21. April 2005

Hervorragender Einsatz für die deutsche Minderheit in Rumänien

Er hat sich nicht nur als äußerst fachkundiger Sachverwalter der bundesdeutschen Hilfen für Rumänien verdient gemacht, sondern ist im Laufe der Jahre auch ein Freund und Förderer der Siebenbürger Sachsen geworden: Dr. Frank Reuter wurde 1940 in Berlin geboren, wuchs im Rheinland auf und studierte von 1962 bis 1968 Geschichte, Politische Wissenschaften und Anglistik in Bonn und Freiburg. Der promovierte Historiker erforschte zunächst die DDR aus theoretisch-wissenschaftlicher Sicht, bevor er 1973 in das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen eintrat und in der Ständigen Vertretung in Ost-Berlin die Wende in der DDR und die Vereinigung der beiden deutschen Staaten erlebte.
Seit 1992 betreut Dr. Frank Reuter als Referatsleiter im Bundesministerium des Inneren (BMI) die Hilfen für die deutschen Minderheiten in Rumänien, in der Ukraine und in der Republik Moldau. Kurz vor seiner Pensionierung zog Dr. Reuter im folgenden Interview mit Siegbert Bruss eine Bilanz der BMI-Hilfen seit der Wende in Osteuropa.

Von 1990 bis 2004 hat das Bundesministerium des Inneren Hilfenprojekte in Höhe von 88,33 Millionen Euro für die Stabilisierung der deutschen Minderheit in Rumänien eingesetzt. Herr Ministerialrat Dr. Reuter, welches sind die Schwerpunkte dieser Unterstützungsmaßnahmen?


Ministerialrat Dr. Frank Reuter
Ministerialrat Dr. Frank Reuter
Alle Bundesregierungen haben sich zu dieser besonderen politischen Verantwortung für die deutschen Minderheiten in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion und den Ländern in Ost- und Südosteuropa bekannt. Mit den Hilfen üben wir Solidarität, um denen das Leben verbessern zu helfen und erlittene Nachteile auszugleichen, die beschlossen haben, in ihrer Heimat zu bleiben, aber ebenso auch denen, die zu uns kommen wollen, wenn sie die gesetzlichen Voraussetzungen dafür erfüllen. 15 Jahre dauern diese Hilfen schon an, und in diesen Jahren haben die Schwerpunkte gewechselt. Ganz am Anfang standen vor allem soziale Hilfen im Vordergrund, um die größte Not des alltäglichen Lebens lindern zu helfen. In Rumänien haben wir mit dem Aufbau der fünf Alten- und Pflegeheime Dr. Carl Wolff in Hermannstadt, Blumenau in Kronstadt sowie im Banat in Temeswar, Bakowa und Sankt Anna in der ersten Hälfte der neunziger Jahre einen besonderen Schwerpunkt gesetzt. Es folgten größere investive Projekte im landwirtschaftlichen Bereich und ab 1998 eine Neuorientierung auf vor allem gemeinschaftsfördernde Hilfen wie zum Beispiel die Unterstützung der Jugendarbeit, der Forumssitze und Begegnungsstätten, um möglichst viele Menschen unmittelbar und zielgenau erreichen zu können. Es erwies sich als sinnvoll, grundsätzlich keine neuen investiven Großprojekte mehr zu fördern, da sie schwer kontrollierbar waren.

Ende April 2005 gehen Sie nun in Pension. Wie sieht ihre persönliche Bilanz als Referatsleiter für die Hilfen an die deutsche Minderheit in Rumänien aus?

In der persönlichen Bilanz überwiegt vor allem Freude, die mir diese Aufgabe bereitet hat. Mir hat meine Arbeit salopp gesagt einfach Spaß gemacht. Und neugierig war ich am Anfang. Ich musste zunächst eine für mich fremde Welt, die Menschen und das Land, kennen lernen. Die Freude und die Neugier sind geblieben bis zu meinem wohl letzten offiziellen Besuch in Hermannstadt zur Jahresplanungskonferenz Anfang März 2005. Menschen konkrete Hilfe zu leisten, damit sie ihr Leben besser gestalten können, ist eine sinnvolle Aufgabe. Wenn ich für diese Menschen etwas erreichen konnte, wäre ich froh. Sicherlich haben manche Projekte nicht den Erfolg gebracht, den ich erwartet hatte. Die große Mehrzahl der Projekte ist trotz der schwierigen Rahmenbedingungen sehr erfolgreich abgeschlossen worden, beispielsweise die Honterus-Druckerei in Hermannstadt, die Schwaben-Molkerei in Großkarol/Sathmar oder die beiden großen Alten- und Pflegeheime in Hermannstadt und Temeswar. Im übrigen sind das gemeinsame Erfolge, denn der erfolgreiche Abschluss eines Projektes lag eigentlich nicht in meiner Hand. Entscheidend war letztlich, dass diejenigen, denen geholfen werden sollte, die ihnen gebotene Chance ergriffen und engagiert und kompetent die Hilfen umgesetzt haben, seien es die Leitungen der fünf Altenheime, die fünf Wirtschaftsstiftungen der deutschen Minderheit oder die einzelnen geförderten Unternehmer. In Temeswar gibt es eine vom BMI geförderte Bäckerei, die als Familienunternehmen mit drei Arbeitskräften angefangen und jetzt mehr als 50 Angestellte hat. Eine tolle Leistung. Für Siebenbürgen nannte ich schon die Honterus-Druckerei, die ihre Kapazität aus eigener Kraft verdoppelt und ihre Belegschaft, d. h. die Zahl der Arbeitsplätze, verdreifacht hat.

Man merkt, dass Ihnen diese Menschen ans Herz gewachsen sind. Wie ist es dazu gekommen?

Das war nicht schwer. Es sind bewundernswürdige Menschen, die trotz ihres schweren Schicksals nicht resigniert haben und sofort nach der politischen Wende in Rumänien ihr Leben und ihr Schicksal beherzt in die eigenen Hände genommen haben. Viele, vielleicht zu viele, sind als Spätaussiedler nach Deutschland gekommen. Ich erinnere aber nur daran, dass das Demokratische Forum, die Organisation der deutschen Minderheit, schon im Dezember 1989, also sogar noch während der politischen Ereignisse, die zum Sturz der Diktatur Ceausescus geführt haben, in Hermannstadt gegründet worden ist. Und wo steht das Forum heute? Das ist wirklich eine Erfolgsgeschichte. Es hat sich zu einer landesweit politisch geachteten und beachteten Stimme in Rumänien und ebenso in Deutschland entwickelt. Und außerdem - wenn ich in Siebenbürgen war, bin ich immer offen und herzlich in die Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen aufgenommen worden. Ich erinnere mich gerne an fröhliche, festliche Ereignisse in ihrem Kreis, beispielsweise an einen warmen Sommernachmittag an einer langen Tafel unter einem Nussbaum im Garten der Kirchenburg von Großau. Das war schön.

Trotz dramatischer Haushaltslage fördert die Bundesregierung die deutsche Minderheit in Rumänien auch in diesem Jahr mit 1,8 Millionen Euro. Wie konnten Sie bewirken, dass dieser Bereich nicht zu stark gekürzt wird?

Es ist richtig, die Kürzungen, die in allen Politikbereichen vorgenommen werden mussten, so auch bei der Hilfenpolitik für die in ihren Herkunftsgebieten lebenden deutschen Minderheiten um 23 % gegenüber dem Vorjahr, sind für Rumänien nicht so drastisch ausgefallen, nämlich nur um etwa 9 % . Ich will mich nicht mit fremden Federn schmücken. Bundesinnenminister Otto Schily hatte bei seinem letzten Besuch in Hermannstadt im November 2004 im Gespräch mit dem Landesvorsitzenden des Forums und Oberbürgermeister von Hermannstadt, Klaus Johannis, eine "bevorzugte Behandlung" der deutschen Minderheit in Rumänien zugesagt und von einer - allerdings unvermeidlichen - Kürzung von etwa nur 10 % gesprochen. Mein Anteil an der vergleichsweise nur moderaten Kürzung beträgt also - wenn Sie so wollen - nur 1 %.

Als BMI-Referatsleiter waren Sie mehrmals Gast des Heimattages der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl. Welche Ereignisse und Erlebnisse haben Sie am meisten bewegt?

Es ist schon eindrucksvoll, wenn man Pfingstsonntag durch Dinkelsbühl geht und sieht, dass die ganze Stadt anscheinend nur von Siebenbürger Sachsen bewohnt wird. Die traditionellen Trachten bestimmen das Stadtbild. Die kunstvollen Trachten sind, wenn ich das richtig verstanden habe, ein ganz wichtiger Teil der Identität der Siebenbürger Sachsen. Ich finde aber auch die Art und Weise, wie sie den Heimattag begehen, eindrucksvoll. Er gibt Gelegenheit, politische Anliegen der Siebenbürger Sachsen öffentlich zu äußern. Das tun sie stets bedacht. Immer auch wird dieser Tag morgens eingeleitet und geprägt durch einen gemeinsamen feierlichen Pfingstgottesdienst. Das gibt dem Tag die Würde.

Welche Rolle kommt den Siebenbürger Sachsen Ihrer Ansicht nach in einem zusammenwachsenden Europa zu?

Die Siebenbürger Sachsen sind eigentlich geborene Europäer. In ihrer Jahrhunderte langen Geschichte konnten sie "üben" und haben es auch vorbildlich praktiziert, mit unterschiedlichen Ethnien oder Nationalitäten friedlich zusammenzuleben. Im europäischen Raum leben sie heute in Rumänien, in Österreich und in Deutschland. Wie es in der Präambel zum Vertrag "über freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa" (!) zwischen Deutschland und Rumänien von 1992 heißt, begründet die deutsche Minderheit "eine natürliche Brücke zwischen unseren beiden Völkern". Für Rumänien ist sie über Deutschland ein wichtiges Bindeglied zur Europäischen Union. Das ist schon fast ein Geniestreich der Geschichte, wenn man bedenkt, welchen Diskriminierungen die deutsche Minderheit unter der kommunistischen Diktatur ausgesetzt war. Ich habe den Eindruck, die heute verantwortlichen Politiker in Rumänien wissen zu schätzen, was sie an der deutschen Minderheit und den Siebenbürger Sachsen haben. Es wäre ja auch politisch unklug, wenn man so ein "Pfund" für seine politischen Interessen unbeachtet ließe. Ich hoffe, das bleibt auch so, wenn der EU-Beitritt Rumäniens, voraussichtlich 2007, erfolgt ist.

Das Sozialwerk der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen hat die im Herkunftsland lebenden Landsleute seit 1990 mit 6,5 Millionen Euro gefördert. Darüber hinaus ist das Sozialwerk - und zwar gegenüber dem BMI - Mittlerorganisation von finanziellen Mitteln für die deutsche Minderheit in Siebenbürgen. Welche Erfahrungen haben Sie mit diesem "sozialen Arm" der Landsmannschaft unter der Leitung von Peter Pastior gemacht?

Herrn Pastior gebührt großer Dank. Er ist ein zuverlässiger Partner des BMI und hat korrekt und engagiert über das Sozialwerk der Siebenbürger Sachsen viele Hilfen sozusagen im Auftrag des BMI durchgeführt. Er gehört in die Kette der Helfenden, in der ein Glied das andere hält, so dass die Kette nicht zerreißen kann. Hoffentlich hält diese Kette noch lange.

Herr Dr. Reuter, wir danken Ihnen für das Gespräch.

(gedruckte Ausgabe. Siebenbürgische Zeitung, Folge 7 vom 30. April, Seite 4 und 6)

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