10. November 2001

Russlanddeportierte nur symbolisch rehabilitiert

Im Januar 1945 wurde die Mehrheit der arbeitsfähigen Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben zur Zwangsarbeit nach Russland verschleppt. Arbeitsleistung erfolgte in Bergwerken, Fabriken, Steinbrüchen etc. unter Lagerbedingungen. Viele Landsleute haben diese Verschleppung nicht überlebt, andere haben bleibende Schäden erleiden müssen. Dieses und viele Anfragen von Überlebenden haben dazu geführt, dass der Bundesvorstand der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V. eine Überprüfung der Sach- und Rechtslage mit folgendem Ergebnis vorgenommen hat.
Der Tatbestand der Russlandverschleppung wurde in der deutschen Gesetzgebung an unterschiedlichen Stellen berücksichtigt:
Im Fremdrentenrecht (FRG): Die Zeiten der Verschleppung nach Russland werden als Ersatzzeiten gemäß § 250 SGB VI anerkannt, wenn nicht gleichzeitig eine Beitragszeit gemäß § 15 oder eine Beschäftigungszeit gemäß § 16 FRG vorliegt. Da Verschleppte regelmäßig gearbeitet haben und nach russischem Sozialrecht eine Versicherungspflicht und Beitragszahlung unabhängig vom Zwangsverhältnis entsteht, wurden daher regelmäßig Beitragszeiten zurückgelegt, die gemäß § 15 FRG als glaubhafte Beitragszeit anerkannt werden. Eine „Auffüllung“ des fehlenden 1/6 durch die parallel vorliegende Ersatzzeit ist rechtlich unzulässig. Wenn z.B. wegen Erkrankung nicht gearbeitet wurde, werden Ersatzzeiten anerkannt, die als beitragsfreie Zeiten mit einem Durchschnittswert bewertet werden. Damit ist festzustellen, dass die Zeiten der Verschleppung nach Russland in der Rentenversicherung als Anwartschaft berücksichtigt werden. Diese Anrechnung entschädigt für die geleistete Arbeit. Die Verschleppung als solche findet in der Rentenversicherung keinen Niederschlag.
Im Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz - BVG) sind ebenfalls Leistungen für diese Tatbestände vorgesehen: Unabhängig davon, ob Betroffene nach Deutschland zugezogen sind oder noch in Rumänien leben, wird für die Schädigung von Zivilpersonen infolge einer Internierung wegen deutscher Volkszugehörigkeit im Ausland (also auch infolge der Russlandverschleppung) eine Beschädigten-Teilversorgung gezahlt. Voraussetzung ist jedoch, dass ein Schaden eingetreten ist, der zu gesundheitlichen Folgen geführt hat. Auch Hinterbliebene können Leistungen erhalten, wenn Betroffene während der Verschleppung oder auf Grund der Folgen verstorben sind. Solche Leistungen werden vom Versorgungsamt gezahlt. Wenn Betroffene noch in Rumänien wohnen, sind Anträge an das Versorgungsamt Gelsenkirchen, Vattmannstraße 2-8, 45879 Gelsenkirchen, zu richten. Zu betonen ist jedoch auch hier, dass für den Tatbestand der Verschleppung an sich keinerlei Leistungen vorgesehen sind und lediglich ein zusätzlich entstandener Gesundheitsschaden entschädigt wird.
In sonstigen Rechtsgebieten sind keine Entschädigungsregeln für dieses Unrecht enthalten; insbesondere sind nach dem Häftlingshilfegesetz und dem Lastenausgleichsgesetz keine Leistungen für die Deportation vorgesehen.
Zusammenfassend ist eine Entschädigung bisher zwar für Folgeschäden (Gesundheitsschäden) erfolgt und ein Ausgleich der entgangenen Anwartschaft in der Rentenversicherung geschaffen worden. Das Verschleppungsunrecht als Kriegsfolgeschicksal ist bisher nicht gesondert entschädigt worden, sondern war mit Argument und Grundlage für die Schaffung des gesamten Vertriebenenrechts. Mit dem Argument des allgemeinen Kriegsfolgeschicksals sieht die derzeitige Bundesregierung "keinerlei Veranlassung zur Prüfung weiterer Entschädigungsansätze".
Materiellen Entschädigungsforderungen gegen andere tangierte Länder (Rumänien, Russland) dürften schon auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse in diesen Ländern nicht realisierbar sein, auch wenn Entschädigungsanlass begründet werden könnte. Damit bleiben eine symbolische Rehabilitierung und eine Anerkennung des Unrechts vermutlich die einzige Wiedergutmachung. Der Staatspräsident Rumäniens Ion Iliescu hat in einer Erklärung von Januar 1995 die Verschleppung unserer Landsleute zur Zwangsarbeit nach Russland öffentlich bedauert. Es bleibt abzuwarten, ob sich auch der Nutznießer der u.a. auch von deportierten Siebenbürgerinnen und Siebenbürgern geleistete Zwangsarbeit zu einer entsprechenden symbolischen Geste durchringt.
Die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen wird sich in Abstimmung mit den Landsmannschaften der Banater und Sathmarer Schwaben auch weiterhin aktiv für die öffentliche Anerkennung dieses Schicksals in einem in Frieden und Freiheit zusammenwachsenden Europa einsetzen.

Bernd B. Fabritius, stellvertretender Bundesvorsitzender

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