3. Oktober 2001

Schätze der Siebenbürgischen Bibliothek: Exlibris

"Habent sua fata libelli. Bücher haben ihre Schicksale", lautet ein lateinisches Sprichwort. Dies gilt auch für die Bücher der Siebenbürgischen Bibliothek in Gundelsheim. Wer wollte nachvollziehen, wem die vielen Bücher einst gehört haben, in welchen Bücherschränken und Sammlungen, in welchen Dachböden und Truhen sie einst gestanden oder gelegen haben? In Einzelfällen finden wir Hinweise auf die Vorbesitzer, durch Exlibris, Stempel, Signaturen und Widmungen.
Die Bestände der Siebenbürgischen Bibliothek stammen zum großen Teil aus Schenkungen zu Lebzeiten oder aus Nachlässen Verstorbener. Die Übereigner haben diese Bücher selbst geerbt oder erworben. Die ältesten in Gundelsheim vorhandenen Bücher sind gut ein Dutzend Generationen alt. Sie kommen aus anderen Zeiten, haben so manchen Besitzerwechsel überlebt und so manche Umzüge, die sie in hohem Maße gefährdeten, möglicherweise sind sie als einziges Exemplar einer Auflage erhalten geblieben. Für jedes Buch wäre eine eigene Geschichte festzuhalten.
Die Leidenschaft, Dinge zu sammeln, ist dem Menschen wohl angeboren. Wer hat nicht in seinem Bekanntenkreis Menschen, die die kuriosesten Dinge sammeln. Die Siebenbürgische Bibliothek klagt nicht wie geplagte oder verständnislose Ehepartner darüber, dass es derartige Sammler gibt, sondern ist froh, Nutznießerin der Sammelleidenschaft vieler Landsleute und Bücherfreunde zu sein. Den Privatsammlern verdanken wir die Bewahrung besonderer kultureller Schätze.
Eine gepflegte private Bibliothek ist ein Spiegelbild der Persönlichkeit des Besitzers. Vielleicht gehört es bei Bibliothekaren und Buchhändlern zur professionellen Deformation, dass sie sich bei Besuchen in fremden Häusern die Bücherschränke der Gastgeber ansehen und daraus Schlüsse ziehen. Sie beeindruckt kein zur Schau gestellter Reichtum, wenn nicht auch eine interessante Bibliothek vorhanden ist. Früher waren Bibliotheken Sache der Klöster, Universitäten und der Fürsten. Hier wurden - in der Zeit vor Erfindung des Buchdruckes mit beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg - Handschriften auf Pergament kopiert und aufwendig, z.T. durch Verwendung von Blattgold, illustriert. Einige dieser Handschriften, so die Manessesche Liederhandschrift, gehören zum bedeutendsten Kulturerbe der Nation und sind bei Ausstellungen nur in matterleuchteten Räumen hinter zentimeterdickem Panzerglas zu sehen.
In Siebenbürgen legte der Kirchen- und Schulreformer, Verleger und Buchdrucker Johannes Honterus den Grundstock zu einer Schulbibliothek in Kronstadt, die leider den großen Brand der Stadt von 1689 nicht überstanden hat. Das Beispiel des Honterus fand Nachahmer, so dass bald jede Stadtschule eine eigene Bibliothek hatte. Daneben wurden vor allem im Raum der Kirchen Bibliotheken angelegt. Die Theologie ist ein Berufsstand, der wie kaum ein anderer auf Literatur angewiesen ist. Der Pfarrer war häufig der einzige im Dorf, der eine kleine Handbibliothek besaß, Zeitschriften oder Zeitungen abonniert hatte.
Vor gut 150 Jahren verbreiteten sich in Europa - zeitgleich auch in Siebenbürgen - sogenannte Volksbüchereien, Leihbibliotheken mit belletristischer Literatur und Fachbüchern für einen großen Leserkreis. Aufgrund technischer Errungenschaften ist die Buchherstellung immer billiger geworden. Bücher sind Konsumartikel geworden, d.h. sie werden gelegentlich auch entsorgt, denn jede Generation fängt von neuem an, sich die sie interessierenden Lesestoffe zusammenzutragen. Das Erbe zählt vielfach wenig. Es ist heute nicht mehr so elitär eine Bibliothek zu besitzen. Die Ausstattung der Bücher ist nicht mehr so edel. In Leder gebundene oder mit Lederrücken oder Goldschnitt versehene Bücher sind sehr selten geworden. Auch das Leinen der Bucheinbände und die Lesezeichen werden immer seltener. Billige Massenware beherrscht den Markt.
Ein europäisches Bürgerhaus hatte seit der Aufklärung, vereinzelt wohl bis heute, eine repräsentative Bibliothek der Welt- und Nationalliteratur, auch mit wichtigen Nachschlagewerken oder Büchern naturwissenschaftlichen, technischen oder historischen Charakters. Hierin eiferte das Bürgertum dem Adel nach. Wer es sich leisten konnte, kaufte die Bücher ungebunden und unbeschnitten im Block und ließ sie sich von einem Handwerker binden. Diese Bücher erhielten ein einheitliches Äußeres; auf den Innenseiten der Bucheinbände erhielten sie einen Besitzvermerk mit dem Namen und Wappen des Besitzers oder nur mit symbolischen Zeichen. Dieses Ex libris, übersetzt: aus den Büchern, wurde ursprünglich in Holzschnitttechnik ausgeführt, später kamen Kupferstiche und schließlich bedruckte und ins Buch geklebte Zettel auf.
Auch in Siebenbürgen fand sich eine Gilde von Bibliophilen, das sind besondere Liebhaber des schönen Buches, denen die ästhetische Gestaltung ihrer Bibliothek am Herzen lag und die sich ein Exlibris anfertigen ließen. Siebenbürgische Künstler haben sich in der Gestaltung von Exlibis, einer Art Gebrauchsgraphik, versucht, so Harald Meschendörfer, Hermann Lani, Hellfried Weiß, Trude Schullerus, Ludwig Hessheimer u.v.a. In Gundelsheim werden diese Zeichen in einer eigenen Sammlung geführt. Bei Recherchen in einem Buch der dortigen Siebenbürgischen Bibliothek fällt einem gelegentlich ein Vermerk eines Vorbesitzers auf, eine Signatur und Widmung des Autors, eine Widmung des Schenkers, ein Exlibris. Von vielen belletristischen Autoren besitzt die Siebenbürgische Bibliothek einen Autographen (z.B. mit dünnem Bleistift ein Besitzvermerk von Adolf Meschendörfer oder eine schwungvolle Unterschrift von Heinrich Zillich) aber auch Widmungen von Wissenschaftlern (Hermann Oberth) oder weniger prominente Zeitgenossen, z. B. der Lehrer, die ihren Schülern ein Buch – häufig für herausragende Leistungen – und Lebensweisheiten auf den Weg gaben. Die Bücher erzählen durch diese Hinweise über ihren Inhalt hinaus etwas von ihrem eigenen Schicksal und möglicherweise auch von dem des ehemaligen - vielleicht längst verstorbenen - Eigentümers, von dessen Interessen und Vorlieben. Dies alles bildet ihre zusätzliche, faszinierende Aura.

Gustav Binder

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