31. Januar 2002

Siebenbürger fühlen sich vorwiegend akzeptiert

Die Schularbeit der Bad Aiblinger Gymnasiastin Agnes Pildner (geb. 1981) über „Chancen und Schwierigkeiten der Integration von Aussiedlern in Deutschland am Beispiel der Siebenbürger Sachsen“ verdeutlicht die gelungene Integration von Aussiedlern in Deutschland, übt aber auch Kritik an den restriktiven Gesetzen und Kürzungen, die die Eingliederung erschweren.
Das Leben in Not, Bedrängnis und politischer Unterdrückung in Rumänien hat Agnes Pildner nicht selbst erlebt, da sie bereits 1984 mit ihren Eltern nach Deutschland ausgereist war. Deshalb war sie bei ihrer Schularbeit in Bezug auf Geschichte, politische Ereignisse, soziale Verhältnisse und Lebensbedingungen in ihrem Herkunftsland auf Informationen von Zeitzeugen angewiesen war.
Gleich nachdem das Thema feststand, nahm sie Verbindung mit Behörden, Ämtern, Vereinen, Verlagen und Autoren auf, um sich Informationen zu beschaffen. Wertvolle Hinweise erhielt sie auch über die Geschäftsstelle sowie die Kreisgruppe Rosenheim der Landsmannschaft, die Redaktion der Siebenbürgischen Zeitung und den Bund der Vertriebenen. Als nützlich erwiesen sich auf Ton- oder Videoband aufgezeichnete Interviews im Bekannten- und Verwandtenkreis sowie im Siebenbürgerheim in Rimsting, in denen Zeitzeugen aus drei Generationen befragt wurden. Ursprünglich sollte die Arbeit sich auf die 80er Jahre konzentrieren. Da der größte Aussiedlerstrom jedoch erst nach der Wende eintrat, musste der Zeitrahmen auf die 90er Jahre erweitert werden.
Die Arbeit beginnt mit einem Überblick über die Geschichte der Siebenbürger Sachsen von der Einwanderung in Siebenbürgen bis zur Wende. Dabei wird die Entwicklung ihrer Lebensbedingungen im Laufe der Jahrhunderte beschrieben, wobei ihr friedliches Zusammenleben mit den anderen in Siebenbürgen lebenden Völkerschaften hervorgehoben wird. Gewürdigt wird auch die Tüchtigkeit und der Geschäftssinn der Siebenbürger Sachsen, mit dem sie sich in einem ehemals brachen Land eine wirtschaftliche Vorrangstellung erarbeiteten.
Auch der Entrechtung der Siebenbürger Sachsen nach dem Zweiten Weltkrieg wird Rechnung getragen, wobei die Enteignungen und Deportationen, die Romanisierungspolitik des kommunistischen Regimes, die Einschränkungen der nationalen Rechte, die Verstaatlichung deutschen Kulturguts, der wirtschaftliche Niedergang sowie die allgemeine Unterdrückung, Bespitzelung und Missachtung der Menschenrechte erwähnt werden.
Neben diesen Gründen für die Ausreise nach Deutschland, so Pildner, hätten auch die Vorstellungen vieler von einem Land, in dem Milch und Honig fließt, eine Rolle gespielt. Diese seien oft von den im Westen lebenden Verwandten verstärkt worden, sei es durch Pakete und Geschenke, sei es durch die Beschreibung der besseren Arbeitsbedingungen, des höheren Lebensstandards und der westlichen Freiheit. Die Autorin betont allerdings, dass die Siebenbürger Sachsen keine Wirtschaftsflüchtlinge und die Gründe für ihre Ausreise vor allem ideeller Natur sind: Sie wollen als "Deutsche unter Deutschen" leben, ohne als Bürger zweiter Klasse diskriminiert zu werden.
In Deutschland angekommen, habe es oft Enttäuschung und Resignation gegeben. Weltfremde Illusionen seien schnell der Realität gewichen. Viele Aussiedler kämen mit der hier herrschenden Mentalität nicht zurecht, da sie eine andere Wertordnung kennen. So werde die hiesige Gesellschaft von Siebenbürgern oft als zu „amerikanisiert“, der Familiensinn und das Gemeinschaftsleben als zu wenig ausgeprägt und das Brauchtum als vernachlässigt empfunden. Der Schulunterricht sei ungewohnt, und sogar der Gottesdienst werde als kalt und befremdend erlebt. Hinzu kämen gelegentlich auch die Inakzeptanz der einheimischen Bevölkerung oder Schwierigkeiten mit Behörden. Gleichwohl habe es Hilfe und Entgegenkommen gegeben, etwa von Behörden, Gemeinden, Kirchen, Vereinen und wohltätigen Organisationen.
Weiterhin wird auf die Bedeutung der kulturellen Integration hingewiesen. Das kulturelle Gepäck der Siebenbürger Sachsen sei ein Teil des deutschen Kulturguts, das erhalten und gefördert werden müsse. Die Teilnahme an den Aktivitäten der Landsmannschaften, sei es die Mitgliedschaft in Chören oder Tanzgruppen, sei es der Besuch von Ausstellungen, Theatervorführungen, Konzerten oder Vorträgen, förderten das Bewusstsein der eigenen Identität und das Selbstwertgefühl. Auch die Heimatortsgemeinschaften würden dazu beitragen, den Gemeinschaftssinn zu beleben.
Es folgt eine kurze Beschreibung der Organisation, Gliederungen und Aufgaben der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen. Die Angebote für Beratung und Hilfe oder die Siebenbürgische Zeitung als Sprachrohr und Informationsmedium seien Elemente einer wirksamen Integrationstätigkeit. Erwähnt werden auch die Tätigkeiten der Rosenheimer Kreisgruppe mit ihrem Bemühen, den Zusammenhalt der Landsleute zu stärken, das siebenbürgisch-sächsische Kulturgut bekannt zu machen sowie Verbindungen zu anderen Kreisgruppen, zu Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und zu Behörden zu pflegen.
In der Arbeit wird erwähnt, dass durch die neue Gesetzeslage sowohl die Ausreise aus dem Heimatland als auch die Eingliederung in Deutschland sehr erschwert werden. Den geforderten individuellen Nachweis einer Benachteiligung aufgrund der deutschen Zugehörigkeit könnten die Ausreisewilligen kaum erbringen. Selbst Härtefälle durch Krankheit, Alter, Vereinsamung oder andere Gründe würden in der äußerst restriktive Behördenpraxis nicht mehr berücksichtigt.
Einer harten Kritik werden auch die Kürzungen der Eingliederungshilfen und die Einschränkung der Fördermittel, besonders im kulturellen Bereich, unterzogen. Ausführlich werden die vierzigprozentigen Kürzungen im Rahmen des Fremdrentengesetzes kritisiert, die rückwirkend, unabhängig vom Einreisedatum, alle Renten ab 1996 betreffen. Diese Kürzung werde von den Betroffenen als sehr hart empfunden, da sie viele von ihnen zu Sozialfällen mache. Wichtig ist daher die Feststellung, dass die deutschen Aussiedler ein Gewinn für Deutschland sind, da sie sich als verlässliche und willige Arbeitskräfte erwiesen haben. Ihr Beitrag für die Rentenkassen sei aufgrund ihres Kinderreichtums und ihrer geringen Arbeitslosenrate erheblich. Sie verfügten über eine gute Schul- und Berufsausbildung und seien flexibel, bescheiden und anpassungsfähig.
Im Abschlussresümee erklärt die Schülerin, dass die meisten Siebenbürger Sachsen sich in Deutschland voll akzeptiert fühlen und hier nicht ein kleines Siebenbürgen gründen, sondern gleichberechtigt als Deutsche anerkannt sein wollen. Wenn auch den älteren Generationen die Anpassung oft schwer falle, werde die junge Generation sicherlich ihre Chancen wahrnehmen, ihr Kulturerbe selbstbewusst vertreten, sich aber auch neuen Einflüssen öffnen.
Die Arbeit von Pildner verdient Anerkennung: Der Schülerin ist es gelungen, einen umfassenden und klaren Überblick über die aktuelle Situation der Aussiedler zu bieten. Wenn auch einzelne Passagen vielleicht missverständlich oder etwas unscharf formuliert sind, so ist der Informationsgehalt und Aufklärungsfaktor der Arbeit doch beachtlich. Es ist zu begrüßen, dass sich Schulen eines solchen Themas annehmen und somit die Akzeptanz von Aussiedlern fördern.
Die Schularbeit wurde bei der Ausstellung unserer Kreisgruppe Rosenheim am letztjährigen "Tag der Heimat" in Bad Aibling ausgelegt und fiel sofort einigen Politikern auf. Sie äußerten die Ansicht, dass Deutschland keine „Importfachleute“ brauche, solange es noch genügend Kräfte unter den deutschen Aussiedlern gebe, die mit geringen Kosten ausgebildet werden können und die vor allem in Deutschland bleiben.
Dieses Beispiel einer Schülerarbeit sollte auch an anderen Gymnasien (im wahrsten Sinne) Schule machen - im Interesse aller! Sicher werden die Kreisgruppen solche Projekte auch zukünftig wirksam unterstützen.

Hildegard und Erwin Schuster


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 2 vom 31. Januar 2002, Seite 11)

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