27. Dezember 2001

Ausstellung Katharina Zipser: "Auf- und Untergänge"

Aus Anlass ihres 70. Geburtstages stellt die bekannte siebenbürgische Malerin und Kunsterzieherin Katharina "KATH" Zipser zwischen dem 8. und 28. Dezember Bilder aus den letzten zehn Schaffensjahren in der "Orangerie" in München aus. Die Finissage findet sinnigerweise an ihrem Geburtstag, dem 28. Dezember, 18.00 Uhr, statt. In der Eröffnungsrede am 8. Dezember führte Johanna Letz unter anderem aus:
Die äußere und innere Biographie eines Künstlers kennt Höhen und Tiefen, (un)verdiente Erfolge und Missachtung, verätzte Finger und wundgescheuerte Seele ... kurzum: beschaulich ist sein Los nicht zu nennen. Daher dürfen wir die Frage nach seinem Los im Jenseits stellen: Hat er vielleicht dort Vergünstigungen zu erwarten, sozusagen einen Bonus für seine Werke, die imstande waren Menschen zu erfreuen, zu erheben, zu läutern?
Pünktlich zu ihrem Geburtstag werden wir unserer lieben und verehrten Katharina Zipser 70 rote Rosen überreichen. Sinnigerweise hat KATH den Tag der Finissage, das Fest zur Beendigung der Ausstellung, auf ihren Geburtstag, den 28. Dezember, 18.00 Uhr, gelegt und mit einem 'vorletzten Tango' in der 'Orangerie', Englischer Garten Nr. 2, in München verbunden. Foto: Konrad Klein
Pünktlich zu ihrem Geburtstag werden wir unserer lieben und verehrten Katharina Zipser 70 rote Rosen überreichen. Sinnigerweise hat KATH den Tag der Finissage, das Fest zur Beendigung der Ausstellung, auf ihren Geburtstag, den 28. Dezember, 18.00 Uhr, gelegt und mit einem 'vorletzten Tango' in der 'Orangerie', Englischer Garten Nr. 2, in München verbunden. Foto: Konrad Klein

Die unbestrittene Kompetenz in Sachen Jenseits hat Dante. Topographie und Inventar der Hölle, des Fegefeuers und des Himmels hat er detailliert beschrieben und seine Zeitgenossen wie historische Personen in unterschiedliche Compartiments eingewiesen; die Künstler hat er aber nicht mit einem eigenen Separee bedacht. Dankenswerterweise haben sich die Moslems darüber Gedanken gemacht. Im Islam wie im Judentum gilt bekanntlich das Gebot "Du sollst dir kein Bildnis machen!", Gott und seine Engel, aber auch die Menschen, da sie ja nach "Gottes Bilde" geschaffen wurden, dürfen nicht dargestellt werden. Sicherlich liegt diese Bildfeindlichkeit unserer Legende zugrunde. Sie ist übrigens apokryph und hat wohl keine große Bekanntheit. Sie lautet: Am Tage des Jüngsten Gerichts, wenn alle Toten knarrend auferstehen, erscheinen die Werke vor dem Künstler und sprechen: "Du bist unser Schöpfer, durch dich sind wir ins Dasein gekommen. Wir, deine Geschöpfe, bitten dich: verleih uns Seele (Leben), damit wir auferstehen können!" (An dieser Stelle empfehle ich sich vorzustellen, wie die Kopffüssler den Antes umringen, die dicken Herrschaften dem Botero auf die Pelle rücken und die gehäuteten Biber oder Nichtbiber den Francis Bacon umzingeln.) Der Künstler steht inmitten seiner Geschöpfe und krümmt sich, denn das vermag er nicht, er ist nicht wie Gott. Und dann stürzen sich die Werke auf ihren Erzeuger und zerreißen ihn ...
*
In den Publikationen wurde Kath als "surrealistische Naive" oder Vertreterin des "magischen Realismus" besprochen. Einordnungen dieser Art sind nicht unbegründet, somit legitim und aussagekräftig. Kunstkritiker und Betrachter mögen sie und können damit umgehen. Vom Standpunkt des Künstlers sind sie zu eng, wie Aschenputtels Schuh. So ist es auch in unserem Falle: Die Malerin passt in keinen Schuh, sie hat sich auch nie bemüht, ihre Flossen in die jeweils modischen Schuhe zu zwängen.
In den letzten zehn Jahren haben sich ihre Bilder geändert. Die Maltechnik mit feinem Pinsel, in altmeisterlicher Perfektion - kleinteilige Szenen, narrative, symbolische Aussagen - sind Vergangenheit. Auch ist die Beschäftigung mit dem eigenen Ich in den Hintergrund getreten. Jetzt sind die Themen objektiver, die Farben gewinnen an Gewicht und der Gestus der malenden Hand ist größer und ausgreifender geworden. Es hängen da Landschaften, dann die abstrakten Stücke, diese dunklen Farbstudien, und die Cherubim.
Ganz allgemein eignen sich Landschaften vorzüglich, in einen Dialog mit dem Bild zu treten. Denken Sie an die schöne Erzählung von Kurt Kusenberg über einen verschwundenen Buben. Der hatte das Bild über seinem Bett (oder Tisch) so intensiv betrachtet, dass er eines Tages in die Landschaft einstieg und nicht wiederkam. Im Falle der kleinen Bilder, die das Phänomen des Lichtes zeigen wollen, sollte der Betrachter davor auf und ab gehen. Sie werden verändert erscheinen. Die Malerin hat ihnen eine offene Darstellung gegeben, in welche Bewegung und Zeit eingreifen können. Die beiden großen Leinwände, rot und grün mit schwarzen Vögeln, und die Landschaften mit kretischen und türkischen Titeln befremden auf den ersten Blick durch die gewölbten Linien. Sie suggerieren einen unvertrauten Raum. Wir sind gewohnt, ein Bild als ein Fenster zur Natur anzusehen. Der Bilderrahmen ist der Fensterrahmen und die verlängerten Sehstrahlen treffen auf Horizonthöhe in dem Fluchtpunkt zusammen - so die übliche Sichtweise. Damit brechen diese Bilder, indem der Betrachter, dem Maler folgend, einen innerbildlichen Standpunkt einnehmen muss und dann den Bildraum mit den Blicken abtasten kann. Die "umgekehrte Perspektive", wie sie genannt wird, mag der Malerin von der byzantinischen Ikonen- und Kirchenmalerei her vertraut sein; in die persönlichen Bilder wurde sie nicht durch theoretische Spekulationen eingeführt, sondern sie wurde erlebt, ist der Malerin gleichsam zugestoßen.
Die drei dunklen Bilder in Blau und Schwarz und die großen Cherubim dürfen zusammengefasst werden, da es sich um Farbstudien und abstrakte Meditationsbilder in einem handelt. Die koloristische Aufgabe lautet: dunkler als schwarz, heller als weiß zu malen. Extreme sind immer unheimelig; heimelig ist nur der Raum dazwischen. Für den Koloristen ist es unbestritten eine gefahrvolle Aufgabe, Weiß, das durch das Zusammenfallen aller Farben des Spektrums entsteht, und Schwarz, das die Abwesenheit jeglicher Farben darstellt, malen zu wollen. In diesem Zusammenhang sei ein Zitat aus Nietzsches "Die Geburt der Tragödie ..." angeführt: "Wenn wir bei einem kräftigen Versuch, die Sonne ins Auge zu fassen, uns geblendet abwenden, so haben wir dunkle farbige Flecken, gleichsam als Heilmittel vor den Augen, umgekehrt ... sind ... Lichtbilderscheinungen ... notwendige Erzeugungen eines Blickes in das Innere und Schreckliche der Natur, gleichsam leuchtende Flecken zur Heilung des von grausiger Nacht versehrten Blickes."
Zum Schluss - die schönen Cherubim. Sie hören auch auf den familiären Namen "Flügel-Flagel". Es sind Engel der Verheißung, Engel des Übergangs. Kath hat ein kleines Gedicht auf die Rückseite des einen geschrieben:
Reiß Dich zusammen, schöner Flügel-Flagel,
noch einen Hupfer nur
einmal noch ausatmen, und
Dir zu Füßen liegt
mein ganzer Horizont.

Johanna Letz

Bewerten:

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.