23. Juli 2005

Rumäniens Premier gerät unter Druck

Das Phantom der vorgezogenen Neuwahlen ist in Rumänien zunächst gebannt. In den letzten zwei Wochen gab Ministerpräsident Calin Popescu-Tariceanu schon zweimal seinen Rücktritt bekannt und revidierte dann seinen Entschluss (diese Zeitung berichtete). Am 19. Juli erklärte er, das Land müsse sich auf den EU-Beitrittsprozess und die Linderung der Flutkatastrophe konzentrieren. Dafür erntete er Beifall von der den oppositionellen Sozialdemokraten PSD. In der eigenen Nationalliberalen Partei PNL gerät der Partei- und Regierungschef indes erheblich unter Druck. Prominente liberale Mitglieder kritisierten den wankelmütigen Ministerpäsidenten und wollen Theodor Stolojan als dessen Nachfolger einsetzen.

Ministerpräsident Calin Popescu-Tariceanu eröffnete Anfang Juni eine Ausstellung beim Auswärtigen Amt in Berlin. Foto: Martin Eichler
Ministerpräsident Calin Popescu-Tariceanu eröffnete Anfang Juni eine Ausstellung beim Auswärtigen Amt in Berlin. Foto: Martin Eichler
Ministerpäsident Calin Popescu-Tariceanu hatte am 14. Juni 2005 im rumänischen Parlament die Vertrauensfrage gestellt. Sie war an die Abstimmung zu Justiz- und Eigentumsgesetzen gekoppelt. Ohne tiefgehende Reformen in der Justiz und dem Eigentumsrecht könne Rumänien weder "der EU beitreten noch als echter Rechtsstaat funktioneren", hatte der Premier in einem offenen Brief an das Parlament geschrieben. Mit der Reform sollten Richter unter anderem unabhängiger von politischen Einflüssen gemacht werden. Das Gesetzespaket nahm zwar die Hürde im Parlament, wurde aber von den oppositionellen Sozialdemokratischen Partei (Partidul Social-Democrat - PSD) und der nationalistischen Großrumänien-Partei (Partidul Romania Mare - PRM) angefochten. Das Verfassungsgericht des Landes, das von Getreuen der PSD dominiert wird, gab am 6. Juli der Beschwerde der Opposition Recht, derzufolge die Teile der Reform gegen die rumänische Verfassung verstößt.

Tags darauf, am 7. Juli, kündigte der Ministerpräsident erstmals an, er werde zurücktreten, um den Weg für Neuwahlen freizumachen. Die Europäische Kommission forderte indes Rumänien auf, die geplante Justizreform zügig durchzusetzen. "Es gibt jetzt keine Zeit zu verlieren, wenn Rumänien 2007 beitreten will", sagte eine Kommissionssprecherin am 9. Juli in Brüssel.

Premier Popescu-Tariceanu hätte sich durch Neuwahlen ein stärkeres Mandat für sein Regierungsbündnis erhofft. Laut jüngsten Umfragen liegt die Allianz DA mit 55 Prozent vor der PSD mit 23 Prozent. Die Eigentumsgesetze, die vom Verfassungsgericht nicht beanstandet wurden, wurden inzwischen von der rumänischen Regierung durch einen Dringlichkeitserlass verabschiedet.

Die derzeitige Regierung setzt sich aus der rechtsliberalen Allianz für Gerechtigkeit und Wahrheit (Dreptate si Adevar - DA), bestehend aus der Nationalliberalen Partei (PNL) und der Demokratischen Partei (PD), sowie den zwei Kleinparteien, dem Demokratischen Bündnis der Ungarn in Rumänien (UDMR) und der Konservativen Partei (PC, ehemals Humanistische Partei), zusammen. Die liberal-konservative Regierung ist seit Dezember 2004 im Amt und verfügt über eine sehr knappe Mehrheit im Parlament. Die PSD stellt die Vorsitzenden der Abgeordneten- und Senatskammer und kontrolliert noch viele öffentliche Einrichtungen und Medien.

Siegbert Bruss


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