2. Januar 2005

"Zerbrechliche Heiligenwelten": Neuerscheinung über rumänische Ikonen

Auch sie sind vergänglich, die Künder, Vermittler einer Bilderwelt, die das Jenseits reflektiert, es bevölkert mit Antlitzen und Geschichten, die es seit Jahrtausenden be-greifbar machen, die Heiligenbilder der orthodoxen Christen, ihre Ikonen. In Rumänien haben sie die Durststrecke kirchlichen Lebens, den Sozialismus, heil überstanden, ein neues Bewusstsein lässt sie neue Kirchenräume schmücken, als Souvenir füllen sie überbordende Souvenirläden.

Im modernen Kunstmuseum der baden-württembergischen Stadt Kornwestheim hat dessen Leiterin Dr. Irmgard Sedler, ehemals Mitarbeiterin des Hermannstädter Volkskundemuseums, unter Mitarbeit von Marius Joachim Tataru, leitender wissenschaftlicher Angestellter am Siebenbürgischen Museum Gundelsheim, und mit Vertretern des ASTRA-Museums Hermannstadt, im Frühsommer diesen Jahres in einer gelungenen Ausstellung - sie wanderte anschließend nach Albstadt und München - der leuchtend bunten und gleichzeitig anrührend schlichten Welt der rumänischen Hinterglasikone des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts eine sehr gelungene Präsentation ermöglicht, gestaltet. Als wiederum sehr gelungenes Zeugnis dieser grenzüberschreitenden Leistung liegt nun der Katalog zur Ausstellung auf, ein Band von 200 Seiten, der dem Thema sowohl vom wissenschaftlichen als auch dem Laien dienlichen Anspruch in hohem Maße entspricht, hervorragend ist in seiner ästhetischen Gestaltung und der Reproduktion der Bildschönheit und Bilderfülle.

Einleitend wird von Ruth Fabritius die "Theologie der Ikone" wissenschaftlich fundiert für jedermann spannend und gut lesbar aufbereitet, ein Lehrstück über Wurzeln, Geschichte und Entschlüsselung der Motivik und Symbolik dieser zerbrechlichen Heiligenwelt.

Im folgenden Beitrag beschäftigt Marius Joachim Tataru das Menschenbild derer, die diese Bilderwelt schufen, einfache Bauern oft, nicht selten Analphabeten, und er stellt sich wie schützend vor sie, die dem Anspruch der hohen Kunst nicht genügen können, die die Volkskunst aber bedeutend bereichert haben. Gerne lässt sich der Laie auch über den Definitionsbereich „Kunst-, Kitsch- und Kultobjekt“ vom Kunsthistoriker belehren.

In ihren Ausführungen greift Irmgard Sedler, aus dem soziologischen Impetus der Volkskundlerin am Puls der Zeit, einen sehr aktuellen Aspekt heraus, den der Ikone als Sammelobjekt, speziell als „Fenster der Erinnerung“, identitätstiftendes Objekt im kulturellen Gepäck der Migranten. Anrührende Interviews belegen die Aktualität und Lebensnähe der Thematik, was übrigens auch zahlreiche Fotoabbildungen leisten, die das Wachsen des Ausstellungsprojektes und heute schöpferisch Tätige in Rumänien darstellen. Im großen Bildteil des Katalogs mit 132 Reproduktionen von Ikonenabbildungen und weiteren 13 Kultobjekten werden die Darstellungen, thematisch geordnet, den großen Malzentren Siebenbürgens zugeordnet. Es sind wertvolle, ansprechende Bilder, Lehrstücke in Sachen Volkskunst, für den Betrachter und Leser dieses Katalogs, der den Lebensraum Siebenbürgen kennt, auch Bilder und Informationen, die er nicht missen möchte.

Karin Servatius-Speck

"Zerbrechliche Heiligenwelten. Rumänische Hinterglasikonen" Irmgard Sedler und Marius J. Tataru (Herausgeber): Begleitbuch zur Ausstellung, Museen der Stadt Kornwestheim und Siebenbürgisches Museum Gundelsheim, 25 Euro, 205 Seiten, ca. 140 Farbfotos, ISBN 3-924123-52-7. Zu beziehen unter Telefon: (0 71 54) 20 24 98, Fax: (0 71 54) 20 24 97, E-Mail: museen@kornwestheim.de, oder über das Siebenbürgische Museum Gundelsheim, Telefon: (0 62 69) 42 23 11, Fax: (0 62 69) 42 23 23, E-Mail: info@siebenbuergisches-museum.de.

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 20 vom 15. Dezember 2004, Seite 9)

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