15. Dezember 2001

Klare Absage an "Dracula-Park"

Das Thema „Dracula-Park“ und sein Standort auf der Breite bei Schäßburg haben in den letzten Monaten wie selten die Gemüter von hüben und drüben erhitzt. Mit dem Thema hat sich auch der Siebenbürgisch-Sächsische Kulturrat in seiner Sitzung vom 10. November beschäftigt (diese Zeitung berichtete). Seine Stellungnahme wird im Folgenden abgedruckt.
Auf die sehr ernsthaft und gut dokumentiert vorgetragenen Bedenken gegen den Standort eines Vergnügungsparks in Schäßburg und auch gegen seine Thematisierung haben die Befürworter – in der Hauptsache Tourismusminister Dan Matei Agathon und seine Mannschaft – bedauerlicherweise unqualifiziert und in einem Ton reagiert, der auch ein minimales Verständnis für freiheitlich-demokratische Regeln der freien Meinungsäußerung vermissen lässt. Auch die vor kurzem veröffentlichte und sorgfältig recherchierte Stellungnahme von Architekt Dr. Hermann Fabini, der einen alternativen Standort des Parkes im Umfeld von Rosenau-Törzburg anbietet, wurde durch Minister Agathon aus politisch Überlegungen demontiert, da Fabini Senator der oppositionellen Nationalliberalen Partei ist. Das hat den Minister wohl letztlich darin bestärkt, den Regierungsbeschluss vom 12. Juli 2001 nun erst recht umzusetzen.
Der Regierungsbeschluss enthält unter Punkt 1 die Genehmigung eines „Spezialprogramms für die touristische Entwicklung des Schäßburger Gebietes“ als Programm von nationalem Interesse sowie Details seiner Umsetzung, was an und für sich durchaus zu begrüßen ist. Unter den Schwerpunkten des im Anhang vorgestellten Spezialprogramms steht die Revitalisierung und Sanierung der Altstadt von Schäßburg, seit Ende 1999 auf der Welterbeliste der UNESCO, an erster Stelle – was auch die Unterzeichnung des Beschlusses durch den Kulturministers verständlich macht. Inwieweit diese deklaratorische Absicht nur als Mittel zum Zweck des unter Punkt 2 vermerkten Vergnügungsparks „Dracula-Land“ anzusehen ist, gehört in den Bereich der Spekulation und mag dahingestellt bleiben. Verwunderlich ist es schon, wenn nach Veröffentlichung des Regierungsbeschlusses ausschließlich über das „Dracula-Land“ diskutiert wurde, sind doch im Spezialprogramm neben Vergnügungspark, Anlage eines Golfplatzes oder einer Seilbahn von der Altstadt zum Parkgelände auch weitere, für die Stadt überaus wichtige und notwendige Maßnahmen vorgesehen: Neben der denkmalpflegerischen Instandsetzung der Altstadt sind die Sanierung beziehungsweise Verbesserung von Kanalisation, Wegenetz und Infrastruktur ebenso enthalten wie die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit – kein Wunder also, wenn der Schäßburger Stadtrat voll dahinter steht und sich davon die Lösung sämtlicher Probleme verspricht.
Mangels Transparenz hinsichtlich der planerischen Absichten von Standort (im Spezialprogramm übrigens nicht benannt) und Parkgestaltung wurden in den rumänischen Medien sehr viele Spekulationen und Fehlinformationen verbreitet, wie z.B. die Einrichtung des Parks innerhalb der Burg, die Evakuierung der Burg (einschließlich Kirche, Schule usw.) und ihre Umwandlung in ein reines Touristenzentrum mit Hotels und Restaurants. Die mangelnden Informationen über tatsächliche Planung und ihre Auswirkungen sind auch der Hauptgrund, weshalb sich der Siebenbürgisch-Sächsische Kulturrat bislang zu dem Projekt „Dracula Land“ nicht grundsätzlich äußern mochte. Das bedeutet keineswegs, dass die Mitgliedsverbände untätig gewesen wären: Bereits im Vorgriff, während und auch nach dem Treffen der Schäßburger in ihrer Heimatstadt (19.-20. Oktober), hatten die Vertreter der HOG Schäßburg mehrfach schriftlich und mündlich gegen das Vorhaben protestiert und Bürgermeister, Stadtrat und auch Tourismusminister Agathon persönlich Alternativen zur Revitalisierung der Altstadt aufgezeigt und tatkräftige Hilfe zugesichert.
Während seiner Herbstsitzung hat der Kulturrat nach der Aufnahme der Evangelischen Landeskirche A.B. in Rumänien und des Demokratischen Forums der Deutschen in Siebenbürgen (DFDS) als neue Mitglieder auch über das "Dracula-Land" beraten und einstimmig beschlossen, eine grundsätzliche Stellungnahme dazu mit den Vertretern der beiden neuen Mitgliedsverbände abzustimmen. Über die kritische Haltung des DFDR und seines Vorsitzenden Wolfgang Wittstock gegenüber dem Dracula-Projekt in Schäßburg hat die Siebenbürgische Zeitung bereits am 30. November 2001, Seite 3, berichtet. Die gleiche ablehnene Position vertritt selbstverständlich auch das Siebenbürgenforum und dessen Vorsitzender Dr. Jürgen Porr. Mit Schreiben vom 5. November hat das Landeskonsistorium der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien einen von der Landeskirchenversammlung am 3. November verabschiedeten Protest an Tourismusminister Agathon gerichtet, in welchem die Einrichtung des thematischen Vergnügungsparks „Dracula-Land“ in und neben Schäßburg eindeutig abgelehnt wird. In der Begründung heißt es, dass zum einen durch die Förderung von Vergnügungs- und Gesellschaftsspielen, gekennzeichnet durch Grausamkeit, Horror, Okkultismus und Vampirismus einschließlich der Bezeichnung „Dracula-Land“ die allgemein anerkannten christlichen und menschlichen Prinzipien und Werte gefährdet sind, zum anderen die Errichtung des Parks auf einem 120 Hektar umfassenden Gelände eines im Lande einzigartigen Naturschutzgebietes mit über 400 Jahre alten Eichen gesetzeswidrig ist und gegen jedwelche Regeln von Umweltschutz, Ökologie und Naturschutz verstößt und dass schließlich die Altstadt von Schäßburg auf der Weltkulturerbe-Liste der UNESCO enthalten ist – eine „Perle Siebenbürgens“, 1280 als sechste befestigte Burg (Castrum Sex) erstmals erwähnt. Daher fordert das Landeskonsistorium den Verzicht auf dieses Projekt zugunsten eines tragfähigen Tourismus unter Nutzung der natürlichen, kulturellen, historischen und ländlichen Gegebenheiten für diese einzige noch bewohnte mittelalterliche Burg im Südosten Europas. Diese Haltung wie auch ihre Begründung werden seitens des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrates vollinhaltlich geteilt.
Bekanntlich hat der Tourismusminister sämtliche Proteste und Bedenken buchstäblich vom Tisch gefegt und das Projekt „Dracula-Land“, das mittlerweile in "Dracula-Park" umbenannt wurde, am 5. November in Presse und Fernsehen und am 20. November den Schäßburger Bürgern öffentlich vorgestellt, nachdem der Senat des rumänischen Parlaments der Umsetzung des Regierungsbeschlusses – wenn auch nur mit knapperer Mehrheit – zugestimmt hatte (siehe Bericht auf Seite 3). Noch liegt bei der Rumänischen Nationalkommission für Denkmalpflege kein Projekt-Antrag zwecks Erteilung der denkmalpflegerischen Erlaubnis vor. Ohne diese Erlaubnis seitens der Obersten Denkmalbehörde ist nach rumänischer Gesetzgebung eine Umsetzung des Projektes nicht möglich. Ein Votum des Welterbekomitees der UNESCO wird erst während seiner turnusmäßigen Sitzung Mitte Dezember in Helsinki erwartet.
Minister Agathon ist gewillt - allen sachlichen Einwänden zum Trotz - den "Dracula-Park" bei Schäßburg aufzuziehen. Man kann nur abwarten und hoffen, dass die Revitalisierung und Instandsetzung der Altstadt dabei nicht zu kurz kommen.

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