9. August 2010

Dipl.-Ing. Peter Handel zum 90. Geburtstag

„Heimat hat doch einen Plural“, titelte die Weilheimer Zeitung treffend, als sie Peter Handel zum 70. Geburtstag würdigte. In der Tat steht das lange Leben dieses bedeutenden Siebenbürger Sachsen beispielhaft für das Schicksal seiner Landsleute im „langen“ 20. Jahrhundert, für ein Schicksal geprägt von Heimatverlust und Heimatgewinn, von harter Arbeit und beruflichem Erfolg, von Integration in die „neue Heimat“ bei Wahrung der Identität, die die „alte Heimat“ vermittelt hat und die man weder abstreifen kann noch soll.
Sieht man in die hellwachen, klugen, neugierigen, warmen und offenen Augen des nunmehr 90-Jährigen, dann erkennt man, dass dieses „Wandern zwischen zwei Welten“ gelingen kann und den Menschen bereichert und jung hält, der diesen Spagat schafft. Peter Handel ist ein reicher Mann geworden, reich an Erfahrung, reich an Erfolgen, reich an Freunden und Bekannten unter Siebenbürgern wie Oberbayern gleichermaßen. Und er hat sein Umfeld bereichert, das nähere wie das fernere, durch seine Arbeit, durch seinen Gemeinsinn, durch sein vielfältiges ehrenamtliches Engagement, durch den festen Händedruck und den freundlichen Blick, mit denen dieser rechtschaffene „Mann aus einem Stück“ den Menschen entgegentritt.

Der Lebensweg Peter Handels bewegt sich mehrmals zwischen Siebenbürgen und Deutschland, als Konstanten sind Heltau und Weilheim zu verorten. Er wurde als ältester Sohn von drei Kindern am 9. August 1920 in Hermannstadt geboren, wuchs aber in Heltau auf, wo sein Vater, der einer alten Wollweberfamilie des Ortes entstammte, seit 1922 die erfolgreiche „Peter Handel Bauunternehmung – mechanische Zimmerei und Sägeanlage“ betrieb, die sich durch Anwendung neuzeitlicher Fertigungsmethoden und vor allem des Stahlbetonbaus auszeichnete. Peter besuchte die vierjährige Volksschule in Heltau und anschließend acht Jahre lang das Brukenthal-Gymnasium in Hermannstadt.

Nach dem Abitur, dem Bakkalaureat (Juni 1939) und einem kurzen Praktikum auf Baustellen und in einem Architekturbüro begann er im März 1940 mit dem Studium des Bauingenieurwesens an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg, das er am 7. Februar 1945 als Diplom-Bauingenieur abschloss. Dazwischen lagen gut bestandene Prüfungen und die seine studentischen Leistungen anerkennende Beschäftigung als wissenschaftlicher Hilfsassistent (1941-1943), lagen aber auch die schrecklichen Erfahrungen der Bombenangriffe auf Berlin: Seine Wohnung im Hansaviertel wurde im November 1943 mit dem ganzen Gebäude total zerstört; sein Hab und Gut wurde Raub der Flam- men; als einer der zwei Überlebenden musste er die teils verkohlten Leichen seiner Nachbarn identifizieren; die schwer beschädigte TH musste zeitweilig den Lehrbetrieb unterbrechen. Peter Handel musste nach Heltau zurückkehren und leitete dort für den im Feld stehenden Vater das Bauunternehmen. Nur mit einer Sondergenehmigung konnte er Rumänien fünf Wochen vor dem fatalen 23. August 1944 wieder verlassen, um das Studium zu beenden.
Peter Handel bei einem Besuch in der ...
Peter Handel bei einem Besuch in der Bundesgeschäftsstelle in München am 21. Mai 2010. Foto: Bruss
Aus Berlin flüchtet er noch im Februar 1945 zu Verwandten nach Peißenberg im oberbayerischen Pfaffenwinkel, der wunderschöne Landesteil mit seinen vielen Klöstern und Kirchen, der seine zweite Heimat werden wird. Er arbeitet zunächst auf einem Bauernhof, dann ab August 1945 als selbständiger Bauingenieur. 1948 heiratet er Helga Ehrmann. Der glücklichen, bis zum Tod der geliebten Gattin (2005) währenden Ehe entspringen vier gelungene Kinder (der eine Sohn führt heute den Familienbetrieb weiter); fünf Enkel bereichern nach und nach das familiäre Glück. 1953 zieht die Familie nach Weilheim um, 1954 schon steht ein selbst errichtetes Haus, 1963 wird ein neues Bürogebäude und später das zweite Wohnhaus gebaut. Das sind äußere Zeichen der Bereicherung durch eigener Hände Arbeit im Auftrag von Bauämtern, Landkreisen, Kommunen, Kirchengemeinden, Firmen und Privatleuten: statische Berechnungen, Baukonstruktionen (u.a. der erste Schulbau in Leichtbetonbauweise in Bayern), Bauleitungen, Gutachten, Tragwerksplanungen (unter anderem bei der Renovierung des labil am hohen Dachgebälk hängenden, hölzernen Deckengewölbes mit Stuck und Freskomalerei in der weltberühmten Wieskirche). Bereichernd wirkt er in seinem Beruf durch Beiträge zur Weiterentwicklung des Holzbauwesens wie dem Dreieck-Streben-Bau mit geleimten Fachwerkträgern (sein weithin anerkanntes Fachbuch zu diesem Thema wurde zwischen 1970 und 1993 dreimal aufgelegt) oder der grundlegenden Verbesserung der Schichtplatten. Lehraufträge an der FH München und an der Staatlichen Berufsschule Weilheim entsprechen seinem Wunsch, seine Kenntnisse weiter zu geben, belegen aber auch die fachliche Anerkennung seiner theoretischen und praktischen Arbeit, die überdies mit dem Holzbaupreis Bayern (1980) und dem Deutschen Holzbaupreis (1986) ausgezeichnet worden ist.

Der außerordentliche berufliche Erfolg eines Siebenbürger Sachsen allein wäre schon der Würdigung in dieser Zeitung wert. Doch beließ es Peter Handel nie dabei, nur für seine Familie und für seine Arbeit zu leben. Er hielt sich wohl an einen Satz, den der von ihm bewunderte Oskar von Miller über den Siebenbürger Sachsen Dr. Carl Wolff geschrieben hat: „Von ihm habe ich gelernt, dass nicht politischer Einfluss oder hohe Ämter nötig sind, um der Allgemeinheit zu dienen, sondern dass dies bei ehrlichem Willen auch dem einfachen Manne möglich ist.“

Bereits während des Studiums sucht er den Kontakt zu seinen Landsleuten, 1941 tritt er mit einer siebenbürgisch-sächsischen Volkstanzgruppe aus Berlin in Luxemburg auf. Kaum in Oberbayern angekommen, nimmt er sich 1946 der verunsicherten, in dieser Region versprengten Heltauer und anderer Siebenbürger an, betreut 1947 und 1948 die aus der sowjetischen Deportation nach Deutschland verschlagenen Landsleute, wird 1950 Mitglied der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Referent für Wohnungsbau und Organisation im Bundesvorstand (1951-1958), dann Rechnungsprüfer für den Bundesgeschäftshaushalt (1967-1986) und Bundesschatzmeister (1986-1995). 1952 gründet er die Kreisgruppe Weilheim, der er bis 1996 vorsteht. Am Aufbau der Siebenbürgerheime Rimsting und Lechbruck wirkt er aktiv und ehrenamtlich mit, im Sozialwerk der Siebenbürger Sachsen e.V. ist er jahrelang Schatzmeister (1983-1997). Unermüdlich organisiert er den Versand von Lebensmitteln an die hungernden Landsleute in der Heimat, nach der Wende von 1989/1990 Hilfstransporte nach Siebenbürgen und ins Banat. Fast täglich hilft er den ins Gebiet seiner Kreisgruppe zugezogenen Spätaussiedlern mit Rat und Tat. Und selbstverständlich engagiert er sich ebenso in seinem zweiten Zuhause, in Weilheim, etwa im Rotary-Club, dessen Wahlspruch „Selbstloses Dienen“ auch jener des Jubilars sein könnte, oder im Kirchenvorstand der evangelischen Gemeinde. Peter Handels reichhaltiges, bereicherndes ehrenamtliches Wirken kann nur in Stichworten und bruchstückhaft aufgezählt werden, es durchzieht wie ein roter Faden sein ganzes Leben und wird allgemein anerkannt, von den Siebenbürger Sachsen ebenso wie von den Bayern: Bereits 1958 wird er „für außerordentliche Verdienste“ mit dem Goldenen Ehrenwappen der Landsmannschaft ausgezeichnet, 1995 wird ihm die Ehrenmitgliedschaft dieses Verbandes verliehen, 1999 erhält er das Ehrenzeichen der Stadt Weilheim, 2000 jenes des Bayerischen Ministerpräsidenten.

Seine besondere Hingabe gilt der Heimatgemeinde Heltau. Um in Deutschland verstreut lebende Heltauer zusammenzuführen, stellt er zunächst eine Anschriften-Sammlung zusammen, dann eine Liste aller Heltauer Haushalte, nach Hausnummern geordnet. Gemeinsam mit seinem Bruder Günther und vielen anderen Helfern, die er zu mobilisieren versteht, baut er Stück für Stück eine – inzwischen EDV-mäßig erfasste – genealogische Dokumentation auf, die ihresgleichen sucht und weit über den familienkundlichen Wert hinausgeht, weil sie selbst eine Geschichtsquelle geworden ist – eine lebendig sprudelnde, denn sie wird, nunmehr von jüngeren Kräften, laufend ergänzt und verbessert. Diese Arbeit führt ihn in die Sektion Genealogie des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde, in der er wiederholt als Vortragender und anregender Ideengeber tätig ist. Er verfasst mehrere wissenschaftlich fundierte Veröffentlichungen, unter anderen über Heltau, seine Bewohner und seine Baugeschichte, über die Landler, über das Zoodter Elektrizitätswerk (an dessen Entstehen die oben genannten Oskar von Miller und Carl Wolff aktiv beteiligt gewesen sind) oder über die Familie des Sachsenbischofs Johann Bergleiter.

1977 entsteht die Heimatortsgemeinschaft Heltau, deren spiritus rector Peter Handel jahrzehntelang ist, auch wenn er nicht an vorderster Front steht, sondern eher im Hintergrund beratend wirkt. Was als Gemeinschaftsleistung bleibt sind: Gegenseitige Information über ein regelmäßig erscheinendes „Nachrichtenblatt“ (das eine der höchsten Auflagen unter allen siebenbürgischen Mitteilungsblättern erlebt), gut organisierte Heltauer Treffen, Hilfestellungen für die Landsleute in der Heimat, Unterstützung und Beratung bei der Innenrenovierung der Heltauer Kirche, die Ortsmonographie „Heltau. Geschichte und Kultur einer siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft“ (mit mehreren grundlegenden Beiträgen von Peter und Günther Handel; zwei Auflagen!). Ein kennzeichnendes Dankeschön: 2007 verleiht ihm die Kirchengemeinde seiner Heimatstadt die „Walburga-Auszeichnung“ als „Zeichen der Anerkennung für seinen langjährigen Einsatz zum Wohle der Heltauer in der alten und neuen Heimat“. In einer Dankrede sagte Peter Handel 1996: „Ich bekenne, einerseits stets aus freiem Antrieb und aus historischem Interesse, andererseits aus dem Pflichtbewusstsein, den Landsleuten dienend und helfend beizustehen, gehandelt zu haben, nicht selten unter Rückstellung familiärer und beruflicher Tätigkeit, aber stets mit dem Wohlwollen meiner lieben Frau Helga.“ Welch beispielgebendes Bekenntnis, für das ihm alle, die ihn kennen und die von ihm Bereicherung erfahren haben, stets danken werden!

Konrad Gündisch

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