11. Oktober 2025

Leserecho: Bittsteller vs. moralischer ­Anspruch

Als langjähriges Mitglied im Verband der Siebenbürger Sachsen und mehrerer siebenbürgisch-sächsischer Heimatortsgemeinschaften in Deutschland, darin über Jahrzehnte eingebunden auch in verantwortungsvollen Funktionen, verfolge ich mit großer Anteilnahme die Arbeit dieser Gemeinschaften. Desgleichen gilt mein Interesse auch der Arbeit ähnlicher Gemeinschaftsstrukturen unserer Landsleute in Siebenbürgen (Evangelische Kirche, Deutsches Forum u.a). Einen besonderen Schwerpunkt setze ich dabei auf Aspekte der Zusammenarbeit jener aus Deutschland und der aus der Heimat.
Erfreulicherweise haben alle in ihre Satzungen sowie Zweck- und Zielsetzungen auch eine gegenseitige Unterstützung und Zusammenarbeit bei der Wahrung unserer siebenbürgisch-sächsischen Identität, hüben wie drüben, festgeschrieben. Dieses wird auch regelmäßig bei bedeutenden Veranstaltungen mit heimatlichem Charakter von den Festrednern/innen betont. Als treuer Leser der Siebenbürgischen Zeitung, etlicher Heimatortszeitungen sowie über Besuche und Beziehungspflege zu Landsleuten in Siebenbürgen informiere ich mich besonders über die Art und Weise der Umsetzung genannter Zweck- und Zielsetzungen bezüglich des Umgangs mit unseren wichtigsten Baudenkmälern und sonstigen Bauten mit Symbolcharakter in unserer Heimat. Sie sind Zeugen, Bewahrer und Vermittler unserer siebenbürgisch-sächsischen Geschichte, Lebenskultur und damit auch Identität. Sie sollen an die uns nachfolgenden Generationen, Touristen und daran interessierten neuen Bürger und Bewohner ehemaliger deutscher Heimatorte unsere Geschichte und vormalige Präsenz im Ort und Land bezeugen. Ich weiß auch um die Schwierigkeiten dieses Unterfangens und die Unmöglichkeit, alle diese Geschichtszeugnisse im Besitz und gutem Zustand zu bewahren. Auch ist mir verständlich, dass nicht alle alten sächsischen Bauten in Siebenbürgen die Kriterien eines aus kunsthistorischer Sicht zu erhaltenden Denkmals erfüllen.

Diesen Tatsachen entsprechend und aus wirtschaftlichen Gründen werden solche Gebäude dann von den derzeitigen Eigentümern (meistens die Kirche) veräußert. Das führt nicht selten zu Spannungen mit ausgewanderten Landsleuten oder Gemeinschaften, die als aus der Heimat Ausgewanderte zwar keinen rechtlich gesicherten Anspruch auf das Ahnenerbe mehr haben, aber zumindest einen moralischen Anspruch in Gestalt ihres Einbezugs in Beratungen und Entscheidungen über das Schicksal der Bauten aus den Heimatorten zugestanden bekommen. Unabhängig davon, ob diese nun kulturhistorisch der Allgemeinheit bedeutsam sind, den Ausgewanderten sind sie scheinbar doch wichtige Symbole ihrer persönlichen Lebensgeschichte vor Ort geblieben. Dass dem so ist, bezeugt ihre, auch nach jahrzehntelanger Trennung von der Heimat, lebendig gebliebene Verbundenheit mit ihr. Manche der Gemeinschaften (zum Beispiel Heimatortsgemeinschaften) tragen, laut ihren Aussagen, ihre diesbezüglichen Anliegen dem Eigentümer von Gebäuden mit Symbolcharakter zwar vor, ihre Meinungen dazu werden aber oft nicht berücksichtigt oder in vielen Fällen erst gar nicht angehört. Sie stehen dann sozusagen als bloße unbedeutende Bittsteller da. Warum aber sollten ausgewanderte Landsleute und insbesondere Heimatortsgemeinschaften nicht zumindest einen moralischen Anspruch auf ein Anhörungsrecht haben, wenn es um das Schicksal des Erbes auch ihrer Ahnen geht. Sich um diesen Anspruch zu bemühen, empfehle ich besonders dem Verband der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften in Deutschland im Interesse seiner untergliederten Gemeinschaften.

Der moralische Anspruch liegt meines Erachtens in dem Hauptgrund der Auswanderung begründet, nämlich nicht im „Heimatverrat durch Auswanderung“, sondern in dem nicht selbst verschuldeten Ausgang des Zweiten Weltkriegs und seinen Auswirkungen für die Siebenbürger Sachsen. Manche Historiker umschreiben diese Tatsache mit Schicksal, doch die Kirche könnte es auch als „Lenken Gottes“, im Sinne des biblischen alttestamentlichen Wortes aus Sprüche 16, 9 (Gott allein lenkt ihre Schritte) verstehen. Die Anerkennung des erwähnten „moralischen Anspruchs“ könnte gerade von der Kirche als ein seelsorgerliches Angebot an Menschen, die ihre Heimat zwar aufgelassen haben, aber in ihren Herzen weiter erleben wollen, Anerkennung finden. Es würde der Kirche nicht nur der Erklärung ihres Erlasses vom 11. März 2022 mehr Glaubwürdigkeit verleihen, sondern auch die Beziehungen zu siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaften außerhalb Siebenbürgens stärken, mehr Dauerhaftigkeit verleihen und auch der Erfüllung ihrer diesbezüglichen selbstdefinierten Zweck- und Zielsetzungen dienlicher sein. Diese könnten dann nicht bloß als leere Floskeln verstanden werden. Es wäre wünschens- sowie erstrebenswert und von vielen Landsleuten ein wertgeschätztes Zeichen eines guten Miteinander siebenbürgisch-sächsischer Gemeinschaften auch über Grenzen hinweg.

Pfr. i. R. Erwin Köber, Lautertal

Schlagwörter: Verbandspolitik, Satzung, deutsch-rumänische Beziehungen

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  • 11.10.2025, 14:10 Uhr von Holger Stefan: Sehr geehrter Herr Pfr. Köber Mit diesem , Ihrem Artikel in der Siebenbürgischen Zeitung, haben ... [weiter]

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