9. Februar 2005

Nordsiebenbürgische Ausstellung in Geretsried

Seit mehreren Jahren organisiert die Kreisgruppe Bad Tölz-Wolfratshausen in der Geretsrieder Stadtbücherei jeweils am Jahresbeginn eine Ausstellung mit Themen zur Darstellung und zum Kennenlernen der Geschichte und Heimat Siebenbürgens. Am 31. Januar wurde unter großer Beteiligung die Ausstellung „Evakuierung und Flucht aus (Nord)Siebenbürgen 1944“ eröffnet.
Der Gemischte Chor der Kreisgruppe hatte unter der Leitung von Hans Stirner ein Lied von Walter Scholtes (1913-1999), einem aus Nordsiebenbürgen stammenden und 1944 geflüchteten Musikpädagogen, einstudiert. Dieses Lied: „Wir woll’n Gott lob’n und preisen“ trug der Chor zur Einstimmung vor, dazu eine bearbeitete Mozartmelodie, „Leise erklingen Glocken der Liebe“, und er warb zuletzt mit dem bekannten Kanon „Dona nobis pacem“ für eine friedliche Welt. Die Kreisgruppenvorsitzende Herta Daniel begrüßte die vielen Landsleute und Gäste, darunter die Stadträtinnen Kunigunde Fischer und Gerda Bretz, den Rumänischen Generalkonsul Mihai Botorog samt Gattin aus München und den Bezirksvorsitzenden der Union der Vertriebenen in Oberbayern, Andreas Orendi.

Den Eröffnungsvortrag mit Buchpräsentation hielt der aus Nürnberg angereiste Studiendirektor Horst Göbbel. Mit viel Interesse verfolgten die Zuhörer den Vortrag, der trotz Improvisation (wegen ausgefallener Bildprojektions- und Computertechnik) bei den Leuten sehr gut ankam. Göbbel zeigte anhand des Schicksals seiner eigenen Familie den Leidensweg der Trecks und Lazarettzüge aus Nordsiebenbürgen auf. Die Betroffenen sahen sich eher auf der Flucht vor der anrückenden Roten Armee als für begrenzte Zeit evakuiert, wie der Referent darstellte. Anhand von Auszügen aus dem Tagebuch seiner Mutter wurden die damaligen Fluchttage eindrucksvoll geschildert. Die kleine Zwillingsschwester Erika starb unterwegs mit neun Monaten. Der Vater wurde zur Zwangsarbeit nach Russland deportiert. Nach Kriegsende kehrte die Familie nach Jaad bei Bistritz zurück, weil sie in Österreich in die russische Besatzungszone geraten war.

Der Geschichtslehrer Göbbel apellierte an die Zuhörer, die Kraft des Neuanfanges, wie er auch in Geretsried stattgefunden hatte, an die Jüngeren zu vermitteln und die Leistungen der Eltern beispielhaft weiterzugeben. Die Fotoausstellung in der Stadtbücherei mit 35 Schautafeln zeigt Bilder der Flucht und des Neuanfanges der Nordsiebenbürger Sachsen in Deutschland. Das reich bebilderte Buch in deutscher und rumänischer Sprache: „Wendepunkt in Nordsiebenbürgen / Punct crucial în Ardealul de Nord“, das Horst Göbbel und der in Klausenburg lebende Historiker Alexandru Pintelei erarbeitet haben, beschreibt in Wort und Bild die gesamten 52 Gemeinden, die von der Flucht betroffen waren. Dieses Buch hat Göbbel Ende Oktober 2004 persönlich in 55 Ortschaften in Siebenbürgen als Geschenk überreicht und damit eine Brücke zwischen ehemaligen und heutigen Bewohnern jener Landgemeinden gebaut. In einem kurzen Grußwort sprach sich der Rumänische Generalkonsul Mihai Botorog lobend über dieses einende Buch aus und erinnerte daran, dass auch die rumänische Bevölkerung nach Kriegsende schwere Zeiten durchmachen musste. Er informierte die Anwesenden über den auf den 25./26. April 2005 festgesetzten Termin der Vertragsunterzeichnung zum EU-Beitritt Rumäniens, womit die Rückkehr seines Landes in die Europäische Staatengemeinschaft erfolgt.

Die Ausstellung kann im Laufe des Monats Februar 2005 zu den üblichen Öffnungszeiten der Stadtbücherei Geretsried besichtigt werden.

Walter Klemm

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