7. November 2001

Humanismus europäischer Prägung

Reformation zwischen Ost und West. Valentin Wagners griechischer Katechismus (Kronstadt 1550). Köln: Böhlau Verlag, 2000 (Schriften zur Landeskunde Siebenbürgens, Band 23), 388 Seiten, 76,00 DM; ISBN: 3-412-12699-3.
Valentin Wagner (~1510 - 2. September 1557), Kronstadts Stadtpfarrer 1549-1557, stand in der historischen Forschung meist im Schatten seines Lehrers und Vorgängers Johannes Honterus. Durch die kritische Edition seiner Katechesis, einem reformatorischen Katechismus in Dialogform, tritt Wagner nun auch für ein breiteres Publikum in den Mittelpunkt des Interesses. Die Stadtreformation Kronstadts wird - insbesondere hinsichtlich ihres historisch-kulturellen Hintergrunds und im Zusammenhang europäisch orientierter humanistischer Prägung - sehr viel fundierter als bisher verständlich. Wer an den vielseitigen Querverbindungen des Kronstädter Stadtpatriziates - auch über die theologischen Beziehungen hinaus - nach Osten wie nach Westen im Zeitalter der osmanischen Bedrohung interessiert ist, wird gerne zu diesem Buch und seiner die vielen Facetten der dramatischen Zeit ausleuchtenden, umfassenden Einleitung greifen.
Die vorbildliche Edition des griechischen Textes und die gegenübergestellte gelungene, sehr gut lesbare Übersetzung bieten nun leicht zugänglich einen direkten Einblick in das erste eigenständige, rein theologische Werk der siebenbürgischen, insbesondere Kronstädter Reformatoren. Die wichtigsten Hintergrundinformationen finden sich in Müllers Einleitung und darüber hinaus in den ausgezeichneten Fußnotenhinweisen, die der Übersetzung beigegeben sind. Müller kann nachweisen, dass Wagners Katechismus die Theologie der Wittenberger Reformatoren, insbesondere Melanchthons weitestgehend übernommen hat. Zielgruppen seines Werkes sind einerseits die Griechisch-Schüler zunächst des Kronstädter Gymnasiums, andererseits griechisch-orthodoxe Theologen, denen die reformatorische Theologie in Form eines Gesprächsangebots vorgelegt wurde. Allerdings sind nach Müllers Auffassung trotz gewissen Entgegenkommens in Einzelfragen auf Grund kontroverser Topoi keine günstigen Bedingungen für eine unbelastete gegenseitige Kommunikation geschaffen worden. Die orthodoxe Adressatengruppe hat nach Müllers Archivstudien den Katechismus Wagners dementsprechend fast nicht wahrgenommen.
Immerhin gebührt Andreas Müller für seine gleichzeitig erschienene Dissertation ("Humanistisch geprägte Reformation an der Grenze von östlichem und westlichem Christentum") und die daraus hervorgegangene, hier angezeigte Edition große Anerkennung, dieses über Siebenbürgen hinaus - in Richtung Byzanz - bedeutsame Werk angemessen gewürdigt zu haben: als Pioniertat reformatorischer Theologie.

Ulrich Wien


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 18 vom 15. November 2001, Seite 7)

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