23. November 2001

Dracula-Park wird trotz Proteste aufgezogen

Trotz vielseitiger Proteste will der rumänische Tourismusminister den Horror-Freizeitpark auf der Breite bei Schäßburg aufziehen und verteilt dabei massive Seitenhiebe an Kritiker des unrealistischen Vorhabens. Selbst die Gemeindienste werden zur Durchsetzung des Gruselparks eingesetzt (wir berichteten). Die Parlamentarische Fraktion der Liberalen (PNL) und ihr Fachmann, Architekt Hermann Fabini, befürworten indessen als alternativen Standort die Törzburg (Bran) bei Kronstadt, wo man auf eine wesentlich bessere touristische Infrastruktur aufbauen kann.
Der evangelische Pastor sei nicht ganz bei Trost, die UNESCO ohnehin eine überholte Einrichtung. Auch mit diesen Argumenten eines Ministerberaters hat sich das rumänische Tourismusministerium den Weg frei geschaufelt für die Errichtung des Dracula-Parkes, so auf der Schäßburger Breite. So geschehen am 5. November, als das Projekt erstmals öffentlich in Bukarest vorgestellt wurde, und so gesagt danach in einem Fernsehinterview mit Ausstrahlung im ganzen Land. Der Ministerialbeamte zielte damit auf den Schäßburger Stadtpfarrer Bruno Fröhlich, einen Kritiker des überdimensionierten Freizeitparks, äußerte sich aber auch abschätzend über den UNESCO-Beschluss von Dezember 1999, wonach der mittelalterliche Stadtkern von Schäßburg - zusammen mit zurzeit 600 anderen Denkmälern - zum Weltkulturerbe gehört. Tourismusminister Dan Matei-Agathon ließ bei der Präsentation in Bukarest wissen, dass der Dracula-Park gebaut werde, "ob es nun einigen passt oder nicht." Es sei dies schließlich ein Regierungsbeschluss, und in diesem wohl spektakulärsten Projekt zu Beginn des neuen Jahrtausend sehe er ein Symbol für den neuen Aufschwung des rumänischen Tourismus.
Damit wurde den Gegnern der Freizeitparks der Wind fast restlos aus den Segeln genommen und mithin jedwelche Proteste für überflüssig erklärt. Dennoch wolle man das Vorhaben am 20. November den Schäßburgern und auch den Protestlern vor Ort präsentieren. Agathon ließ dabei jetzt schon durchblicken, dass mittlerweile in der Stadt mit dem Stundturm und darüber hinaus nicht nur Bürgerinitiativen gegen, sondern auch solche für den Bau des thematischen Freizeitparks gegründet worden seien. Und Letztere befürworten nun einmal durchwegs die ministeriellen Argumente: 3 000 Arbeitsplätze werde das über 30 Millionen Dollar teuere Objekt schaffen und nach Abschluss einen jährlichen Reingewinn von 12 Millionen Dollar abwerfen. Etwa umgerechnet fünf Dollar solle nämlich der Eintritt ausmachen, mit gut einer Million Besucher rechnet man jährlich. Der Lokalrat und die Stadtverwaltung von Schäßburg als Hauptaktionär des "Wirtschaftsunternehmens" könnten den Reingewinn in Restaurierungsprojekte dieser "einzig in Europa bewohnten germanischen Burg" (Agathon) investieren.
Von einer Verbindung über Drahtseilbahn zwischen Dracula-Land auf der Breite und der Burg hat der Minister zunächst Abstand genommen. Dafür ist Folgendes nach dem voraussichtlichen Spatenstich im Frühjahr 2002 vorgesehen: ein Schloss mit hohem Aussichtsturm über einer Schlucht, ein großes Amphitheater, ein künstlicher See, Sportplätze, Schwimmbecken, Restaurants, Bars, Verkaufsläden, ein Gestüt, unterirdische Gänge und Hotels wie Pensionen mit rund 700 Betten. Das Ganze sei demnach ein Unterhaltungs- und kein Gruselpark, hieß es von offizieller Seite. Und selbst wenn ein internationales Institut für Vampirologie mit Fachbibliothek, Konferenzräumen und anderen Veranstaltungssälen hierfür vorgesehen sind, so werde man Dracula im Vergnüngspark nicht als blutsaugende Horrorgestalt vorführen, sondern eher als Figur, über die man lachen und sich lustig machen könne, Agathon verwendete dafür den rumänischen Ausdruck "mis'to". Roter Tomatensaft werde demnach auf der Breite en masse nicht fließen, und die unter Naturschutz stehenden Eichen sollen desgleichen in den Vergnügungspark naturschutzgerecht integriert werden, erklärte der Minister in den Medien. Der Minister zeigte sich zuversichtlich mit Blick auf die Präsentation in Schäßburg, denn "auch die deutsche Gemeinschaft in Rumänien sei für das Projekt", hieß es gleichfalls in Ministerialkreisen.
"Das sei nicht wahr", dementierte während einer aktuellen Stunde im rumänischen Parlament von Wolfgang Wittstock, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR), der von der Mehrheit der deutschen Minderheit zu ihrem Abgeordneten gewählt worden war. In diesen beiden Funktionen kritisierte Wittstock vor den Abgeordneten mit nachdrücklich den Freizeitpark, der auf der Schäßburger Breite entstehen soll.
Wenige Tage trat auch Architekt Dr. Hermann Fabini in gleicher Sache an die Öffentlichkeit. Die parlamentarische Fraktion der Nationalliberalen (PNL) hatte den Experten in Sachen Denkmalschutz an die Front geschickt, obgleich der erwähnte Ministerialberater noch am selben Abend Fabini als "einen einfachen Fassadenrestaurateur" abwertete. Fabini und die PNL-Fraktion machten in ihrer Stellungnahme auf eine Region aufmerksam, die schon vom Relief her mehr als die Schäßburger Breite zu bieten hat und überdies dem Dracula-Mythos näher steht: die Törzburg und ihre Umgebung. Auf einer Sondersitzung hatte kurz zuvor auch der Kronstädter Kreisrat in Absprache mit den Bürgermeistern von Rosenau, Bran (Törzburg) und Predeal als mögliche Alternative zur Schäßburger Breite eben dies an Kronstadt grenzende "Dreieck" als Standort für den Dracula-Park vorgeschlagen. Ihr überzeugendes Argument neben vielen anderen: Hier gibt es bereits 10 000 Unterkunftsplätze.
Dass die Regierung und die Regierungspartei PSD den "liberalen" Vorstoß aus der Opposition nicht dulden werde, war von Anfang an klar. Beobachter der politischen Szene meinten, dass aus dem Unterhaltungspark nun ein Politikum gemacht werde. Einen Vorgeschmack darauf lieferten jüngst in einer Talkshow auf OTV je ein Vertreter der Liberalen und Sozialdemokraten, indem sie stritten wie es sprichwörtlich nur noch Zigeuner vor ihren Zelten tun. Der Regierungsvertreter verließ das Studio bei laufender Kamera angeblich "aus Protest", die Fernsehzuschauer konnten sich dann in Ruhe die Argumente der Gegenpartei anhören. Doch bei dem wird es wohl nicht bleiben, Fortsetzungen mit oder ohne Tomaten(saft) werden mit Sicherheit noch folgen.

Martin Ohnweiler


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Gegner des Dracula-Landes als Verräter diffamiert, Interview mit Stadtpfarrer Bruno Fröhlich, Siebenbürgische Zeitung-Online, 6. November 2001

Dieter Schlesak zum Dracula-Park in Schäßburg¸ Siebenbürgische Zeitung-Online, 22. November 2001

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