19. April 2002

Ein Europa der Partnerschaften angebahnt

Nun ist es offiziell, seit dem 13. April stehen die Unterschriften der beiden Bürgermeister unter der Partnerschaftsurkunde: Das Freundschaftsband zwischen Landshut und Hermannstadt in Siebenbürgen ist geknüpft. Nun sollen die Einwohner beider Städte den Vertrag mit Leben füllen. Landshut ist die erste kreisfreie Stadt in Bayern, die eine Städtepartnerschaft mit einem Ort in Rumänien schließt.
Obwohl erst der Anfang einer immerwährenden Partnerschaft besiegelt wurde, gab es am darauf folgenden Sonntag, dem 14. April, Tränen des Abschieds. 39 Schülern aus vier Hermannstädter Gymnasien und ihren Landshuter Gasteltern fiel nach einer Woche des Kennenlernens die Trennung sichtlich schwer. Adressen wurden fleißig ausgetauscht und es gab erste Verabredungen und Einladungen. Die Schüler im Alter zwischen 16 und 19 Jahren hatten als Vorboten der 50-köpfigen rumänischen Delegation, die erst am Freitag angereist war, rund um die Partnerschaftsfeier eine Reihe von Veranstaltungen mit Tanz und Spiel umrahmt. Ihren Höhepunkt setzten sie mit einer flotten Frühjahrsmatinee am Sonntag im Prunksaal.
Oberbürgermeister Josef Deimer und Bürgermeister Klaus Johannis beim Unterzeichnen der Partnerschaftsurkunde. Fotos: Christoph Reich.
Oberbürgermeister Josef Deimer und Bürgermeister Klaus Johannis beim Unterzeichnen der Partnerschaftsurkunde. Foto: Christoph Reich.

Während der ganzen Woche gab es zahlreiche Gelegenheiten, sich näher kennen zu lernen. Ob das beim gemeinsamen Essen geschah, das die LVA für die Hermannstädter Delegation vorbereitet hatte oder in den Räumen der Volkshochschule, die vor allem für die rumänischen Freunde immer offen stand, bei der Fotoausstellung von Dr. Karl-Heinz Rothenberger oder im Rahmen des Vortrags von Dr. Konrad Gündisch, der Ausstellung des Grafikers Stefan Orth, dem Konzert der Big Band der Landshuter Musikschule oder im ökumenischen Gottesdienst mit einer beeindruckenden musikalischen Umrahmung durch das Ensemble „Studio für Alte Musik Bukarest“: die Unterschiede aber auch die vielen Gemeinsamkeiten wurden sichtlich bewusster wahrgenommen.
Wenn aus einer „offizieller Partnerschaft“ auch persönliche Freundschaften - wie zwischen den Schülern und ihren Gasteltern - entstehen, dann ist das im Sinne der Hauptprotagonisten, Oberbürgermeister Josef Deimer und seinem Amtskollege Klaus Johannis, die am Samstag, dem 13. April, im Rathausprunksaal die Partnerschaftsurkunde zwischen Landshut und Hermannstadt unterzeichneten. Dann ist es mehr als nur ein Wissen über ein Land, das man vielleicht aus Zeitungsberichten oder als Tourist kennt. Wenn Freundschaften entstehen, dann wird etwas individualisiert, dann besuchen die Landshuter nicht Rumänien, sondern jemanden in Rumänien.
„Auf diese Jugend bauend gilt es, die Freundschaft der Menschen in den beiden Städten zu vertiefen“, sagte Oberbürgermeister Deimer im voll besetzten Rathausprunksaal. Wesentlich beigetragen zu engeren Beziehungen hätten nicht nur Klaus Johannis und seine Frau Carmen oder Klaus Wegmann, sondern Impulse seien auch von Siebenbürgern und Banatern, wie Professor Ortwin Schuster, Dorothea Götz, Christian Schuller und Roland Körösy gekommen, die in Landshut und Umland eine neue Heimat gefunden hätten.
Viel Prominenz im Rathausprunksaal. Auch Peter Adamek (erste Reihe, Vierter von rechts), Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Rumänien, war zum Festakt gekommen. Foto: Christoph Reich.
Viel Prominenz im Rathausprunksaal. Auch Peter Adamek (erste Reihe, Vierter von rechts), Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Rumänien, war zum Festakt gekommen. Foto: Christoph Reich.

Neben aller Individualität und den gesellschaftlichen Begegnungen sei allerdings auch die solidarische Zusammenarbeit beider Städte für die Gestaltung einer Zukunft, die sich am Menschenbild orientiert, wichtig. „Gemeinsam mit vielen Städten und Gemeinden Europas wollen wir eine geistige Dimension in die politische Diskussion einbringen“, sagte Deimer. Man könne nicht akzeptieren, dass sich alles nur noch auf den Wert des Sozialprodukts konzentriere und nur noch in Wachstumsraten und Außenhandelsbilanzen gedacht werde. Er plädierte für eine Dezentralisierung von Macht durch eine moderne kommunale Selbstverwaltung, gerade dann, wenn Europa das Ziel sein soll. „Im Ringen um neue Ordnungsstrukturen darf die Eigenverantwortlichkeit der Stadt nicht außer Acht gelassen werden“, so Deimer.
Bürgermeister Klaus Johannis sprach von einem Europa der Partnerschaften. Die freundschaftlichen Begegnungen seien eine ausgezeichnete Übungen „für das Europa von morgen“. In den letzten zehn Jahren hätte es bereits viele Formen der Zusammenarbeit zwischen Hermannstadt und Landshut gegeben: Schüler besuchten sich, Ärzte tauschten Erfahrungen aus, Journalisten schickten einander Berichte über verschiedene Ereignisse, Lehrer unterrichteten in den Schulen der Partnerstadt und die Architekten erkundeten sich gegenseitig über die Restaurierung von alten Wehrmauern. Es gebe vieles, das die beiden Städte verbinde, „und es kann noch mehr werden in Zukunft“, sagte Johannis. „Die Mauern unserer Burgen, die einstmals die Fremden von ihren Toren fernhalten sollten, bringen uns heute zusammen.“ Dabei sollten die Unterschiede kein Hindernis sein, betonte Johannis. Jeder sollte seine Sprache sprechen und seine Kultur aufbauen, „aber gemeinsam sollten wir die Grenzen abbauen“. Doch der Hermannstädter Bürgermeister verband in seiner Rede auch die Hoffnung, dass daraus zusätzlich wirtschaftliche Beziehungen entstünden. „Geschäftsleute investieren dort, wo sie die Situation gut kennen, wo sie sicher sind, Freunde und gute Beziehungen zur Stadtverwaltung zu haben.“
„Pilger durch Europa“ - Hermannstadts Geschenk an den Gastgeber. Foto: Christoph Reich.
„Pilger durch Europa“ - Hermannstadts Geschenk an den Gastgeber. Foto: Christoph Reich.

Gleich zwei Mal überraschten die Gäste aus Hermannstadt im Rahmen des Festakts der Urkundenunterzeichnung. Für Josef Deimer gab es die Ehrenbürgerwürde „für seine Verdienste um die Anbahnung dieser Städtepartnerschaft und für seine Ideen vom vereinten Europa“. Die zweite Überraschung, eine mannshohe Holzskulptur von Adrian Popescu als Gastgeschenk an die Stadt Landshut, sorgte allerdings noch beim anschließenden Galadiner im Bernlochnersaal nicht nur unter Kunstkennern für viele Diskussionen. Die sieben Burgen auf dem Hut des „Pilgers durch Europa“ sollen, so formulierte es der Künstler, „ein starkes, dynamisches Europa symbolisieren“.

Christoph Reich

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