ihr Schicksal begleitet. Drei weitere Filme bedachte die Jury mit besonderem Lob.

Das goEast-Festival wird seine Tätigkeit nunmehr auf das ganze Jahr ausdehnen. In weiteren Symposien, Filmtagen und Zusammenkünften sollen dem Publikum weitere osteuropäische Filme näher gebracht werden.

Katharina Kilzer

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