22. Januar 2002

Drang nach Westen nimmt zu

Der Drang rumänischer Staatsbürger, die neu gewonnene Visafreiheit mit Reisen in den Westen zu nutzen, hat nach einer gewissen Zurückhaltung zu Jahresbeginn erwartungsgemäß bald danach stark zugenommen. So haben binnen einer Woche im Januar knapp 100 000 Personen die Grenzen in westlicher Richtung passiert, mehr als die Hälfte wollte in eines der Schengener-Staaten reisen.
Allerdings wurden an der rumänischen Grenze jene Reisenden zurückgewiesen, die die Ausreisebedingungen des Regierungserlasses Nr. 144 nicht erfüllten: 100 Euro in bar oder in Form von Schecks pro Aufenthaltstag bzw. einen Mindestbetrag von 500 Euro für die gesamte Reise nach Westeuropa, nebst Krankenversicherung sowie Pkw-Versicherung (grüne Karte) oder Hin- und Rückfahrkarte für Bus, Bahn oder Flugzeug. Desgleichen gab es Schwierigkeiten an den Übergängen zu Griechenland, wo allein in besagter Woche 88 rumänische Touristen abgewiesen wurden, ferner in Italien (15), Belgien (7) und Österreich (3). Mittlerweile verlangen die Griechen und Italiener, dass rumänische Besucher neben anderen Akten feste Hotelbuchungen vorweisen.
Es ist empfehlenswert, den nötigen Geldbetrag mitzuführen – so wie es der erwähnte Regierungserlass vorsieht. Manche Reisende führen statt des Geldbetrages eine offizielle Einladung von bundesdeutschen Bürgern an der Grenze mit, haben aber sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht: einige mussten zusätzlich kein Geld vorweisen, andere wiederum wurden von den Grenzern darauf angesprochen. Berichtet wird auch von Schwarzhändlern und unseriösen Busfahrern, die den Reisenden die erforderlichen 250 Euro (für Besuche in osteuropäische Länder) bzw. 500 Euro (für Reisen nach Westeuropa) ausleihen und gleich nach dem Grenzübergang dafür eine Provision kassieren.
Der Reisetrend hält dennoch an, zahlreiche Bürger suchen um ein neues Reisedokument an und bilden erhebliche Schlangen vor den rumänischen Passämter. Von Gerüchten verunsichert, befürchten einfache Bürger sogar, dass die Visafreiheit bald rückgängig gemacht und damit Urlaubsreisen in den Westen schon ab kommenden Sommer verhindert werden könnten. Eine kürzlich bekannt gegebene Statistik des UN-Flüchtlingskommissariats belegt nämlich, dass rumänische Staatsbürger nach jenen aus dem einstigen Jugoslawien seit 1990 die meisten Asylanträge in aller Welt gestellt haben. Rund 400 000 Personen versuchten mit allen Mitteln, ihrer Heimat den Rücken zu kehren. Selbst Türken und Iraker, deren Länder immer wieder von Kriegen und Krisen heimgesucht wurden, haben in einer geringerer Anzahl Asyl in anderen Staaten beantragt.

mo

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