6. Dezember 2005

Vielseitiger Kronstädter Kulturherbst

In Kronstadt gibt es noch ein stark ausgeprägtes Gemeinde- und Kulturleben. Und dafür steht neuerdings der Mehrzwecksaal der kirchlichen Honterusgemeinde zur Verfügung, der im Keller des Gebäudes Nr. 18 auf dem Marktplatz (heute Rathausplatz) eröffnet wurde. Allein schon die Einweihungsfeier verdeutlichte das Potential an Musikmitwirkenden. Eine musikalische Krönung bedeutete dann die Aufführung des Elias-Oratoriums von Felix Mendelssohn Bartholdy in der Schwarzen Kirche. Und das von der Evangelischen Akademie Siebenbürgen (EAS) ebenfalls im Mehrzweckraum veranstaltete Reformationskolloquium zeigte, wie groß das Interesse an der Geschichte, am Zusammenleben aller in Siebenbürgen lebenden Ethnien ist.
Neun Monate lang hatte das Kronstädter Bauunternehmen CONCEFA unter der Leitung von Dipl.-Ing. Waldemar Stadler Sanierungs-, Konsolidierungs- und Ausstattgungsarbeiten durchgeführt, bevor der Mehrzwecksaal am 1. Oktober 2005 seine ersten Gäste empfangen konnte. Die Einweihungshandlung wurde von Stadtpfarrer Christian Plajer und Pfarrerin Marion Müller vorgenommen. Musikalische Einlagen boten der von Steffen Schlandt geleitete Jugend-Bachchor, der von Ingeborg Acker dirigierte Canzonetta-Schülerchor und Eckart Schlandt am neuen Petrof-Flügel. Letzterer interpretierte Auszüge aus den Variationen "Die Gipfel der Karpaten" von Paul Richter.

Der Kronstädter Stadtpfarrer Christian Plajer begrüßte die Gäste und Mitwirkenden, darunter den von Ingeborg Acker geleiteten Canzonetta-Schülerchor, bei der Einweihung des neuen Mehrzweckraumes.
Der Kronstädter Stadtpfarrer Christian Plajer begrüßte die Gäste und Mitwirkenden, darunter den von Ingeborg Acker geleiteten Canzonetta-Schülerchor, bei der Einweihung des neuen Mehrzweckraumes.

Der von Stadtpfarrer Christian Plajer als "Lebensraum" für die Gemeinde bezeichnete Saal umfasst eine rund 180 qm große Nutzfläche. Da das Kapitelzimmer längst durch die vielen Tätigkeiten wie Bibelstunden, Jugend- und Frauenarbeit, Chorproben, Sitzungen überfordert war, wurde dieser Mehrzweckraum eingerichtet, der seit seiner Einweihung schon mehrere Konzerte, Symposien, Empfänge beherbergt hat.

Der Historiker Gernot Nussbächer präsentierte anlässlich der Einweihung geschichtliche Daten über das Gebäude, das sich auf der westlichen Böttcherzeile des Marktplatzes befindet. Die älteste Nachricht über ein Haus an dieser Stelle stammt aus dem Jahre 1644, wobei als Eigentümer der Ratsherr Stefan Filstich genannt wird. 1827 kaufte Dr. Johann Friedrich Plecker (1780 - 1850) das Haus, ließ es abtragen und ein neues Gebäude mit der Stirnseite zum Marktplatz errichten. Die unteren Geschäftsräume vermietete er an die 1843 gegründete Handelsfirma der Brüder Hesshaimer. Im Jahre 1894 konnte die evangelische Gemeindevertretung das Gebäude, das im Laufe der Jahrhunderte unterschiedlichen Zwecken gedient hatte, erwerben. Seit 1989 befindet sich im ersten Stockwerk des Hauses der Sitz des Kronstädter Evangelischen Bezirkskonsistoriums.

Anerkennende Worte über den Mehrzweckraum fand auch Wilfried Gruber, Botschafter des Bundesrepublick Deutschland in Bukarest, anlässlich des Empfangs bei der dritten Auflage der Musikveranstaltung "Musica Coronensis" (20. - 23. Oktober 2005). Gefördert wird diese Konzertreihe von der Deutschen Botschaft und hat als Ziel, die siebenbürgisch-sächsische Musiktradition fortzuführen und dabei möglichst viele junge Menschen einzubeziehen. Höhepunkt der Veranstaltung war die Aufführung des Oratoiums "Elias" von Felix Mendelssohn Bartholdy am 22. Oktober in der Schwarzen Kirche. Unter der musikalischen Gesamtleitung des jungen Dirigenten Steffen Markus Schlandt, der heuer sein 30. Lebensjahr erfüllte, traten die Bachchöre von Kronstadt und Hermannstadt, der Kammerchor Wilhelmshaven, das Orchester der Musikfakultät und vier Solisten auf. Rund 175 Mitwirkende boten unter der kompetenten Stabführung von Steffen Schlandt eine hervorragende Leistung. Als "wunderbar" bezeichnete Botschafter Gruber, als "großartig" Stadtpfarrer Christian Plajer die Darbietung. Zum letzten Mal war das Oratorium 1912 in Kronstadt aufgeführt worden.

Vorausgegangen waren die "Tage deutscher Kultur" (2. - 17. Oktober), organisiert vom Deutschen Kulturzentrum Kronstadt und dem Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) Stuttgart, das seit dem Sommer durch Kulturassistentin Anne Schulz in der Zinnenstadt vertreten wird. Lesungen, Workshops, Theateraufführungen, Filmvorführungen, Ausstellungen, Schülerdarbietungen zogen ein zahlreiches, multiethnisches Publikum an, das die Gelegenheit wahrnahm, die Kontakte zur deutschen Kultur zu vertiefen.

Viel Anklang fand auch das Reformationskolloquium am 31. Oktober, veranstaltet von der Evangelischen Akademie Siebenbürgen aus Hermannstadt. Im Mehrzwecksaal der Honterusgemeinde referierte einleitend Pfarrer Wolfgang Rehner über "Bildungsbemühungen bei Adolf Schullerus (1897 - 1904): Schule - Kirche - Volkstum". Dr. Paul Brusanowski von der orthodoxen Fakultät Hermannstadt sprach über "Die orthodoxe Kirche und die Konfessionsschulen". Pfarrer Wolfgang Wünsch, Initiator der Reformationskolloquien, die jedes Jahr in einer anderen Stadt Siebenbürgens stattfinden - bisher waren es Mühlbach und Mediasch -, sprach über "Bildungsbestrebungen bei Ioan Lupas (1910 - 1918)". Die ökumenische, interkonfessionelle Veranstaltung lockte zahlreiche Zuhörer und führte zu angeregten Gesprächen.

Auch die diesjährige Gedenkfeier beim Studentendenkmal von Marienburg in Erinnernug an die Opfer der Schlacht vom 16. Oktober 1642 hatte Breitenwirkung. Nach der Kranzniederlegung fand eine musikalische Gedenkveranstaltung in der evangelischen Kirche der Burzenländer Gemeinde statt. Somit ein besinnlicher, vielseitiger Kulturherbst. Weitere Veranstaltungen stehen schon im Blickpunkt.

Dieter Drotleff

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