6. November 2001

Gegner des Dracula-Landes als Verräter diffamiert

Als die "Taliban" von Schäßburg werden sie mittlerweile verschmäht ("Ziua de Ardeal"): die Mitglieder der Initiativgruppe und Verfasser eines Appells gegen die Errichtung des "Dracula-Land" auf der Breite neben dem "Jerusalem" oder der "Perle Siebenbürgens", wie die Stadt an der Kokel genannt wird. Über den geplanten Freizeitpark führte unser Hermannstädter Mitarbeiter, Martin Ohnweiler, folgendes Interview mit dem Schäßburger Stadtpfarrer Bruno Fröhlich.
Als Drahtzieher der verpönten Initiative sieht die Bukarester Boulevardzeitung "Evenimentul zilei" u.a. die Messerschmitt-Stiftung in München, die in diesem Freizeitpark angeblich Konkurrenz für ihre Vorhaben wittere. Wie eines der Blätter berichtet, sei der Auslandsnachrichtendienst (SIE) bereits auf der Spur jener, die sich im In- wie Ausland gegen das Projekt der rumänischen Regierung wenden. Als Hauptfeind bezeichnen die rumänischen Medien den "sächsischen Klerus", die "Oberhäupter der evangelischen Kirche", obwohl die Unterzeichner des Protests weder der evangelischen Glaubensgemeinschaft noch der deutschen Minderheit angehören. Aber anhören muss sich der evangelische Stadtpfarrer von Schäßburg, Hans Bruno Fröhlich, diese Kritik gegenüber seiner kritischen Vernunft.

Herr Stadtpfarrer Fröhlich, mit dem "Schäßburger Appell" haben Sie sich, wie Sie selbst sagen, in ein "Wespennest" gesetzt. Hatten Sie damit gerechnet?

Nein, zumal ich in einem öffentlichen Brief an den Bürgermeister unserer Stadt schon Ende Juli/Anfang August 2001 - aber ohne Erfolg - konkrete und brennende Fragen vor allem im Zusammenhang mit dem Festival der mittelalterlichen Kunst in Schäßburg gestellt hatte. Seit Jahren nimmt die Besucherzahl zwar stets zu, die Organisation jedoch wird immer schwächer. Durch das Festival haben wir beachtliche Schäden zu beklagen: Umgestoßene Grabsteine am Friedhof 1999, heuer gar wurde aus der Klosterkirche die Bibel vom Altar gestohlen. Das Festival hat also Formen angenommen, die die Stadtverwaltung ganz einfach überfordern. Deshalb hatte ich vorgeschlagen: Wenn man eine Sache nicht mehr in den Griff bekommt, so sollte man sie lieber abbrechen. Mal abgesehen davon, dass das Festival ja nur zu zehn Prozent mittelalterliche Kultur vermittelt und ansonsten ein Bierfest wie alle anderen ist.

Sind Sie demnach auch gegen besagtes Festival?

Nein, prinzipiell durchaus nicht, das wäre doch hirnverbrannt. Nur: So etwas kann man nicht in einer, geschweige denn in dieser unserer Burg und in solchem Ausmaß abhalten. Wenn es stattfindet, dann irgendwo draußen auf einem Stadion. Das also war der Ausgangspunkt für unseren Appell jüngst im Zusammenhang mit dem geplanten Dracula-Land. Wir befürchten, dass mit dem Dracula-Mythos eben auch nur eine gewisse Zielgruppe angesprochen wird. Kamen nämlich bislang nach Schäßburg Touristen, die ein ganz normales Interesse an der Geschichte der Stadt und darüber hinaus bekundeten, so könnten mit dem geplanten Freizeitpark Gruppen hierher strömen, denen selbst der Satanismus nicht fremd ist. Von daher meine Angst, die mir niemand nehmen kann und auch niemand mit Argumenten bisher gegensteuerte. Dafür erinnere ich nur an eine Begebenheit: Sieger irgend eines Dracula-Wettbewerbs einer ausländischen Fernsehanstalt wollten einmal das sog. Schänzchen von uns anmieten, um im Pfarrgarten dann irgend welche heidnische Rituale abzuziehen.

Dagegen kann man sich ja wehren.

Ich habe mich das getan und ihnen dies Vorhaben verwehrt. Bloß lebe ich nun einmal auf dieser Burg, was man übrigens vom Bürgermeister oder dem Tourismusminister, den Befürwortern dieser Freizeitpark-Idee, nicht behaupten kann. Und dabei erlebe ich immer wieder Gestalten, sonderbare Typen, die mit Sicherheit ihr Unwesen hier treiben. Auch weiß man unterdessen, dass mit dem Festival der mittelalterlichen Kunst Drogen nach Schäßburg kamen, die Prostitution zugenommen hat und Alkohol ohnehin massiv dabei verkauft wird, selbst an Jugendliche unter 18 Jahren. Das also meine ich mit dem von mir stets angesprochenen Bösen und nicht den Poltergeist, der, verkleidet in einem weißen Leintuch, hinter der Ecke lauert und den einen oder anderen erschreckt. Nein, ich meine das Böse, das durch den Menschen hierher, in die Burgmauern, hereingebracht wird, also ein ganz konkretes und ernstes Problem, welches ich zudem als Kirchenmensch dieser Stadt noch aufwerfe: Braucht Schäßburg so etwas?

Aber Paris lebt ja auch u.a. von einem Disney-Land?

Sicherlich, nur sind die Figuren von Walt Disney für Kinder gedacht, sprechen diese Zielgruppe an, was man von dem Vampir-Mythos so nicht behaupten kann. Jedoch den wolle man, das sagte der Bürgermeister von Schäßburg einmal wortwörtlich, mit diesem Freizeitpark "ausbeuten". Was heißt das nun: "Blutsaugen, Gewalt, Tod als Volksbelustigung bzw. Freizeitgestaltung?"

Vielleicht heißt es einfach nur Unterhaltung?

Das wissen wir Schäßburger eben nicht genau, weil es ja bislang und in diesem Zusammenhang leider nur Absichtserklärungen allgemeiner Art gab. Allein das lässt nun wiederum zwei weitere Feststellungen zu: Entweder es wird alles streng geheim gehalten, oder es gibt gar kein Projekt hierfür. Doch sollte es eines geben, das letztendlich unsere Stadt völlig verändern könnte, dann müsste dies Vorhaben ja für unsere Einwohner erst recht öffentlich, also zugänglich sein. Erinnern wir uns bloß an Ceausescus Zeiten, als der so genannte Systematisierungsplan von Schäßburg damals im Postgebäude, eben für alle zugänglich, ausgestellt wurde. So wusste man zumindest, in welche Richtung "systematisiert" wird. Derzeit weiß niemand, was es mit diesem Dracula-Land auf sich hat. Zunächst hörte man von einem kleinen Freizeitpark, dann kam ein Golfplatz hinzu, selbst von einem Tierpark ist angeblich die Rede wie jüngst dann noch von einem Amphitheater für 30 000 Zuschauer. Und all das auf der "Schäßburger Breite" (70 Hektar stehen unter Naturschutz - Anm. d. Red.) und ursprünglich für 60 Hektar vorgesehen, jetzt sollen es plötzlich 120 Hektar werden. Was steckt also dahinter: Nur Dilettantismus oder doch einiges mehr? Denn die vehementen Reaktionen und persönlichen Beleidigungen, jüngst in einigen Medien an unsere Adresse gerichtet, veranlassen mich einmal mehr, diesen Entwurf zu hinterfragen. Und Fragen dürfen wir, hoffentlich, noch stellen.

An wen diese Fragen gerichtet sind, ist klar, nur: Gegen was sind sie gerichtet?

Das ist eine gute Frage, und darum müsste sich nun endlich herausstellen, ob wir vielleicht überhaupt nur gegen ein Phantom ankämpften. Auf alle Fälle aber haben wir im Vorfeld dieses Disputs weder jemanden verbal angegriffen noch persönlich beleidigt, sondern bloß unsere Meinung gesagt. Wir sind, wie gesagt, nicht gegen einen Freizeitpark, lediglich gegen ein so genanntes Dacula-Land, weil es der Stadt im Allgemeinen und unserer sächsischen Geschichte unwürdig ist. Das soll nun nicht nationalistisch ausgelegt werden. Es geht vielmehr darum, dass über diesen Freizeitpark die Geschichte der Stadt insgesamt nicht verfälscht wird. Denn davor habe ich Angst.

Der Freizeitpark jedoch wird etwa sechs Kilometer außerhalb der Stadt angelegt, das Treiben dort könnte mitunter auf die Burg nicht überschwappen.

Wenn die Zahlen stimmen, die in diesem Zusammenhang herumgereicht werden, dann sollte man selbst damit vorsichtig umgehen, denn wer ins Dracula-Land von weither kommt, der wird sich schließlich die Gelegenheit nicht nehmen lassen, auch unsere Stadt zu besichtigen. Mamaia hatte beispielsweise mit seinen Hotels, die sich auf sieben Kilometer aneinander reihen, in der verstrichenen Saison etwa 600 000 Badegäste. Schäßburg kann hingegen mit seiner Infrastruktur derzeit keine Million Besucher aufnehmen. Auch 500 000 wären schon zu viel. Rechnen wir mit dem offiziell veranschlagten Touristenstrom, so ergäbe das einen täglichen Schnitt von bis zu 3 000 Besuchern, in den Sommermonaten könnten es sogar 5 000 an einem Tag sein. Eine wahre Völkerwanderung, wenn man bedenkt, dass im letzten August die Bergkirche, heuer erstmals für eine breite Besichtigung frei gegeben, etwa genau so viele Besucher in einem vollen Monat anlockte, nun sollen es, wie gesagt, 5 000 an einem Tag sein. Da platzen wir aus den Nähten.

Die Touristikbranche rechnet aber offenbar anders, bei ihr soll auf alle Fälle die Kasse stimmen.

Nun gut, dann rechnen wir auch mal anders. Für die 5 000 Gäste bräuchte man glatt etwa zehn Jumbo-Jets, die täglich landen müssten. In Hermannstadt oder anderswo in nächstem Umkreis können sie das nicht, sondern nur in Bukarest. Stellen sie sich jetzt den Verkehrstau vor, der zwischen Schäßburg und Reps entstehen würde, denn wir liegen ja an einer einfachen Landstraße und nicht an einer Autobahn wie Köln oder Paris mit ihren Unterhaltungsparks.

Also liegen Sie auch rechnerisch richtig mit ihrem Appell. Nur: Wie viele Schäßburger haben sich mittlerweile dem Aufruf angeschlossen, um damit auch rechnerisch Erfolg zu haben?

Wir haben noch nicht alle Listen mit Unterschriften zentralisiert, aber 200 dürften es mittlerweile sein. Immer mehr Bürger, namhafte Persönlichkeiten der Stadt und eben nicht nur Sachsen befürworten die Bürgerinitiative, die den Stein ins Rollen brachte. Denn bislang hat man ja nur in populistischen Kategorien darüber gesprochen, der einfache Mann machte sich von daher auch keine Gedanken darüber.

Gab es aber mittlerweile Reaktionen auf Ihr öffentliches Schreiben von offizieller Seite?

Eigentlich kaum, mehr indirekt über die Medien, wie gesagt. Der Bürgermeister, seiner Zeit als Mitglied der Allianz für Rumänien (ApR) in diese Funktion gewählt und auch vom Deutschen Forum damals unterstützt, hat zwar mittlerweile die politische Front gewechselt, ist aber als Angehöriger nun der Regierungspartei PSD dennoch mit einem Gesprächsangebot jüngst an uns herangetreten. Allerdings hatte er kurz zuvor in einem Interview einen unserer prominentesten Mitunterzeichner, Dr. Alexandru Gota, und unsere sächsischen Landsleute, die zum Schäßburger Treffen jüngst gekommen waren, heftig angegriffen. Also warten wir ab, was das Gespräch bringt - vielleicht sogar bevor das Projekt, wie es nun heißt, in Bukarest und dann in Schäßburg vorgestellt werden soll.

Und wie könnte das Ministerium nun auf dieses Ihr Schreiben reagieren?

Ich bin Pfarrer, kein Prophet, von daher weiß ich das nicht. Aber da unser Schreiben weit über die eigentliche Initiativgruppe hinaus Wirkung gezeigt, also die unterschiedlichsten Persönlichkeiten angesprochen hat, hoffen wir auf einen konstruktiven Dialog mit allen Verantwortungsträgern. Denn gegen ein Projekt in kleinerem Rahmen ist nichts einzuwenden, und die Bezeichnung Dracula-Park könnte ohne weiteres mit "Castrum Sex" (erste urkundliche Erwähnung Schäßburgs), "Mittelalterliches Schäßburg" o. Ä. ersetzt werden. Schäßburg hat nun einmal die Burg, und die ist das Wahrzeichen Stadt. Davon sollte man, unserer Meinung nach, ausgehen und nicht von einem Dracula-Mythos, der moralisch zu hinterfragen ist. Mal abgesehen von der Frage: Was mit dem Ökosystem auf der Breite? Zudem sind Freizeitparks dieser Art offenbar auch nicht mehr so wirtschaftlich, einige, so heißt es, befinden sich weltweit bereits in roten Zahlen.

Sorgt der sanfte Kulturtourismus, für den Sie sich einsetzen, aber für schwarze Zahlen?

Wie gesagt, wir haben heuer erstmals die Bergkirche zur Besichtigung freigegeben und sind über die Einnahmen zu Zahlern der Mehrwertsteuer geworden. Das sagte eigentlich alles, obwohl wir damit bei weitem noch nicht alle Baudenkmäler und Sehenswürdigkeiten Schäßburgs erwähnten.

Herr Stadtpfarrer, wir danken für dieses Gespräch.

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 18 vom 15. November 2001, Seite 2)

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