18. September 2004

Kommunistischer Terror in Sighet dokumentiert

"Wir wissen, dass ihr wisst, aber wir möchten wissen, dass ihr wisst, dass wir auch wissen", lautete ein Sprichwort aus der Zeit des Sozialismus, das geprägt wurde für Menschen, die vom System und den Geheimdienstmitarbeitern in Rumänien betrogen wurden.
"Was wissen rumänische Schüler über Kommunismus, Diktatur und Freiheit? " - so hätte die Überschrift zu der VII. Sommerschule, organisiert von der Bürgerakademie in Bukarest mit Unterstützung der Konrad-Adenauer-Stiftung, lauten können. Die Veranstaltung, an der 100 ausgewählte Schüler aus Rumänien, der Republik Molau und der Ukraine teilnahmen, fand vom 5. bis 12. Juli in der Gedenkstätte für die Opfer des Kommunismus und des kommunistischen Widerstands in Sighet statt.

Skulpturengruppe von Aurel Vlad im Innenhof des Memorial Sighet.Skulpturengruppe von Aurel Vlad im Innenhof des Memorial Sighet.

Das Thema des Wettbewerbs für zwischen 14 und 18 Jahre alte Schüler beinhaltete die Rezension eines veröffentlichten Lebensberichtes eines kommunistischen Widerständlers. Die Auswahl des Buches traf der Schüler selbst.

Auf der Einladungsliste der Referenten standen der polnische Historiker Seweryn Blumsztajn (Krakau), Maria Bratianu (Paris), der Schriftsteller Vitalie Ciobanu (Chisinau), die Historiker Dennis Deletant und Marc Percival (London) sowie Marius Oprea (Bukarest). Zu den Teilnehmern aus der Bundesrepublik gehörte auch der Leiter des Deutschen Kulturinstituts in Klausenburg, Ulrich Burger, der einen Vergleich der Ereignisse des 17. Juni 1953 in der DDR und der damaligen sowjetischen Besetzung der Lipscani-Straße in Bukarest herstellte. Die Soziologin Stela Rusu (Köln) debattierte mit den Schülern in einem Workshop über "Freiheit". Dabei ergaben sich interessante Diskussionen unter den Jugendlichen. Ergänzend zu einem Vortrag des in Paris lebenden Schriftstellers Alexandru Niculescu ("Gute und schlechte Sprache") sprach Katharina Kilzer über die Jugendsprache in Deutschland und die dazu erschienenen Publikationen. Die Jugendlichen sollten typische Ausdrücke rumänischer Jugendlicher aufschreiben. Es zeigte sich, dass die Einflüsse in der rumänischen Jugendsprache nicht – wie bei deutschen Jugendlichen – aus dem Englischen stammen, sondern aus der Zigeunersprache. Helmut Müller-Enbergs, Vertreter der Bundesbehörde für die Stasi-Unterlagen, Berlin, sprach über die "Garanten des sozialistischen diktatorischen Systems in der DDR". Der Referent führte Beispiele von Agentengeschichten an, in denen Geheimdiensttätigkeit zur Erhaltung des Systems beitrug.

Am letzten Tag waren der deutsche Botschafter in Bukarest, Wilfried Gruber, und der Verleger des Humanitas-Verlages, Gabriel Liiceanu, zu Gast. Gruber überraschte die Jugendlichen mit einer Begrüßung in einwandfreiem Rumänisch und sprach über den Beitrag des Westens zum Sturz des Kommunismus. Er schilderte seine persönlichen Erlebnisse während der Umsturzzeit im Jahre 1989, als er Botschafter in Belgrad war. Gabriel Liiceanu faszinierte mit Erzählungen aus seiner Studentenzeit im Bukarest der fünfziger und sechziger Jahre, seine Bekanntschaft mit den bedeutenden rumänischen Philosophen Constantin Noica und Alexandru Dragomir (ein Schüler Heideggers). Über "innere Emigration" während der Ceausescu-Zeit sprach die Schriftstellerin Ana Blandiana, die zur Zeit ihres dritten Veröffentlichungsverbots 1988 ihren Roman "Die Applausmaschine" schrieb. Romulus Rusan erzählte über seine 1982 veröffentlichte Geschichte "Der Pilz" ("Ciuperca"), die zu einem Einschüchterungsmanöver von Seiten der Securitate führte.

Die Organisatoren und Moderatoren der Gesprächsrunden, Ana Blandiana und Romulus Rusan, waren mit dem Engagement und Eifer der teilnehmenden Jugendlichen in diesem Jahr sehr zufrieden und kündigten die Veröffentlichung der Beiträge in der Sammlung "Analele Sighet" an. Die Tagung endete mit einem Lagerfeuer am letzten Abend, zu dem auch der deutsche Botschafter mit seiner Frau eingeladen war, sowie einem Ausflug in die umliegenden Dörfer der Maramuresch mit ihren Stabkirchen.

Katharina Kilzer

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 14 vom 15. September 2004, Seite 8)

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