6. August 2005

Lesung Hans Bergel in Vöcklabruck

Auf den Tag genau ein Jahr nach seiner Literaturlesung 2004 in Vöcklabruck war Hans Bergel am 9. Juli abermals Gast der Siebenbürger Sachsen in der oberösterreichischen Bezirksstadt. Im Siebenbürgerheim hatte sich ein Kreis Literaturinteressierter versammelt, den Obmann Hans Haitchi zu dem Abend mit dem aus Gröbenzell bei München angereisten Schriftsteller und Journalisten begrüßte.
Der neu gegründete gemischte Chor sang unter der Leitung von Rita Muerth zur Eröffnung zwei Lieder. Mag. Klaus Wagner führte Dr. h.c. Hans Bergel kurz ein, den vorzustellen sich erübrige, sagte er, denn „alle kennen ihn!“ Zu der Veranstaltung waren auch der Ehrenobmann der österreichischen Siebenbürger, Dr. Fritz Frank aus Linz, sowie die Nachbarmutter Ulrike Aspöck aus Ried erschienen.

Hans Bergel hatte für die 50-Minuten-Lesung eine Erzählung gewählt, deren Entstehung weit zurückliegt. „Taj Tekuana“ entstand vor rund zwei Jahrzehnten als Ergebnis einer Reise des Autors durch Neuseeland. Wie lebendig das geschilderte Ereignis jedoch blieb, bewies der Erfolg des Abends. Taj Tekuana, ein erfolgreicher maorischer Rechtsanwalt und Kunstkenner, sucht in den bekanntesten Museen und Sammlungen der Welt die letzte von seinem Großvater, einem Holzschnitzer und Bildhauer, geschaffene Jade-Skulptur, eine Christus-Statuette. Auf dem Flug von Los-Angeles nach Auckland lernt er den Erzähler kennen. Aus den Gesprächen der beiden wird nicht nur Taj Tekuanas Anliegen deutlich, sondern zugleich dessen allgemein gültige Bedeutung: der drohende Verlust spezifischer Regionalkulturen unter dem Andrang weltweit nivellierender Touristenströme und kommerzialisierten Kunstbetriebs. Was Bergel am Beispiel der neuseeländischen Maori-Skulptur veranschaulicht, kann auf jede landschaftstypische Kunstäußerung bezogen werden. „Taj Tekuana“ wird so zum Ausdruck einer Auseinandersetzung im Spannungsbereich von Globalisierung und Regionsindividualität. Im Ausgang der Erzählung laufen die Fäden der auf mehreren Ebenen vorgetragenen Vorkommnisse zusammen.

Nicht allein die Geschichte um die vermisste – und wiedergefundene – Jade-Skulptur fesselte am 9. Juli die Zuhörer, sondern auch die Schilderung der neuseeländischen Landschaft, das Ereignis des von einem Sturm gefährdeten Flugs, die tiefgründigen Gespräche über das Wesen des Wahren und Schönen, das Intermezzo des Feuerwehrstreiks auf dem Auckländer Flughafen und die Wiederbegegnung mit der Jade-Skulptur am Frühstückstisch des neuseeländischen Freundes des Erzählers. Der lang anhaltende Beifall galt nicht nur der spannend aufgebauten Erzählung, sondern auch dem in seiner Klarheit souveränen Vortrag Hans Bergels, dem ein Stehimbiss und weitere Chordarbietungen folgten.

S.L.


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