10. Oktober 2025

Traditionspflege mit einem Chat-Bot Theateraufführungen in Stuttgart: die Siebenbürger Sachsen und die KI

„Guten Abend – Bună seara – und willkommen zu ,Futur4‘!”, so eröffnete Ursula Gärtner den Theaterabend von Rimini Protokoll, der Anfang Mai bei den Maifestspielen in Wiesbaden seine Premiere feierte und im Oktober im Theater Rampe in Stuttgart zu Gast sein wird. Ursula Gärtner ist keine Schauspielerin, sie wurde als Expertin eingeladen, um ihre persönliche Geschichte von der Ausreise aus Siebenbürgen nach Westdeutschland zu erzählen.
Seit 2000 arbeitet das Autoren- und Regie-Kollektiv (hier: Helgard Haug und Daniel Wetzel) eher wie Dokumentarfilmende als wie klassische Theaterregisseure. Sie haben sich damit als „Protagonisten und Begründer eines neuen Reality Trends auf den Bühnen“ (Theater der Zeit) auch in der internationalen Theaterszene einen Namen gemacht. Jedes neue Projekt geht mit einer offenen Frage in die Entwicklung; das Theater zum Forschen zu nutzen und nicht zum Repräsentieren, treibt sie an.

Einer der nächsten Sätze der Protagonistin Ursula lautet: „Ich bin hier, weil mein Sohn Vater wird. Geworden sein wird?“ – denn ursprünglich wollten Haug/Wetzel mit einer Person arbeiten, die die Geschichte nicht selbst erlebt hat, sondern aus einer gewissen zeitlichen und auch emotionalen Distanz darauf schaut. Im Zuge ihrer Recherchen war ihnen Ursulas Sohn begegnet. Da er sich beruflich mit Künstlicher Intelligenz beschäftigt, kam die Idee auf, das Thema der Siebenbürger Sachsen in ein Spannungsverhältnis mit der KI zu setzen.

Als Ursulas Sohn schließlich realisierte, dass er als werdender Vater nicht genug Zeit für die Proben haben wird, gelang es, seine Mutter und als weitere Protagonistin die KI-Expertin Xenia Klinge zu gewinnen.

„Als ich eingewilligt habe, für meinen Sohn hier einzuspringen, dachte ich, vielleicht gelingt es mir, mein Leben noch mal umzusortieren und neu zu gewichten. Das, was ich erlebt, erfahren und erlernt habe, so zu ordnen, dass es auch anderen nutzen kann.“, sagt Ursula und Xenia ergänzt: „Mich interessiert, wie KI dabei eine Rolle spielen kann und ob wir über den Einsatz von KI klären können, was es bedeutet, Mensch zu sein“.

Auf der Bühne loten sie gemeinsam aus, wie ein Chatbot beschaffen sein müsste und nach welchen Regeln programmiert, damit die gerade geborene Enkeltochter Ursulas später einmal – wenn Ursula das nicht mehr selbst kann – Zugänge zu ihrer und der Geschichte der Siebenbürger Sachsen behält.

Der Gießener Anzeiger schreibt über den Abend: „Je mehr das Publikum in Ursula Gärtners Biografie eintaucht, umso mehr nähert sich ihr auch die Maschine an. Der Chatbot wird selbst zu einer zweiten Ursula (namens Ursula_bot), der ihre damalige Lebenssituation nicht nur in Textform, sondern auch in der Sprache der 68-Jährigen wiedergibt. So kann sie quasi mit sich selbst sprechen – und auch das Publikum bekommt dazu mit Fragen Gelegenheit. Es ist ein sehr unterhaltsames Spiel.“

„Rimini Protokoll: Futur 4“ ist eine Produktion von Rimini Apparat in Koproduktion mit dem Goethe-Institut Bukarest, Hessischen Staatstheater Wiesbaden, Sibiu International Theatre Festival / Nationaltheater „Radu Stanca“ in Hermannstadt, Theater RAMPE in Stuttgart und Theater im Pumpenhaus.

Vorstellungen am 9., 10. und 11. Oktober, jeweils 20.00 Uhr, RAMPE, Filderstraße 47, in Stuttgart. Weitere Infos unter Telefon: 0711-620090915, E-Mail: karten[ät]theaterrampe.de, Webseite: https://theaterrampe.de/event/futur4/

Schlagwörter: Theater, Stuttgart, KI

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