3. Dezember 2018
„Corpus Draculianum“ – Buchpräsentation mit Waffenschau zu Vlad dem Pfähler in München
Vlad der Pfähler Drăculea (1431-1476) ist für jeden Rumänien- und Siebenbürgenkenner ein Begriff: Als historische Dracula-Figur erlangte er im Windschatten der westlichen Vampirmythologie Weltruhm. Fast jährlich erscheinen literarische Bestseller und aufwändige cineastische Produktionen, die den Woiwoden der Walachei als geschichtlich belegtes Gegenbild zum Stoker’schen Vampirgrafen porträtieren. Die moderne Geschichtswissenschaft hat gegen diese Mythologisierung einen schweren Stand, da methodisch anspruchsvolle und quellenbasierte Forschungsarbeiten rar sind. Ein Großteil des heutigen Wissens zur „historischen Reizfigur“ (Bohn) Vlad Dracula geht immer noch auf die nationalkommunistischen Biographien der 1970er Jahre zurück.
Ein internationales Forscherteam aus München, Augsburg, Regensburg und Gießen hat sich daher zum Ziel gesetzt, durch ein breit angelegtes mediävistisches Forschungsprogramm bestehend aus einer mehrbändigen kritischen Edition sämtlicher zeitgenössischer Quellen, wissenschaftlichen Konferenzen sowie einer neuen Biographie des Woiwoden eine solide Wissensbasis zur zweifellos berühmtesten Persönlichkeit der rumänischen Geschichte zu erarbeiten – abseits jeglicher Vampir- und Balkanstereotypisierungen.
Die ersten drei Bände der Quellenedition „Corpus Draculianum“ sowie der Tagungsband der ersten Dracula-Konferenz von 2014 an der Justus-Liebig-Universität Gießen wurden erst kürzlich auf der Frankfurter Buchmesse und am 16. November auch im Generalkonsulat von Rumänien in München vorgestellt. Das Forscherteam, bestehend aus Prof. Thomas M. Bohn (Universität Gießen), Dr. Adrian Gheorghe (Universität München), PD Dr. Christof Paulus (Haus der Bayerischen Geschichte) und Albert Weber (Universität Gießen) präsentierten in powerpointgestützten Vorträgen erste Ergebnisse ihrer mehrjährigen und seit 2016 mit Förderung von der Deutschen Forschungsgemeinschaft durchgeführten Recherchen, die unter anderem im Vatikanischen Geheimarchiv, in den Staatsarchiven in Venedig, Mailand, Florenz, Bologna, Mantua und Genua, aber auch in der Bayerischen Staatsbibliothek und in Rumänien durchgeführt wurden. In den jeweils rund 400 Seiten umfassenden Editionsbänden – veröffentlicht vom Harrassowitz Verlag in Wiesbaden – werden die anhand der Originaldokumente transkribierten, hierauf ins Deutsche übersetzten und umfassend kommentierten Texte aus der Kanzlei Vlads sowie seiner Verbündeten und Widersacher, etwa des Sultans Mehmed II., des ungarischen Königs Matthias Corvinus oder der Siebenbürger Sachsen, wiedergegeben. Ediert werden darüber hinaus auch Chroniken und literarische Texte, allen voran die berühmt-berüchtigten, dank des damals aufkommenden Buchdrucks weit verbreiteten deutschen Dracula-Geschichten, die fälschlich den Sachsen zugeschrieben wurden.
Etwa ein Fünftel der gesammelten Texte, darunter 29 Briefe, waren der Vlad-Forschung bislang unbekannt, so etwa ein Bericht zu einer von Vlads Truppen gewonnenen „Flussschlacht“ auf der Donau, seine Niederlage im Kampf um die Burg Smederevo oder der Eroberungsbrief (eigenständige Briefform!) Mehmeds II. über seinen Walachei-Feldzug 1462.
Leider gab es mit der Powerpointpräsentation technische Probleme, so dass die Folien nicht immer zum Referierten passten und auch die popkulturelle Rezeption Vlad Draculas in Film und Literatur zum Teil auf der Strecke blieb. Erwähnt wurden unter anderem immerhin die mit viel Herzblut geschriebenen Romane von Vasile Lupașc und Elizabeth Kostova. Hervorgehoben sei hier der teils richtig unterhaltsame Vortrag von Professor Bohn („Wir drehen jetzt den Spieß um“), der über den anscheinend bei den Slawen in der Frühen Neuzeit aufkommenden Vampirglauben sprach und der insbesondere für die österreichischen Militärärzte eine große Kuriosität war. Ausgehend von deren wissenschaftlichen Publikationen kam der Vampir in die europäische Literatur und damit auch zu Bram Stoker (der zwar nicht der erste und auch nicht der beste Literat mit seinem Dracula-Roman war, aber immerhin der erfolgreichste). Teils wird der Erfolg der Vampirliteratur am Ende des 19. Jahrhunderts sogar mit der Angst vor einer kulturellen Gegenkolonisation bzw. Infiltration durch die zahlreichen osteuropäischen Einwanderer (nach Großbritannien) erklärt, die man als zivilisatorisch unterlegen ansah, weshalb Stoker dem Vampirgrafen Züge eines russischen Juden verliehen haben soll.
Im Anschluss an die Buchvorstellung und die rege Diskussionsrunde – etwa zum Fortleben in der Volksdichtung – eröffneten die Referenten eine kurzweilige Waffenschau mit spätmittelalterlicher Originalwaffen und -rüstungen, deren baugleichen Modelle wahrscheinlich mit denjenigen der walachischen und moldauischen Armeen der 1450er bis 1480er Jahre identisch waren. (Interessierte Zuhörer durften sogar einen türkischen Kompositbogen spannen und einen schweren Zweihänder in die Hand nehmen.) Die Exponate wurden großzügigerweise vom Münchener Auktionshaus Hermann Historica zur Verfügung gestellt, für die der Turkologe Dr. Gheorghe öfter als Experte zu Rate gezogen wird. Voraussichtlich Ende 2020 wird der vierte und vorletzte Band der Editionsreihe Corpus Draculianum abgeschlossen sein, der insbesondere die bereits zu Lebzeiten des Woiwoden einsetzende Mythisierung als Tyrann oder auch Kriegsheld beleuchten wird. Der Band wird auch ein Kapitel zur Porträtüberlieferung enthalten, zu welcher der Bildforscher und Mitarbeiter dieser Zeitung Konrad Klein durch Entdeckung des künstlerisch bedeutenden Kryptoporträts aus der Wiener Kirche Maria am Gestade beigetragen hat (vgl. SbZ vom 31. Oktober 2002, im Netz unter https://www.siebenbuerger.de/zeitung/artikel/alteartikel/1495-vlad-tepes-alias-dracula-ein-roetlich.html).
Die ersten drei Bände der Quellenedition „Corpus Draculianum“ sowie der Tagungsband der ersten Dracula-Konferenz von 2014 an der Justus-Liebig-Universität Gießen wurden erst kürzlich auf der Frankfurter Buchmesse und am 16. November auch im Generalkonsulat von Rumänien in München vorgestellt. Das Forscherteam, bestehend aus Prof. Thomas M. Bohn (Universität Gießen), Dr. Adrian Gheorghe (Universität München), PD Dr. Christof Paulus (Haus der Bayerischen Geschichte) und Albert Weber (Universität Gießen) präsentierten in powerpointgestützten Vorträgen erste Ergebnisse ihrer mehrjährigen und seit 2016 mit Förderung von der Deutschen Forschungsgemeinschaft durchgeführten Recherchen, die unter anderem im Vatikanischen Geheimarchiv, in den Staatsarchiven in Venedig, Mailand, Florenz, Bologna, Mantua und Genua, aber auch in der Bayerischen Staatsbibliothek und in Rumänien durchgeführt wurden. In den jeweils rund 400 Seiten umfassenden Editionsbänden – veröffentlicht vom Harrassowitz Verlag in Wiesbaden – werden die anhand der Originaldokumente transkribierten, hierauf ins Deutsche übersetzten und umfassend kommentierten Texte aus der Kanzlei Vlads sowie seiner Verbündeten und Widersacher, etwa des Sultans Mehmed II., des ungarischen Königs Matthias Corvinus oder der Siebenbürger Sachsen, wiedergegeben. Ediert werden darüber hinaus auch Chroniken und literarische Texte, allen voran die berühmt-berüchtigten, dank des damals aufkommenden Buchdrucks weit verbreiteten deutschen Dracula-Geschichten, die fälschlich den Sachsen zugeschrieben wurden.
Etwa ein Fünftel der gesammelten Texte, darunter 29 Briefe, waren der Vlad-Forschung bislang unbekannt, so etwa ein Bericht zu einer von Vlads Truppen gewonnenen „Flussschlacht“ auf der Donau, seine Niederlage im Kampf um die Burg Smederevo oder der Eroberungsbrief (eigenständige Briefform!) Mehmeds II. über seinen Walachei-Feldzug 1462.
Leider gab es mit der Powerpointpräsentation technische Probleme, so dass die Folien nicht immer zum Referierten passten und auch die popkulturelle Rezeption Vlad Draculas in Film und Literatur zum Teil auf der Strecke blieb. Erwähnt wurden unter anderem immerhin die mit viel Herzblut geschriebenen Romane von Vasile Lupașc und Elizabeth Kostova. Hervorgehoben sei hier der teils richtig unterhaltsame Vortrag von Professor Bohn („Wir drehen jetzt den Spieß um“), der über den anscheinend bei den Slawen in der Frühen Neuzeit aufkommenden Vampirglauben sprach und der insbesondere für die österreichischen Militärärzte eine große Kuriosität war. Ausgehend von deren wissenschaftlichen Publikationen kam der Vampir in die europäische Literatur und damit auch zu Bram Stoker (der zwar nicht der erste und auch nicht der beste Literat mit seinem Dracula-Roman war, aber immerhin der erfolgreichste). Teils wird der Erfolg der Vampirliteratur am Ende des 19. Jahrhunderts sogar mit der Angst vor einer kulturellen Gegenkolonisation bzw. Infiltration durch die zahlreichen osteuropäischen Einwanderer (nach Großbritannien) erklärt, die man als zivilisatorisch unterlegen ansah, weshalb Stoker dem Vampirgrafen Züge eines russischen Juden verliehen haben soll.
Im Anschluss an die Buchvorstellung und die rege Diskussionsrunde – etwa zum Fortleben in der Volksdichtung – eröffneten die Referenten eine kurzweilige Waffenschau mit spätmittelalterlicher Originalwaffen und -rüstungen, deren baugleichen Modelle wahrscheinlich mit denjenigen der walachischen und moldauischen Armeen der 1450er bis 1480er Jahre identisch waren. (Interessierte Zuhörer durften sogar einen türkischen Kompositbogen spannen und einen schweren Zweihänder in die Hand nehmen.) Die Exponate wurden großzügigerweise vom Münchener Auktionshaus Hermann Historica zur Verfügung gestellt, für die der Turkologe Dr. Gheorghe öfter als Experte zu Rate gezogen wird. Voraussichtlich Ende 2020 wird der vierte und vorletzte Band der Editionsreihe Corpus Draculianum abgeschlossen sein, der insbesondere die bereits zu Lebzeiten des Woiwoden einsetzende Mythisierung als Tyrann oder auch Kriegsheld beleuchten wird. Der Band wird auch ein Kapitel zur Porträtüberlieferung enthalten, zu welcher der Bildforscher und Mitarbeiter dieser Zeitung Konrad Klein durch Entdeckung des künstlerisch bedeutenden Kryptoporträts aus der Wiener Kirche Maria am Gestade beigetragen hat (vgl. SbZ vom 31. Oktober 2002, im Netz unter https://www.siebenbuerger.de/zeitung/artikel/alteartikel/1495-vlad-tepes-alias-dracula-ein-roetlich.html).
Albert Weber/Konrad Klein
Schlagwörter: Dracula, Rumänien, Geschichte, München, Buchpräsentation
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Neueste Kommentare
- 03.12.2018, 10:55 Uhr von Siegbert Bruss: Hallo pedimed, besten Dank für den hilfreichen Hinweis. Der Buchstabendreher ist uns beim Lesen ... [weiter]
- 03.12.2018, 10:23 Uhr von pedimed: Beim Stadtarchiv von Genau ist wohl die Hafenstadt GENUA gemeint !!! [weiter]
Artikel wurde 2 mal kommentiert.
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