12. Mai 2004

"Umwelt im Raumzeitalter"

Das neue Werk „Umwelt im Raumzeitalter“ von Dr. Hans Barth zeigt - teilweise in der Tradition von Hermann Oberth - Visionen zur Bewältigung existenzieller Probleme der Menschheit auf. Dabei steht die Weltraumtechnik im Mittelpunkt. Barth geht auf neue Entwicklungen ein, die zur Diskussion anregen. Die Technik alleine löst kein einziges Problem, wenn das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Lösung fehlt. Aber werden wir es gerade angesichts der von der Technik in Aussicht gestellten Lösungsmöglichkeiten verantworten können, solche Notwendigkeiten (weiterhin) zu ignorieren?
Beim Namen Hans Barth denkt man an den Oberth-Biographen und an historische Schriften über Techniker und Wissenschaftler. Daneben hat Barth sich stets auch mit der Frage beschäftigt, welchen Beitrag die Weltraumtechnik zur Lösung von Zukunftsproblemen der Menschheit leisten könnte, etwa in „Die Unabdingbarkeit des Raumzeitalters“ (1977), „Das Raumzeitalter“ (1981) und schließlich „Weltraumtechnik für die Umwelt“ (1997), dessen erweiterte und überarbeitete Fassung „Umwelt im Raumzeitalter“ (2003) nun als CD-ROM erschienen ist. Die Siebenbürgische Zeitung wird in mehreren Folgen Auszüge daraus veröffentlichen.


Neuerscheinung von Dr. Hans Barth
Neuerscheinung von Dr. Hans Barth

Barth strebt in „Umwelt im Raumzeitalter“ - wie schon in „Weltraumtechnik für die Umwelt“ - eine ganzheitliche Betrachtung an: Über technische Perspektiven hinaus geht es um das Verständnis der Raumfahrt als kulturelle Entwicklung. Drei Themenschwerpunkte werden behandelt: 1. Weltraumtechnik zur Lösung von Problemen auf der Erde; 2. Soziale und ökonomische Perspektiven durch die Weltraumtechnik; 3. Kulturelle und philosophische Bedeutung der Weltraumtechnik. Alle drei Bereiche werden auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik sachkundig und weitgehend auch für Laien gut verständlich abgehandelt.

1. Weltraumtechnik zur Lösung von Problemen auf der Erde


Barth zeigt eine Fülle an technischen Möglichkeiten auf, die zu einer Lösung existenzieller Fragen der Menschheit beitragen könnten. Von zentraler Bedeutung ist dabei das Energieproblem, zu dessen Lösung in der Tradition von Oberth weltraumgestützte Techniken wie Sonnenspiegel und Energiesatelliten vorgestellt werden. Barth erwägt ferner z.B. eine Umlenkung von Wolkenmassen über Trockengebiete zur Urbarmachung mittels Lichtspiegeln im Weltraum. Er entwirft auch ein Szenario, das den Einsatz von Weltraumspiegeln ausgehend von lokalen Pilotversuchen schrittweise aufbaut. Diese umsichtige Vorgehensweise soll sicherstellen, dass die klimatischen Folgen der eingeleiteten Veränderungen unter Kontrolle bleiben.

Bei allen aufgezeigten Möglichkeiten der Technik sollte beim Leser ein Aspekt nicht aus dem Blick geraten: Die Menschheit muss sich ihrer Verantwortung für die Umwelt bewusst werden und entsprechend handeln. Ein bloßes Hoffen auf die korrigierenden Wirkungen einer zukünftigen Technik, das dem Leser angesichts der vielfältigen von Barth aufgezeigten Möglichkeiten nahe gelegt werden könnte, dürfte kaum geeignet sein, dieses Verantwortungsbewusstsein zu entwickeln. Hier könnten Barths Ausführungen noch deutlicher sein, zumal er selbst die Anwendungen der Technik in den Zusammenhang der Ökologie stellt.

Auf die Frage der Wirtschaftlichkeit wird nicht näher eingegangen, was in einem Werk, das in erster Linie technische Perspektiven aufzeigt, nicht weiter ins Gewicht fällt. Aus wirtschaftlicher Sicht erscheinen die Techniken nicht unrealistisch, wäre doch die Wirtschaftlichkeit im Zusammenhang mit zukünftigen Ressourcenverknappungen – und damit Verteuerungen – zu sehen.

2. Soziale und ökonomische Perspektiven durch die Weltraumtechnik


„Vom egoistischen Ich zum gemeinnützigen Wir“: Auf diese Formel bringt Barth seine Überlegungen zur sozialen und ökonomischen Wirkung der Weltraumtechnik - in klarer Abgrenzung zum gescheiterten Sozialismus Osteuropas. Kurz gesagt meint Barth damit Folgendes: Die Menschheit könnte in die Lage kommen, zur Lösung existenzieller Probleme zur Weltraumtechnik greifen zu müssen. Die Komplexität dieser Aufgabe und die enormen Kosten müssten dann eine hohe internationale Solidarität zustande bringen und damit zur Überwindung sozialer und ökonomischer Differenzen beitragen. Dies wäre in einer Situation, in der es um das Überleben der Menschheit geht, vielleicht vorstellbar, allerdings müsste diese Globalität auch eingestanden werden.

Neben dieser eher langfristigen Perspektive werden auch Möglichkeiten etwa zur Überwindung der aktuellen Kluft zwischen armen und reichen Ländern erwogen. Dazu gehören der Einsatz von Satelliten für die Kommunikation in Gebieten mit schlechter Infrastruktur, zur Identifizierung von fruchtbaren Landstrichen oder auch die Verwendung von Lichtspiegeln zur Energieerzeugung in armen Wüstengebieten, deren Bevölkerung dann durch den Export der Energie zu „einem Reichtum“ gelangen könnte, „der nur noch mit dem der heutigen Ölstaaten vergleichbar wäre“, wie Barth schreibt.

Das Aufzeigen der technischen Möglichkeiten kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Überwindung der sozialen und ökonomischen Diskrepanzen auf der Welt keineswegs eine Frage alleine der Technik sein dürfte: Gerade in dem oben zitierten Vergleich mit dem Reichtum der Ölstaaten ist ja bereits eine neuartige ökonomische Diskrepanz angelegt. Hinzu kommt, dass Technik letztlich immer nur jenen zugute kommt, die sie bezahlen können. Ein technologischer Neo-Kolonialismus, der armen Ländern Technik zur Verfügung stellt und dann durch die geforderten Gegenleistungen neuartige Abhängigkeiten erzeugt, wäre andererseits auch keine Überwindung der Kluft zwischen Arm und Reich, wie sie von Barth gemeint sein dürfte. Dennoch: Die von Barth aufgezeigten technischen Möglichkeiten eröffnen Perspektiven, die bei Problemen Abhilfe schaffen könnten, wenn nur die gesellschaftliche Bereitschaft dazu besteht und die ökonomische Grundlage sichergestellt wird. So könnte auch die Raumfahrt einen Beitrag zu einer „Globalisierung mit menschlichem Antlitz“ (Kofi Annan) leisten.

3. Kulturelle und philosophische Bedeutung der Weltraumtechnik


Barth diagnostiziert ein Auseinanderklaffen von technologischem Fortschritt und kultureller Entwicklung. Damit ist gemeint, dass die Entwicklung der Vernunft und der Moral mit der Entwicklung der Technologie nicht Schritt hält. Was kann nun ausgerechnet die Weltraumtechnik, also eine neue Technologie, zur Überwindung dieser „Krise der menschlichen Vernunft“, wie Barth sie nennt, beitragen? Barth knüpft hier an Kant und an Oberth an: Beide hatten die Bedeutung des Strebens nach der Realisierung von Idealen hervorgehoben. Nun kann aber gerade die Raumfahrt - so Barth - solche Ideale bieten. In diesem Sinne könne sie dem Wissen auch ein Gewissen verleihen, wie Barth es formuliert. Das Ideal der Raumfahrt also als konstitutives Element der Ethik und eines umfassenden Kulturverständnisses.

Darüber hinaus geht Barth auf die wissenschaftliche Bedeutung der Raumfahrt ein, so auf die Entdeckungen des Hubble-Teleskops und auf Experimente, die nur in der Schwerelosigkeit durchgeführt werden können. Bei diesen Betrachtungen wird die Abwägung von Aufwand und Nutzen bemannter gegenüber unbemannter Raumfahrt vorwiegend anhand des Space Shuttle thematisiert. Im konkreten Einzelfall wäre hier freilich auf eine angemessene Kosten-Nutzen-Relation zu achten.

Schließlich geht Barth auf grundsätzliche Aspekte des Lebens ein. Physikalisch betrachtet lässt sich danach das Leben als eine Vernichtung von Entropie mit Hilfe der Sonnenenergie verstehen: Wir „importieren“ dabei ständig negative Entropie - „Negentropie“ - von der Sonne. Dieser Prozess könnte - so Barth - durch Weltraumtechnik (Lichtspiegel) oder durch die Speicherung von Sonnenenergie in Form von Antimaterie ausgebaut werden. Da es sich hierbei um eine kulturelle Leistung des Menschen handeln würde, führt Barth den Begriff der „kulturellen Negentropie“ ein: Entropieverminderung durch kulturelle Leistungen des Menschen. Die kulturelle Negentropie eröffnet die Möglichkeit eines umfassenden Verständnisses der menschlichen Kultur und ihrer Entwicklungsmöglichkeiten. Kurz gesagt: Die vom Menschen verursachte Entropie darf die von ihm erschaffene negative (kulturelle) Entropie nicht überschreiten, wenn seine Lebensgrundlage gesichert sein soll.

Fazit


„Umwelt im Raumzeitalter“ kann jedem an existenziellen Fragen der Menschheit bzw. an der Raumfahrt Interessierten empfohlen werden. Wie schon diese auf wenige Aspekte eingehende Besprechung zeigt, wird vieles kontrovers diskutiert werden müssen, um die richtigen Wege zu finden. Barth eröffnet das Bewusstsein für zukünftige Perspektiven - und er beraubt uns bequemer Ausreden, die gegen die Lösung existenzieller Probleme - paradoxerweise - vielleicht als „vernünftiger“ akzeptiert werden als die von ihm entworfenen Visionen.

Dr. Klaus Weinrich



Hans Barth: „Umwelt im Raumzeitalter“. CD-ROM mit einem Geleitwort von Harry O. Ruppe. 58 Abbildungen, 18 Tabellen. Das Inhaltsverzeichnis und das Vorwort können unter www.hansbarth.de eingesehen werden. Bestellungen der CD „Umwelt im Raumzeitalter“ (15 Euro) und des Buches „Weltraumtechnik für die Umwelt“ (10 Euro) über das Hermann-Oberth-Raumfahrt-Museum e. V., Pfinzingstraße 12-14, 90537 Feucht. Telefon: (0 90 25) 35 02, E-Mail: info@oberth-museum.org. Die Einnahmen aus dem Verkauf dieser CD und des Buches fließen dem Oberth-Museum als Spenden zu. Besteller können auf Wunsch eine Spendenquittung erhalten.

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