21. Januar 2002

"Hommage à Friedrich von Bömches"

Der wohl bedeutendste siebenbürgische Künstler, Friedrich von Bömches, zeigte anlässlich seines 85. Geburtstages eine Ausstellung im Sparkassenforum in Wiehl, die bis zum 18. Januar zu sehen war und der drei weitere im Umkreis folgen werden.
„Ungebrochene Vitalität und Schaffenskraft“ bescheinigte Sparkassendirektor Wolfgang-Ludwig Mehren dem Künstler Friedrich von Bömches bei der Eröffnung der Ausstellung in Wiehl. Der Siebenbürger sei „ein Chemiker, der die Essenz sucht“, betonte Gert Fischer, Direktor des Siegburger Stadtmuseums. Die Ausstellung ist bis zum 18. Januar in Wiehl zu sehen, drei weitere folgen im Umkreis. Seine gesteigerte Produktivität habe dazu geführt, dass Bömches in den 23 Jahren, die er nun in Deutschland lebt, wahrscheinlich mehr produziert hat als die geschätzt 15 000 Arbeiten, die er in Rumänien zurücklassen musste, so die Oberbergische Volkszeitung. Eine einfühlsame Analyse seiner in Wiehl gezeigten Werke nimmt im Folgenden Elisabeth Axmann vor.
Friedrich von Bömches beim Anfertigen einer seiner bekannten
Friedrich von Bömches beim Anfertigen einer seiner bekannten "Sekundenskizzen". Die Aufnahme entstand im Juni 2001 in Wiehl. Einige Wochen davor hatte sich Bömches einer schweren Herzoperation unterziehen müssen. Aus diesem Grund erscheint er auf dem Bild mit geschorenem Bart. Foto: Konrad Klein

Im Krieg ist Friedrich von Bömches geboren, am 27. Dezember 1916 in Kronstadt – man stelle sich die Zeit vor: Siebenbürgen gehörte noch zu Österreich-Ungarn - , und der nächste Krieg, der aus heutiger Sicht nicht lange auf sich warten ließ, hat ihm zwölf Jahre seiner besten Lebenszeit entrissen: Bömches war zwischen 22 und 29 Jahre alt, als er seinen Wehrdienst leistete und dann mit der rumänischen Armee bis vor Stalingrad marschierte, und er war zwischen 29 und 34, als er in die Sowjetunion verschleppt, im Donezbecken Zwangsarbeit leisten musste.
Aber seine ganz außergewöhnliche Begabung und sein schöpferischer Fleiß gaben ihm diese Jahre zurück und schenkten ihm darüber hinaus noch Jahrzehnte jenseits der Altersschwelle, an der man normalerweise aus dem Arbeitsleben ausscheidet, an der in vielen Fällen auch die künstlerisch hervorbringenden Kräfte nachlassen.
Ja, man könnte sogar sagen, dass sich die Jahre des Leidens und der Entbehrungen durch Krieg und Deportation, weit entfernt davon, für sein Werk „verloren“ zu sein, in eine Zeit der fruchtbaren Akkumulation und Vertiefung verwandelt haben. Das hat nicht nur im vorigen Jahr eine Münchner Ausstellung bewiesen, in der sich Friedrich von Bömches, durch die Fotografien und Zeichnungen, die er als junger Soldat unter widrigsten Umständen schuf, als Zeuge des blutigen zwanzigsten Jahrhunderts vorstellte. Und das wird sich nicht nur in naher Zukunft wieder einmal zeigen, wenn auf Schloss Homburg, im Oberbergischen, eine Schau eröffnet wird, in der die erschütternden Bilder aus der Zeit der Verschleppung gezeigt werden.
Friedrich von Bömches: Sag mir, wo die Blumen sind, Acryl, 1990
Friedrich von Bömches: Sag mir, wo die Blumen sind, Acryl, 1990

Nein, nicht nur die Arbeiten, die das in jenen Jahren Erlittene direkt heraufbeschwören, beweisen, dass Leben und Gestalten für diesen Maler ein und dasselbe sind, dass es für ihn keine „verlorenen Jahre“ gegeben hat, dass seine Sicht der Dinge durch die Konfrontation mit extremen Lebenssituationen vertieft wurde. Das bezeugen auch die Bilder der Ausstellung, die vor kurzem in Wiehl eröffnet worden ist, obwohl hier vorwiegend neuere Arbeiten zu sehen sind, und andere Themen im Vordergrund stehen.
Aber die metaphysische Aura der ausgestellten Gemälde und Zeichnungen (knapp fünfzig an Wänden und Stellwänden und über sechzig auf einem Ständer), ist nicht zu übersehen: Mit gleicher Selbstverständlichkeit ist einerseits vom Lebendigsten, von der unmittelbar ins Bild gebannten Bewegung von Mensch und Tier, und andererseits vom Tod die Rede, von seinen Vorboten, dem Verfall und dem Alter. Beide Bereiche sind dem Künstler vertraut, sie gehören in seiner Malerei, ohne Emphase, zusammen.
Es ist eine schöne Ausstellung. Der große, helle, ausschwingende Raum des Forums der Wiehler Stadtsparkasse ist besser dazu geeignet, Bilder zur Geltung zu bringen, als man das erwartet. Und so hätte man als Besucher die Möglichkeit, sehr bald die Arbeiten zu entdecken, die einem die liebsten sind, wäre die Auswahl nicht streng, so dass Erstrangiges dicht an dicht hängt, und sich einem viele Bilder einprägen - durchaus nicht nur für kurze Zeit. Also hält man mit fast jeder Arbeit länger Zwiesprache. Und dabei fällt einem auf, dass die zahlreichen dunklen Gemälde, deren Aussage nichts beschönigt, die Bilder, die Rat- und Haltlosigkeit zeigen, Verblendung, Massenhysterie oder die erschütternde Einsamkeit alter, kranker Menschen - dass eben diese dunklen Gemälde nicht nur dunkel sind, sondern, auf besondere Art, für ein inneres Licht transparent werden. Dass sie, ohne gefällig zu sein, schön sind. Es stellt sich jener Effekt ein, den wir von den Großen der Moderne her kennen, von Beckett etwa: Was man liest (was man sieht), ist grauenhaft, aber es ist gut gemacht, so dass man es als Hoffnung empfindet.
Und umgekehrt: Man wird, beim aufmerksamen Rundgang, sehr bald bemerken, dass die lichtvollen schwarz-weiß Arbeiten, in denen klar das Helle dominiert, sehr streng sind, durchaus nicht heiter; dass sie nicht leichter wirken als die dunkeln.
Einige Gemälde wieder sind einfach prächtig durch ihre Farben, sind, wie zum Beispiel das große Stillleben aus dem Atelier, bedeutend durch die Präsenz, die „Haltung“ der Dinge. Und damit sind wir auch schon bei einer engeren, subjektiven Auswahl unter den Werken dieser Ausstellung. Nicht weit entfernt vom eben erwähnten Gemälde ist eine Stierkampfszene von frappierender Vitalität und Eleganz zu sehen. Das Thema - so suggestiv es auch sein mag, und so mächtig durch seine Tradition - vergisst man angesichts der kunstvollen Strategie, der Kraftkonzentration in der Mitte des Bildes. Und angesichts der Farben: Hier leuchtet ein herrliches, ein tödliches Rot.
Auch die „Apokalypse“, am Rande der Figuration, ergreift, hält uns gebannt durch Formengedränge und Kolorit. Apokalyptisch ist auch „Die Pest“, ein Bild des Niedergangs, meisterlich in der Linie des Pferdehalses konzentriert. Das elende Tier stürmt nicht voran, wie der Klepper, den in Dürers berühmtem Holzschnitt der Tod reitet, das Pferd hier geht mit letzter Kraft in den Abgrund; und trotzdem denken wir auch an das andere, an alle vier Reiter der Apokalypse. Eine Linie, die an diesen so suggestiv gebeugten Pferdehals erinnert, scheint übrigens in mehreren Kompositionen auf, und jedesmal ist ihre Wirkung erschütternd.
„Der Fährmann“ - Charon, ist anzunehmen - ist ein schönes Bild, das Ruhe ausstrahlt. Und „Der unangenehme Gast“ (der Tod sitzt mit zwei Alten zusammen, fast hat er sich dem einen von ihnen auf den Schoß gesetzt) eröffnet eine Reihe themenverwandter, hervorragender Bilder: „Endstation“, „Altersheim“, „Es gibt kein Zurück“, „Der unendliche Weg“, „Die Nacht“.
Eine klassisch-schöne „Pieta“, eine „Kreuzigung“, und einige der Zeichnungen, die man nicht versäumen sollte, auf dem Galerieständer anzusehen, erinnern daran, dass Friedrich von Bömches den biblischen Themen unzählige Arbeiten gewidmet hat. Sie werden demnächst in Dieringshausen, im Bergischen Land gezeigt. Und als vierte Ausstellung in der Reihe der Veranstaltungen, durch die der Jubilar in seiner Wahlheimat geehrt wird, kommt eine Schau in Hesperth hinzu. Freilich darf man sich noch etwas wünschen: eine umfassende Retrospektive, in der auch einige der Bilder gezeigt werden, die Bömches in Siebenbürgen gemalt hat: zum Beispiel, genau und mit freier Empfindung gesehen, die Wälder um Kronstadt.

Elisabeth Axmann


Friedrich von Bömches. Altenheim. Kohle, 1995.
Friedrich von Bömches. Altenheim. Kohle, 1995


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 1 vom 15. Januar 2002, Seite 5)

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