9. Januar 2002

Geschichten rund um den Handball in Siebenbürgen (VI)

Der Kleinfeldhandball beginnt seinen Siegeszug: Erste Spiele finden Anfang der fünfziger Jahre in der Siebenbürger Kaserne in Temeswar statt. Der Abzug der vielen Spieler aus Hermannstadt nach Bukarest bedeutet einen gewaltigen Aderlass. Diesen Spielerverlust und die Umstellung vom Groß- aufs Kleinfeld und auf die Halle wird der Siebenbürger Handball, und vor allem der Hermannstädter, so rasch nicht verkraften. Ganz erholen wird er sich von diesem Schock nie mehr.
Der Aderlass macht den traditionsbewussten Siebenbürger Sachsen anscheinend mehr zu schaffen als anderen Mannschaften. Für Hermannstadt bedeutet er den Abstieg aus der höchsten Spielklasse in die zweite Liga und den Sturz in die Bedeutungslosigkeit.
Erstes Länderspiel auf dem Kleinfeld gegen die Tschechoslowakei im Progresul-Stadion in Bukarest, von links Nicolae Nedef (Kapitän), Victor Chita, Wilhelm Reimer, Heinz Lang, Ion Bulgaru, Gustav Schuller, Walther Maiterth, Constantin Ceteni,Liviu Stanescu, Romica Tiganus, D. Caliman, Nicolae Nitescu.
Erstes Länderspiel auf dem Kleinfeld gegen die Tschechoslowakei im Progresul-Stadion in Bukarest, von links Nicolae Nedef (Kapitän), Victor Chita, Wilhelm Reimer, Heinz Lang, Ion Bulgaru, Gustav Schuller, Walther Maiterth, Constantin Ceteni,Liviu Stanescu, Romica Tiganus, D. Caliman, Nicolae Nitescu.

Die Umstellung auf Kleinfeldhandball ist für den Verband in Bukarest die Gelegenheit, dem Sportbetrieb in den Banater und Siebenbürger Hochburgen einen Dämpfer zu verpassen, sagt der Hatzfelder Roland Wegemann. In die neu geschaffene Liga werden aus dem Banat und Siebenbürgen nur noch ein paar Klubs zugelassen. Das Banat wird im Oberhaus mit Poli Temeswar und Tehnometal vertreten sein. An die Stelle der ausgebooteten Vereine treten allmählich Klubs aus Muntenien oder der Moldau, wie Galatz, Piatra Neamt oder Borzesti. Der dem Banater und Siebenbürger Handball versetzte Schlag macht sich erst allmählich bemerkbar: Die Deutschen stellen im Laufe der Jahre der Nationalmannschaft immer weniger Spieler. Dass dieser Rückschlag durch den erhofften Auftrieb des Handballs in den anderen Landesteilen wettgemacht wurde, darf bezweifelt werden. Der Handball in Süd- und Ostrumänien ist nie das geworden, was er einmal im Banat und Siebenbürgen war: eine Massenbewegung.
Das erste Hallenhandballspiel in Rumänien wurde vermutlich 1934 in Obor ausgetragen, das erste in Siebenbürgen 1936 in der Hermannstädter Messehalle: Das Lehrerseminar unterliegt dem HTV-Meisterteam 8:17. Zu diesem Spiel heißt es in der Handballchronik des Hermannstädter Seminars für die Jahre 1933 bis 1939: „In diesem Jahr ist von dem HTV hier in Hermannstadt das Hallenhandballspiel eingeführt worden. Als Spielhalle wird die Messehalle Nr. 1 benutzt. Das Hallenhandballspiel gleicht im großen Ganzen dem Rasenhandballspiel. Doch ist durch die Einschränkung des Raumes bedingt, dass nur sieben Spieler mitspielen dürfen, die jederzeit durch Ersatzspieler eingetauscht und ausgewechselt werden können. Die sieben Spieler sind folgende: ein Tormann, zwei Verteidiger, ein Läufer (Mittelläufer) und drei Stürmer. Hauptpunkte der Spielregel sind: es gibt kein Abseits, der Spieler darf nicht mehr als 2-mal 3 Schritte mit dem Ball laufen. Die Hauptsache ist flinkes Spiel, sichere Abgabe des Balles und Schlagfertigkeit der Spieler.
Wichtig für die Entwicklung des Banater Kleinfeldhandballs ist der Umbau eines Teils der Siebenbürger Kaserne in Temeswar zur Sporthalle. Darin tragen zwei Schülermannschaften am 11. Februar 1951 das erste Banater Hallenhandballspiel aus. Während Temeswarer Handballfachleute dies für die eigentliche Geburtsstunde des rumänischen Hallenhandballs halten, behauptet Hans Andreas Bretz, dass bereits 1950, während seiner CCA-Zeit, Kleinfeldhandball gespielt worden sei. Für die Torhüter wurden damals noch Matratzen ausgelegt. Eine zwischen der rumänischen und der tschechoslowakischen Nationalmannschaft im Frühjahr 1951 auf dem Kleinfeld ausgetragene Begegnung begeistert Spieler wie Georg Gunesch, Erhard Bonfert und Constantin Lache so sehr, dass im Herbst die erste Banater Hallenmeisterschaft mit 16 Teilnehmern ausgetragen wird - vermutlich die erste Hallenmeisterschaft in Rumänien überhaupt.
Trotz ihres relativen Bedeutungsverlusts geben die Schwaben und Sachsen jedoch so leicht nicht auf. In Siebenbürgen erkennt ein Mann die Zeichen der Zeit und handelt. Hans „Purschi“ Schuster will von einer Hermannstädter Handballkrise nichts wissen und kurbelt zusammen mit seinem Lehrer-Kollegen Karl Martini aus Agnetheln die Siebenbürger Handball-Schmiede wieder an. Schuster, der 1959 mit dem Klub Vointa die erste und letzte rumänische Junioren-Meisterschaft auf dem Großfeld gewinnt, wird in den folgenden Jahren mehrere Titel mit Junioren- und Jugendmannschaften erringen. Spieler dieser Teams verstärken in den folgenden Jahren die Stundentenmannschaften in Klausenburg, Jassy, Temeswar und Bukarest. Ähnliche Leistungen vollbringt Sportlehrer Hans Zultner an der Bergschule in Schäßburg. Einer seiner Schüler ist Roland Gunesch. In Temeswar formt der Triebswetterer Adam Fischer so manchen Handballer, der seinen Weg machen wird. Einer seiner Schüler ist Hans-Günther Schmidt. Doch auch andere, die die Schulbank im ehemaligen Kloster in der Temeswarer Josefstadt gedrückt haben, werden einen Platz in guten Mannschaften finden: Hans Huber aus Kleinsiedel wird bei Uni Temeswar, Poli Temeswar, Stiinta Lowrin und Gloria Arad spielen, der Königshofer Hans Maurer und der Marienfelder Ewald Fendler bei Poli Temeswar.
Anfang der 70er Jahre versammelt Schuster, der sich inzwischen auch als Trainer der rumänischen Jugendauswahl bewährt hat, ehemalige Schüler in Hermannstadt um sich und marschiert mit Vointa im Triumphzug in die erste Liga. Schuster hat eine Mannschaft mit fast lauter deutschen Spielern zusammengeschweißt, darunter Rudolf Klubitschko (Tor), Dieter Roth, Gert Stenzel, Günther Speck, Rolf Schnäp, Horst Petri, Rolf Schumann, Hubert Mrasz, Erich Tontsch und Dieter Zikeli. Aber ganz große Spieler für die Nationalmannschaft bringt der Siebenbürger Handball nicht mehr hervor. Mit der Umstellung vom Groß- aufs Kleinfeld vollzieht sich ein Wandel, der einen neuen Spielertyp erfordert: Jetzt sind neben flinken, wendigen Spielern immer mehr athletische, großgewachsene und wurfgewaltige Typen gefragt - denen als Verteidiger ebenso lange Kerle gegenübergestellt werden. Von Roland Gunesch und Simon Schobel abgesehen werden im Siebenbürger Handball keine Spieler dieses Formats mehr auftauchen. Hermannstadt hat den Nachteil, keine Universität und kein Polytechnikum zu haben, die Anziehungspunkte für Sportler sind. Auch eine Halle fehlt - die Hermannstädter müssen zum Training nach Kronstadt fahren. Das Comeback der Hermannstädter ist daher leider nur ein kurzes Aufbäumen. Die Musik spielt weiter in Bukarest.

Johann Steiner


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 20 vom 20. Dezember 2001, Seite 26)

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