26. Januar 2002

Eklatanter Wortbruch der Bundesregierung

Trotz Zusicherung von Bundeskanzler Gerhard Schröder werden die Fördermittel des Bundesministeriums des Inneren (BMI) für die deutsche Minderheit in Rumänien erheblich reduziert. Nur noch 4,4 Millionen DM bzw. 2,25 Millionen Euro stehen im Bundeshalt als Bleibehilfe für die deutsche Minderheit in Rumänien zur Verfügung. Dies wurde den Teilnehmern der Jahresplanungskonferenz in Temeswar zur Kenntnis gebracht. Im Rahmen der Tagung im Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus in der Begastadt wurden am 16. und 17. Januar die diesjährigen BMI-Projekte erörtert.
Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte in seiner Rede vor dem rumänischen Parlament am 23. September 1999 in Bukarest noch lautstark versichert: "Die Bundesregierung steht weiter zu ihrer Verantwortung gegenüber der deutschen Minderheit in Ihrem Land. Die bisherigen Förderungsmaßnahmen, die der Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse dienen und hierdurch auch Ihrem Land zugute kommen sollen, haben sich bewährt und werden fortgesetzt." Dass die ohnehin stark geschrumpften Fördermittel nicht weiter unter die damalige Summe von 5,2 Millionen DM gekürzt werden, hatte Schröder auch in einem Frühstücksgespräch am 24. September vor Vertretern des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR) und in Anwesenheit des Aussiedlerbeauftragten der Bundesregierung, Jochen Welt, versprochen.

Schmerzgrenze deutlich unterschritten

Die Fördermittel sind ungeachtet Schröders Zusicherungen innerhalb von nur zwei Jahren um 15 Prozent (!) auf 4,4 Millionen DM geschrumpft. Diese Entwicklung wird auch vom Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien "mit Besorgnis zur Kenntnis genommen", heißt es in einer Pressemitteilung aus Hermannstadt. Damit sei die bisherige "Schmerzgrenze" von 5 Millionen DM "deutlich unterschritten", bedauert das Forum.
Die bundesdeutsche Delegation, die zu der zweitägigen Sitzung angereist war, stand unter der Leitung des zuständigen Referatsleiters im BMI, Dr. Frank Reuter. Ihr gehörten weitere Beamte des BMI sowie Vertreter des Bundesverwaltungsamtes (BVA), darunter Referatsleiterin Michaela Möller, und Vertreter der Deutschen Botschaft in Bukarest an. Peter Pastior, Vorsitzender des Sozialwerks der Siebenbürger Sachsen und Bundeschaftzmeister, und Bernd B. Fabritius, stellvertretender Bundesvorsitzender, vertraten die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen. Seitens der Nutznießer waren DFDR-Ehrenvorsitzender Paul Philippi und Vorsitzender Wolfgang Wittstock, der zugleich Abgeordneter im rumänischen Parlament ist, sowie die Vorsitzenden der Regionalforen: Paul Jürgen Porr (Siebenbürgen), Karl Singer (Banat), Johann Schwartz (Sathmar), Klaus Fabritius (Altreich) und Maria Antonia Gheorghiu (Bukowina) zugegen. Sprecher Benjamin Jozsa und Geschäftsführer Benjamin Neurohr vertraten die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Jugendorganisationen in Rumänien (ADJ). Für die Evangelische Kirche und deren Landeskonsistorium war dessen Hauptanwalt Friedrich Gunesch anwesend, für die Saxonia-Stiftung deren Geschäftsführer Karl Arthur Ehrmann.

Handlungsspielraum wird enger

Im ersten Teil der Tagung wurden Fragen der Zusammenarbeit zwischen Bundesinnenministerium und DFDR sowie die Grundsätze, nach denen künftig die Förderung der deutschen Minderheit in Rumänien erfolgen soll, erörtert. Organisatorische Schwierigkeiten, die im Zusammenhang mit dem Institut für Auslandsbeziehungen als Mittlerorganisation aufgetreten waren, führten dazu, dass im Jahr 2001 nur sehr wenige Jugendprojekte finanziert wurden.
Die stetig wachsenden Folgekosten der mit bundesdeutschen Mitteln errichteten Altenheime einerseits und die schrumpfenden Fördermittel des BMI andererseits führen dazu, dass der finanzielle Spielraum des Forums immer enger wird. Über diese bittere Erkenntnis konnte auch die Tatsache nicht hinwegtäuschen, "dass für nicht abgeschlossene Projekte sogenannte Selbstbewirtschaftungsmittel aus dem Haushalt des Jahres 2001 in Höhe von rund 627 000 DM (etwa 320 000 Euro) gerettet werden konnten, die in diesem Jahr zum Einsatz gelangen sollen", teilt das Forum mit.
Aus dem BMI-Etat sollen in diesem Jahr mehrere gemeinschaftsfördernde Projekte finanziert werden, beispielsweise die Sanierung und Ausstattung von Forumssitzen und Begegnungsstätten der deutschen Minderheit, wobei der Grundsatz der regionalen Ausgewogenheit berücksichtigt wird. Eine der wichtigsten Baumaßnahmen ist die Herrichtung einer Begegnungs- und Übernachtungsstätte im Schuller-Haus in Mediasch, die auch vom dortigen Lehrerfortbildungszentrum genutzt werden und somit überregionale Bedeutung erhalten soll. Auf der Prioritätsliste steht zudem die Ausstattung des Kulturzentrums "Friedrich Teutsch" im ehemaligen Waisenhaus in Hermannstadt, wo bekanntlich auch das Zentralarchiv der Evanngelischen Landeskirche untergebracht ist. Das Forum hatte sich auch den Ankauf mehrerer Gebäude, in denen Forumssitze eingerichtet werden sollen, gewünscht, doch konnten – wegen des geschrumpften Finanzierungsrahmens – nur ein Teil der Anträge angenommen werden.
Wirtschaftsfördernde Maßnahmen sollen in den Bereichen Handwerk und Gewerbe sowie Landwirtschaft fortgeführt werden. Eingeplant wurden zudem materielle und medizinische Hilfen, ebenso im Sozialbereich die erwähnten Folgekosten der Altenheime, die bereits mehr als ein Drittel des zur Verfügung stehenden Gesamtetats verschlingen. Für Jugendprojekte wurden –ausgleichender Gerechtigkeit halber – wesentlich mehr Mittel als 2001 vorgesehen.
Die Teilnehmer der Jahresplanungskonferenz hatten Gelegenheit, der festlichen Eröffnung des Deutschen Kulturzentrums Temeswar sowie einer Varieté-Vorstellung im Deutschen Staatstheater Temeswar beizuwohnen.

Siegbert Bruss


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 2 vom 31. Januar 2002, Seite 1-2)

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