23. September 2001

"Dracula-Land" bedroht einmalige Kulturlandschaft bei Schäßburg

Die Pläne für einen Vergnügungspark "Dracula-Land" bedrohen ein natur- und kulturhistorisch wertvolles Gebiet: "Die Breite" bei Schäßburg ist mit ihren jahrhundertealten Eichen ein europaweit einmaliges Landschaftsgebiet.
In wirtschaftlichen Kreisen scheint das in Siebenbürgen nicht unumstrittene Projekt "Dracula-Land" auf der Breite bei Schäßburg ein nicht unbeachtetes Thema zu sein, das sogar noch die Presse in den Nachbarländern beschäftigt. In seiner Augustausgabe berichtete das Bulgarische Wirtschaftsblatt auf seiner Sonderseite "Südosteuropäischer Report" über das Projekt, das fünf Kilomeeter weit von Schäßburg auf einer Fläche von 60 Hektar entstehen solle. Die Bebauung der Fläche erfordere etwa 18 Millionen Euro, der Bau von technischen Anlagen, Restaurants und anderen Lokalen weitere 20 Millionen Euro.
Wenig später, am 7. September, meldete die rumänische Finanzzeitung Ziarul Financiar auf ihrer "Ereignis"-Seite, dass die Baufläche für das Dracula-Land verdoppelt (120 Hektar!) worden sei und die Investition auf eine Summe von 20 Millionen US-Dollar geschätzt werde. Das Gelände wurde bereits durch einen Beschluss des Schäßburger Stadtrats ins Grundbuch als Besitz der Stadt Schäßburg eingetragen. Militärisches Gelände auf der Breite, das sich in der Nähe des geplanten Vergnügungsparks befindet, soll nach einer entsprechend zusammengestellten Dokumentation auf ein anderes Grundstück aus dem Gemeindebesitz verlegt werden Die Arbeiten am Dracula-Land, einem Projekt, das geschätzte Investitionen von etwa 40 Millionen Euro benötigt, könnten in einer optimistischen Variante noch in diesem Herbst beginnen, meint das Finanzblatt, wahrscheinlich aber werden sie erst im nächsten Frühjahr gestartet und sich ab dann über einen Zeitraum von neun Monaten erstrecken.
Das Projekt ist Teil des "Nationalen Programms für die Sanierung von Schäßburg", das laut Planung etwa zweieinhalb Jahre in Anspruch nehmen soll. Dabei sollen in der ersten Etappe 2002/2003 etwa 3000 neue Arbeitsplätze entstehen. Nach Abschluss des Programms sollen 2000 Betten in Bungalows und Villen auf dem Gelände des Dracula-Parks sowie weitere 4000 Betten in der Stadt zur Verfügung stehen. Man rechnet etwa mit einer Million Touristen jährlich, von denen etwa die Hälfte Ausländer sein sollten. Die Jahreseinnahmen werden laut der bulgarischen Finanzzeitung auf 20 Millionen Euro geschätzt. Der rumänische Minister für Tourismus Dan Matei Agathon, der mit hinter dem Projekt steht und es nach Kräften betreibt, meinte, es sei zu 100 Prozent ein privates Projekt. Für das Heranziehen von Direktinvestitionen setzt man zwar auf die Stadt Schäßburg, aber der größere Teil soll durch einen eigens dazu gegründeten "Fonds für die touristische Entwicklung von Schäßburg" beschafft werden.
Erst drei Jahre zuvor hatte es seitens der lokalen und zentralen Forstverwaltung und des Naturschutzes Anstrengungen für die Ausweisung eines besonders wertvollen Teils der Breite mit ihren jahrhundertealten und tausendjährigen Eichen zu einem Naturschutzgebiet gegeben. Das war die Reaktion auf schädigende Maßnahmen, die in jüngerer Vergangenheit die Breite betroffen hatten. Im Bestreben, das Weideland auszuweiten und zu intensivieren, waren den Betreibern mehrere uralte Eichen ein Dorn im Auge gewesen, so dass sie laut einer vom Forstamt Schäßburg erhaltener Auskunft, mit Dynamit weggesprengt wurden.
Die Breite ist mit ihren jahrhundertealten Eichen, von denen, so das genannte Forstamt, etwa noch hundert wertvolle Exemplare übriggeblieben sind, ein europaweit einmaliges Landschaftsgebiet. Es ist nicht nur ein wertvolles Naturerbe, sondern Teil des kulturhistorischen Erbes der Stadt Schäßburg, da es letzte Belege für mittelalterliche Nutzungsweisen von Land- und Forstwirtschaft liefert. Eine wertvolle Fläche mit jahrhundertealten Eichen von etwa zehn Hektar müsste laut Angaben des zuständigen Schäßburger Forstamtes in ein streng geschütztes Gebiet umgewandelt werden, das außerhalb jeglicher touristischer Aktivitäten liegt und auch ein Forschungsprogramm, einschließlich Maßnahmen zur Verjüngung von Eichen umfasst. Ebenso wäre eine weitere, kleine Fläche von zwei bis drei Hektar mit einem strengen Schutzstatus zu belegen. Der Bürgermeister der Stadt Schäßburg hatte die Befürchtungen der Naturschützer zerstreuen wollen und die Meinung geäußert, dass die alten Eichen durch den Dracula-Park noch besser zur Geltung kämen. In Anbetracht ihres Wertes und ihrer landschaftlichen Einmaligkeit ist jedoch die Erhaltung dieser Eichen in einer naturnahen Landschaft mit den Zielen eines Vergnügungsparks nicht zu vereinbaren und auch nicht zu verantworten.
Wie lange die untere und obere Naturschutzbehörde sowie das Forstamt standhalten und ihre Zustimmung verweigern können, ist wohl eine Frage der Zeit, wenn der Druck vom Ministerium für Tourismus zu groß wird. Auf jeden Fall muss eine Umwidmung der Nutzung stattfinden, für die es eine Zustimmung des Forstamtes und der Naturschutzbehörde braucht.
Bedenkt man, dass die offene Fläche der Breite (die sogenannte Kahle Breite) insgesamt etwa 180 Hektar beträgt und der "Dracula-Land"-Park nach den neuesten Meldungen 120 Hektar umfassen soll, kann man sich leicht denken, das von der weiten, ökologisch und kulturhistorisch wertvollen Landschaft der Breite nur noch wenig übrigbleiben wird. Man müsste alles daran setzen, um zumindest die wertvollsten Flächen (10 ha & 3 ha) aus dem Dracula-Projekt herauszuhalten.
Der Nutzungsdruck durch die vielen Touristen wird für das gesamte Landschaftsgebiet der Breite erheblich sein. Fragt sich noch, ob ein derartiges Projekt, so gesehen, wirklich einen Gewinn für Schäßburg bedeutet oder ob dadurch dem mittelalterlichen Charakter der Stadt eher Schaden zugefügt wird. Nach Ansicht vieler Schäßburger wird ein derartiges Unterfangen eher zu einer Entwertung des mittelalterlichen Charakters der Stadt führen und ihr einiges an Problemen bescheren, so die Schäßburger Nachrichten vom Juni 2001. Sicherlich gibt es auch andere Möglichkeiten Schäßburg aufzuwerten und der Stadt einen sanften, wie Wilhelm Fabini sagt "gemäßigten Kultur-Tourismus" zu bescheren, auch ohne ein "Dracula-Land" nach dem Muster amerikanischer Vergnügungsparks. Gute Ansätze sind bereits vorhanden, beispielsweise durch die aus PHARE-Geldern finanzierten Rundwege und die Erklärungstafeln. Eine genaue Recherche würde noch manches zutage fördern, so dass viele weitere Gebäude und Landschaftsteile ihre eigene Geschichte erzählen könnten.

Erika Schneider


(Siebenbürgische Zeitung, Folge 15 vom 30. September 2001)

Schlagwörter: Dracula

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