25. Juli 2001

Bukarest verfügt "zweite Enteignung" gegen Deutsche

Die rumänische Regierung unter Adrian Nastase hat Ende Juni über eine Dringlichkeitsverordnung das Bodenrückgabegesetz Nr. 1/2000, das so genannte "Lupu-Gesetz", dahingehend geändert, dass die deutsche Minderheit von der Rückgabe ausgeschlossen wird. Das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR) hat gegen die Maßnahme, die "Geist und Buchstaben" des Freundschaftsvertrages zwischen der Bundesrepublik und Rumänien verletzt, heftig protestiert.
Die Dringlichkeitsverordnung der Regierung Nastase macht die im Gesetz Nr. 1/2000 festgeschriebene Restitution der 1945 enteigneten Bodenflächen an ihre einstigen deutschen Besitzer rückgängig und schließt damit die siebenbürgisch-sächsischen und banatschwäbischen Bauern, die seinerzeit unrechtmäßig ihrer Existenzgrundlage beraubt wurden und heute noch im Lande leben, von der im Gesetz angestrebten Wiedergutmachung aus. Die Verordnung stellt einen eklatanten Verstoß nicht nur gegen demokratisch-parlamentarische Gepflogenheiten dar, sondern läuft auch "Geist und Buchstaben" des deutsch-rumänischen Freundschaftsvertrages von 1992 zuwider, so die Einschätzung des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR) und seines Vorsitzenden, des Parlamentsabgeordneten Wolfgang Wittstock, in einer Mitte Juli veröffentlichten Protesterklärung an die Presse.
Bekanntlich waren die Angehörigen der deutschen Minderheit in Rumänien gleich nach dem Frontwechsel von 1944 pauschal als "Kollaborateure des Dritten Reiches" verfemt worden. Im Zuge der politischen und gesellschaftlichen Ausgrenzung wurden am 23. März 1945 durch die Bodenreform der kommunistisch gesteuerten Groza-Regierung sämtliche deutschen Bauern im Lande ihres Bodenbesitzes beraubt und von ihren Höfen vertrieben: In der Liste der zu enteignenden Bevölkerungskategorien, die das Gesetz über die Bodenreform in Paragraph 3 enthielt, fungierten die deutschen Bauern an erster Stelle, noch vor den Kriegsverbrechern! Die Maßnahme hatte demnach eine ausgesprochen nationale Zielrichtung. Mitte der fünfziger Jahren durften die vertriebenen Bauern zwar in ihre Häuser zurückkehren, ihr Boden jedoch, der in den Besitz von Staatsfarmen überführt worden war, blieb unter den Kommunisten bis zu deren Sturz im Dezember 1989 enteignet.
Auch nach der sogenannten "Revolution" versuchten die altneuen Machthaber unter dem damaligen und inzwischen wiedergewählten Staatspräsidenten Iliescu diesen Status quo aufrecht zu erhalten. Als sie Anfang der neunziger Jahre ein erstes Bodenrückgabegesetz vorbereiteten, waren die im Land verbliebenen Deutschen im Gesetzentwurf von der Wiedergutmachung ausgenommen. Erst die Proteste des deutschen Forums und massive Interventionen seitens der Bundesrepublik verhinderten letztlich die Benachteiligung. Besonders aktiv war dabei der deutsche Botschafter in Bukarest, Klaus Terfloth, gewesen, wie der damalige DFDR-Vorsitzende Thomas Nägler in einem Interview mit der Siebenbürgischen Zeitung dankend anerkannte.
Unter Constantinescu wurde dann, um die Wiedergutmachung allgemein gerechter, als 1991 vorgesehen, ausfallen zu lassen, eine neues Bodenrückgabegesetz, das sogenannte "Lupu-Gesetz", verabschiedet, das die 1945 enteigneten deutschen Bauern ebenfalls mit einbezog. Dieses ist nun von der Nastase-Regierung über ihren jüngsten Dringlichkeitserlass zurückgenommen worden, der die an die Staatsgüter überführten Bodenflächen der Deutschen von der Rückgabe ausschließt und damit, wie es in der DFDR-Erklärung heißt, eine zweite, "neuerliche Nationalisierung" ihres Besitzes festschreibt.
Der Protest des Forums und seines Vorsitzenden Wittstock ist nicht unberechtigt, zumal die Verordnung auch einen "schwerwiegenden Verstoß gegen den 1992 unterzeichneten und seit 1993 in Kraft befindlichen Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien über freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa" darstellt. Dort nämlich werden die Vertragsparteien zu "Programmen und konkreten Maßnahmen" verpflichtet, zitieren Wittstock und das DFDR in ihrer Presseerklärung, "um unter den gewandelten Bedingungen in Rumänien den Bestand der deutschen Minderheit zu sichern und um sie bei der Neugestaltung ihres gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens zu unterstützen". Mit den Millionen deutscher Bleibehilfen, die seit Jahren, auch zum Nutzen des nichtdeutschen Umfelds, nach Rumänien fließen, ist die Bundesrepublik dieser ihrer Verpflichtung bisher in hohem Maße nachgekommen, Bukarest hingegen bewirkt mit seiner neuen Eilverordnung das Gegenteil: Statt den dort verbliebenen Deutschen wirtschaftliche Chancen zu eröffnen, macht es diese mit einem Federstrich für einen nicht unbeträchtlichen Teil der Minderheit völlig zunichte.
Das Forum und sein Vorsitzender stehen nicht allein mit ihrer Kritik. Auch der Hermannstädter Bürgermeister Klaus Johannis schätzt laut der rumänischen Zeitung Ziua de Ardeal den Erlass als "Fehlentscheidung" ein und kann nur hoffen, die Regierung unter Nastase habe "nicht beabsichtigt, die Sachsen zu benachteiligen". Jedenfalls werde es den rumänischen Vertretern bei den bevorstehenden Verhandlungen in der gemischten deutsch-rumänischen Regierungskommission, so das gleiche Blatt in einem Kommentar zur Dringlichkeitsverordnung, äußerst schwer fallen, der deutschen Seite die Maßnahme plausibel zu machen. Mit dem Erlass setze man die für Rumänien so wichtige politische Unterstützung aufs Spiel, die dem südosteuropäischen Reformland bisher auf dem Weg zu dessen europäischer Integration gerade seitens der Bundesrepublik zunutze gekommen sei.
Gegenüber der Siebenbürgischen Zeitung kündigte DFDR-Vorsitzender Wittstock in einem Telefonat kurz vor Drucklegung dieser Ausgabe ein Schreiben u.a. auch an den landsmannschaftlichen Bundesvorsitzenden Volker E. Dürr an, in dem dieser gebeten wird, seine guten Kontakte zur deutschen Politik auch dahingehend einzusetzen, Berlin zur diplomatischen Einflussnahme auf Bukarest zu bewegen, um möglicherweise auf diesem Weg eine Abänderung des Regierungserlasses zu erwirken. Zweifellos wird Dürr dieser Bitte nachkommen.

Hannes Schuster


(Siebenbürgische Zeitung, Folge 12 vom 31. Juli 2001, Seite 1)

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