29. Oktober 2004

Albanisch-sächsische Beziehungen

"Sachsen" haben nicht nur Siebenbürgen, sondern auch den Balkan geprägt. In einer Studie hat der albanische Autor Skender Gashi "Albanisch-sächsische Berührungen in Kosova und einige ihrer onomastischen und lexikalischen Relikte" untersucht.
Geboren am 10. September 1944 in Busi, Kosovo, studierte der Autor Albanologie, Sprachwissenschaften und Altbalkanistik in Pristina, Zagreb und Salzburg. Seit 1982 ist er Lektor der albanischen Sprache am Institut für Indogermanistik an der Universität Wien und gibt seit 1991 die deutschsprachige Zeitschrift für Geschichte, Literatur, Kultur und Politik Dardania heraus.

Zwei Bezüge zu Siebenbürgen stellt Dr. Skender Gashi in seiner Arbeit in der Zeitschrift Dardania her. Der Name "Sachsen" wird – wie in Siebenbürgen - ebenfalls stellvertretend für die deutschen Einwanderer insgesamt verwendet, die im 12. oder – was wahrscheinlicher ist - erst im 13. Jahrhundert in Kosova zuzogen. Die Meinungen der Historiker und Sprachwissenschaftler gehen auseinander bezüglich der Heimat der Ankömmlinge, die entweder deutsche Bergleute aus Ungarn, der Zips oder Unterfranken waren. Anderen Forschern zufolge – und dies wäre der zweite Bezug – könnten die Zuwanderer sogar Siebenbürger Sachsen gewesen sein. Lexikalische Relikte zeigen zudem, dass neben "sächsischen" Bergleuten auch deutsche Stämme aus dem Rheingebiet auf das Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens einwanderten.

Während Feldforschungen in Kosova und Nordalbanien stieß Gashi Ende der achtziger Jahre auf Flur- und Sippennamen und Sprachelemente der Albaner, die weder albanischer noch slawischer, sondern eher deutscher bzw. "sächsischer" Herkunft waren. Das gab den Anstoß, die Bergbautätigkeit der Sachsen und ihre sprachlichen und onomastischen Spuren näher zu erforschen. Die "Sachsen" haben vom 13. bis 15. Jahrhundert den Bergbau in Kosova maßgeblich wiederbelebt, stellt der in Wien lebende Autor fest. Urkunden aus Ragusa in Kroatien (Dubrovnik), umfangreiche osmanisch-türkischen Bevölkerungs- und Besitzverzeichnisse des 15. Jahrhunderts sowie zeitgenössische Flur- und Sippennamen belegen, dass „Sachsen“ ab den 30er Jahren des 14. Jahrhunderts in Kosova in Erscheinung getreten sind. In rund 50 Dörfern habe es "Sachsen" gegeben.

Für die Existenz "sächsischer" Bewohner dieses Landstriches findet Gashi einleuchtende Belege wie die Flurnamen saški put "der Sachsen-Weg", oder auch sasinov studenci "Brunnen des Sachsen". Auch viele Familiennamen auf dem Gebiet des heutigen Kosovo wie Sasinouich oder Sasarouich belegen die Anwesenheit von "Sachsen". Der Name der Siedlung Brgari lässt sich auf das deutsche Wort Bürger bzw. die ältere Form Burgar zurückführen.

Die Einwohnerverzeichnisse des kosovarischen Dorfes Hade bis zum Jahre 1497 attestieren einen Einwohnerrückgang, der mit dem Rückgang des Bergbaus im Kosovo einherging. Nach der osmanischen Besetzung des Gebietes hätten die lavoratori christiani (die christlichen Arbeiter) ihre Tätigkeit gänzlich eingestellt. 1685 wurden sie zum letzten Mal urkundlich erwähnt.

Auch der Name des Bergwerkes und der Siedlung Shashar (serbisch Sasar) wurde vom Ethnonym der Sachsen abgeleitet. Verlassene Bergwerke bei Prizren und Berichte über Eisen-, Silber- und Goldbergwerke im Gebiet von Lesh (Albanien) zeigen, dass die „Sachsen“ nicht nur im mittelalterlichen serbischen Staat alte und römische Bergwerke erneuert haben, sondern auch in Nordalbanien bzw. im Gebiet des Dukagjin im Kosovo. In den meisten Gebieten des Kosovo gab es nach Ansicht des Autors weit mehr "Sachsen", als aus den Quellen ersichtlich ist.

Gashi untermauert die Existenz eines sächsisch-ethnischen Elements im Kosovo mit überzeugenden Belegen. Der Aufbau seiner Studie ist logisch und die Forschungsergebnisse sind im letzten Kapitel gut zusammengefasst. Der Autor vertieft zurzeit das Thema und will in einer künftigen Arbeit nachweisen, dass auch die Wurzeln der aktuellen Wiederbelebung des Protestantismus bei den albanischen Kosovaren auf das mindestens drei Jahrhunderte lange albanisch-sächsische Zusammenleben in den mittelalterlichen Bergbauzentren Kosovas zurückzuführen sind.

Alexander Di Leonardo

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 17 vom 31. Oktober 2004, Seite 6)

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