19. Dezember 2001

Geschichten rund um den Handball in Siebenbürgen (IV)

Meister Schäßburg verliert seine besten Spieler: Hermann Kamilli, Rudolf Eder und Karl Adleff kommen ins Arbeitslager an den Donau-Kanal / 1946 wird der Spielbetrieb wieder aufgenommen
Nach Angaben des Olympiateilnehmers Stefan Zoller wird in Rumänien gleich nach dem Krieg wieder Handball gespielt. Die erste Mannschaft nach dem Krieg heißt in Hermannstadt CFR, die bald von Derubau übernommen wird. Die erste Nachkriegsmannschaft in Schäßburg ist Victoria und in Mediasch Karres. Die vier ersten Meisterschaften machen Siebenbürger und Banater Mannschaften fast unter sich aus. Den ersten Nachkriegsmeister stellt die neu gegründete Mannschaft Victoria Schäßburg. Warum dieser erste Meister nach dem Krieg in keiner Statistik auftaucht, müsste noch ergründet werden. Der Meister 1946 ist eine Mannschaft, der ausschließlich Deutsche angehören. Die Macher sind Trainer Hans Kraus und einige Rumänen und Juden, „die jedoch begeistert bei der Sache sind“, berichtet Walter Lingner, der dieser Meistermannschaft als 16-Jähriger angehört.
Victoria (CSM) Schäßburg, zweifacher Landesmeister 1948: oben von links: Hermann Kamilli, Otto Schuster, Hans Zultner, Walter Schmidt, Walter Lingner, Rudolf Eder, Richard Löw, Moszes Balazs, Karl Adleff, Hans Theil; mittlere Reihe: Emil Turjan (Obmann), Hans Kraus (Trainer), Ingmar Weiß, Gerda Engygedy, Grete Sancu, Ilse Wonnerth, Cornel Popa (Vereinspräsident), Martha Siegmund, Liane Roth, Frieda Herberth, Ladislaus Bock (Vereinsobmann), Sandor Mehler, Ioan Weber; kniend: Wiltrud Wagner, Anna Sancu, Stoian, Edith Deppner, Hans Lehni, Adele Theil und Hermi Ehrmann.
Victoria (CSM) Schäßburg, zweifacher Landesmeister 1948: oben von links: Hermann Kamilli, Otto Schuster, Hans Zultner, Walter Schmidt, Walter Lingner, Rudolf Eder, Richard Löw, Moszes Balazs, Karl Adleff, Hans Theil; mittlere Reihe: Emil Turjan (Obmann), Hans Kraus (Trainer), Ingmar Weiß, Gerda Engygedy, Grete Sancu, Ilse Wonnerth, Cornel Popa (Vereinspräsident), Martha Siegmund, Liane Roth, Frieda Herberth, Ladislaus Bock (Vereinsobmann), Sandor Mehler, Ioan Weber; kniend: Wiltrud Wagner, Anna Sancu, Stoian, Edith Deppner, Hans Lehni, Adele Theil und Hermi Ehrmann.

Zwischendurch entscheidet Otto Schmitz mit Karres Mediasch die Meisterschaft für sich.
1948 ist die Reihe wieder an Schäßburg, und zwar an dem Arbeitersportklub CSM, dem Nachfolger der Victoria. Es sollte ihr letzter Erfolg sein. Ein Jahr darauf stellt wieder Hermannstadt den Landesmeister im Großfeldhandball, und zwar mit Derubau unter ihrem Trainer Franz Monis. 1950 wird Arsenal Hermannstadt durch einen 2:1-Sieg im in Bukarest ausgetragenen Finale gegen CCA Pokalsieger. Wie Ernst Wolf berichtet, haben Willi Kirschner und Willi Schoger die Hermannstädter Treffer erzielt. Damit ist die glorreiche Hermannstädter Handball-Ära beendet.
1950 werden drei der besten Schäßburger Spieler verhaftet und ins Arbeitslager an den Donau-Schwarz-Meer-Kanal geschickt: Hermann Kamilli, Rudolf Eder und Karl Adleff. Eder und Kamilli wurden am 2. Juni 1950 nach der Rückkehr von einem Spiel in Temeswar, Adleff ein paar Tage zuvor von der Securitate festgenommen. Wie Eder auf Anfrage mitteilte, sei ihm vorgeworfen worden, sich despektierlich über Stalin geäußert zu haben. Der wahre Grund der Internierung sei jedoch gewesen, dass man Arbeitskräfte am Kanal gebraucht habe. Eder hatte Victoria Schäßburg 1947 als Trainer von Hans Kraus übernommen und 1948 sowohl die Männer- als auch Frauenmannschaft zur Meisterschaft geführt.
Auch auf dem Dorf wird gleich nach dem Krieg wieder Handball gespielt. In Lowrin in der Banater Heide beispielsweise, wo Anton P. Petri 1938 das Handballspiel einführt und die ersten Spiele gegen Temeswarer Banatia-Schüler austrägt, werden die ersten Spiele 1946 gegen Mannschaften aus den Nachbargemeinden Bogarosch, Gottlob und Alexanderhausen gespielt. Das hat er langjährige Lowriner Torwart Franz Kernweisz in einer Statistik festgehalten, die von 1946 bis 1960 reicht und in der alle Spieler und Ergebnisse festgehalten sind.
Zu den Spielern, die vor dem Krieg für Lowrin eingesetzt wurden, gehören neben Petri ferner Hans Saal, Peter Pflanzner, Jobb Kaspar, Adam Schnell, Hans Szekeres, Josef Appel und Anton Hügel. Auch in der Mannschaft von 1946 ist kein rumänischer Name zu finden. Die Spieler der neu gegründten Nachkriegsmannschaft sind: Heinrich Kernweisz, Anton P. Petri, Matthias Heinrich, Johann Maurer, Josef S. Adorf, Ludwig Wehr, Josef Braun, Josef Werner, Nikolaus Rosier, Matthias Recktenwald, Johann Remich und Nikolaus Bartzer. Bis zum Jahr 1960 wird es in der Lowriner Mannschaft zwei rumänische Spieler geben. 1954 stößt Gheorghe Stanica zur Mannschaft und 1960 Rusu.
Die eigentliche Geburtsstunde des Frauenhandballs in Rumänien ist mit dem Kriegsende gleichzusetzen. 1945 wird in Hermannstadt über Nacht eine Mädchenmannschaft zusammengestellt, um am ersten Jugendpokalwettbewerb teilnehmen zu können. Sie gewinnt diesen Pokal und stellt den Stamm der ASK-Mannschaft. Ihr gehören an: Marianne Adami, Magda Draser, Anni Schuller, Lisbeth Bock, Rita und Jutta Haffer, Liese Kenst, Berta Klemens Gudrun Loew, Anni Akerl und Marianne Fleischer. Den Meistertitel 1948 sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern gewinnt GSMS Schäßburg. Eine Reihe von Spielerinnen werden in der rumänischen Nationalmannschaft stehen, die 1956 in Frankfurt am Main den ersten Weltmeistertitel für Rumänien gewinnt. Diese Erfolge werden 1961 von Ilse Hoffmann, Sofi Schenker, Martha Siegmund, Liane Roth, Adele Theil, Lucia Dobre, Marianne Kapp, Adina Albu, Sigrid Feiri, Herhild Schuster, Erika Theil, Gundula Birthelmer, Sunhild Kieltsch, Renate Adorian und Doina Buta auf dem Kleinfeld weitergeführt.
Den Meistertitel 1948 gewinnt GSMS Schäßburg sowohl bei den Frauen als auch den Männern. In der Schäßburger Meistermannschaft stehen: Gerda Enygedy, Grete Sancu, Ilse Wonnerth, Martha Siegmund, Liane Roth, Frieda Berberth, Wiltrud Wagner, Anna Sancu, Edith Deppner, Adele Theil und Hermi Ehrmann.
Im September 1947 gründet Politehnica Temeswar eine Handballabteilung. Als Spielertrainer wird Georg Gunesch von Mediasch nach Temeswar geholt. Dass der damals beste Stürmer Rumäniens für Deutschland am Krieg teilgenommen hat, interessiert anscheinend keinen. Der Zweck heiligt die Mittel. Manche Deutsche braucht man eben, wenn sie dazu beitragen können, ein gestecktes Ziel zu erreichen. 1948 gründet Georg Gunesch bei Poli eine Mädchenabteilung, die 1949 von Erhard Bonfert übernommen wird. Von Herbst 1949 bis 1951 trainiert Waldemar Zawadzki die Poli-Mädchen. Dann wechselt er zu Tehnometal. Sein Nachfolger wird Walther Maiterth. Er gewinnt mit der Mannschaft 1953 den Landesmeistertitel. Dann wird er gezwungen, zum Bukarester Armeeklub zu wechseln. Es soll der einzige Temeswarer Erfolg auf dem Großfeld bleiben. Groß herauskommen wird der Temeswarer Frauenhandball auf dem Kleinfeld in den 60er und 70er Jahren. In dieser Zeit spielen beispielsweise Christine Metzenrath oder Hilde Hrivniak für die inzwischen von Poli an die Universität weitergereichte Mannschaft. Von 1961 bis 1978 wird Stiinta/Uni Temeswar zehn Meister- und sieben Vizemeistertitel gewinnen.
In Heltau trifft der am 8. August 1920 in Ploiesti geborene Thomas (Tomi) Wolf im Frühjahr 1947 den Bistritzer Rolf Tschallner. Die beiden befreunden sich, und mit manch gutem Rat Tschallners gelingt es Wolf, eine Handballmannschaft aufzubauen. Das erste Spiel findet bereits im Herbst statt, und zwar gegen Neppendorf. Der ersten Handballer-Generation nach dem Krieg gehören an: auch Rolf Csallner, Günther Reichardt, Fritz Neugebauer, Michael Groß, Gerhard Pelger, Vikor Jack, Karl Theil, Ernst Weiß, Hans Berger, Karl Mantsch, Hans-Peter Römer und Thomas Wolf. Im Frühjahr 1948 wird ein weiteres Spiel augetragen, diesmal gegen die Hermannstädter der Derubau. Das Spiel geht klar verloren. Doch Wolf wird die Heltauer durch die Kreisklasse in die erste Liga führen. Doch darüber in einer anderen Geschichte.
Dieser Beitrag gehört zur Reihe „Geschichte und Geschichten um den Banater und Siebenbürger Handball“. Handballtrainer und Spieler kommen zu Wort, die etwas geleistet oder es zu etwas gebracht haben. Es ist eine Serie, die nicht den Anspruch erheben will und kann, vollständig oder perfekt zu sein. Wer meint, dass noch das eine oder andere dazu gehört, sollte sich beim Autor melden unter Telefon 02246/2166, E-Mail: Waltraud.Steiner@t-online.de.

Johann Steiner


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 18 vom 15. November 2001, Seite 4)

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