22. Juni 2014

Interview mit Botschafter Werner Hans Lauk beim Heimattag in Dinkelsbühl

Werner Hans Lauk, seit Juli 2013 Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest, wurde 1950 in Altensteig/Württemberg geboren, absolvierte 1976 das Studium der Volkswirtschaftslehre und belegte drei Jahre später die Laufbahnprüfung für den höheren Auswärtigen Dienst. Er war in den diplomatischen Vertretungen in Caracas, Prag, Riad und Peking tätig und leitete die Botschaft in Kabul und das Generalkonsulat in Hongkong, bevor er nach Bukarest wechselte. Lauk widmet sich mit sehr viel Empathie sowohl den in Rumänien lebenden als auch den ausgewanderten Siebenbürger Sachsen. Das folgende Gespräch mit Botschafter Werner Hans Lauk führte Siegbert Bruss.
Seine Exzellenz, Herr Botschafter Lauk, Sie sind der erste Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Bukarest, der seit 1995 am Heimattag in Dinkelsbühl teilnimmt. Weshalb war es Ihnen wichtig, dabei zu sein?
Unmittelbar nach meiner Ankunft in Rumänien Anfang Juli des vergangenen Jahres habe ich die Siedlungsgebiete der Siebenbürger Sachsen besuchen dürfen. Ich war in Kronstadt, Hermannstadt, Klausenburg, und konnte mich von Beginn an davon überzeugen, welche wichtige Rolle die deutsche Minderheit in Rumänien für die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern und vor allem zwischen den Menschen unserer beiden Völker spielt. Deshalb war es mir wichtig, die Zusammenarbeit der Botschaft einzubringen in das Verhältnis der Siebenbürger Sachsen in Rumänien und darüber hinaus. Nun ist es ja so, dass der Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen Mitglied des Deutschen Bundestages ist und hier auch die Interessen der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft auf politischer Ebene vertritt. Es ist ein politisch wichtiges Anliegen, das Zusammenwirken der Regierungen im zusammenwachsenden Europa in Fragen nationaler Minderheiten und des Umgangs der Mehrheit mit diesen Minderheiten zu unterstützen. Von daher bot es sich sehr an, auch meinerseits, ebenso wie der rumänische Kollege in Berlin, Lazăr Comănescu, hier am Heimattag der Siebenbürger Sachsen teilzunehmen. Ich habe mich über die Einladung des Verbandes sehr gefreut.

Wie haben Sie den Heimattag erlebt? Mit welchen Eindrücken verlassen Sie Dinkelsbühl?
Zunächst einmal ist es eine wunderbare Kulisse, die diese mittelalterliche Stadt Dinkelsbühl als Ort der Heimattage, wo auch die Erinnerungskultur in Gestalt der Gedenkstätte der Siebenbürger Sachsen gepflegt wird, bietet. Die zahlreichen Veranstaltungen des Heimattages, die sich der Pflege des Brauchtums, der langjährigen Geschichte, aber auch der kulturellen Ausprägung, der Bildungstradition der Siebenbürger Sachsen widmen, zeigen gleichsam die Vielfalt, in der sich siebenbürgisch-sächsische Identität bewegt. Es war beeindruckend für mich, das so lebendig zu erleben und viele Gespräche zu führen mit siebenbürgisch-sächsischen Vertretern in Deutschland und darüber hinaus – es war ja auch die Ehrenvorsitzende der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Kanada, Frau Käthe Paulini, da.

Was ist das Besondere an der siebenbürgisch-sächsischen Kultur, wenn man sie in Bezug setzt zum heutigen Europa?
Zunächst halte ich es für außerordentlich bemerkenswert, dass die siebenbürgisch-sächsische Kultur auf 850 Jahre Siedlungsgeschichte zurückgeht. Die Siebenbürger Sachsen haben sich dabei in ihrem Lebensraum integriert, und sie werden von der rumänischen Mehrheitsgesellschaft wertgeschätzt. Zugleich haben sie ihre Kultur, ihre Sprache – als wichtigen Ausdruck der Kultur – und ihr Brauchtum erhalten. Siebenbürgisch-sächsische Kultur, wie sie heute gelebt wird und zukunftsfähig bleiben sollte, bedeutet zunächst eine wichtige Brücke zwischen Deutschland und Rumänien. Sie bringt etwas Gutes in einem Europa der gelebten Vielfalt und der gegenseitigen Akzeptanz zwischen den Kulturen. Und insofern ist auch die vom Bundesvorsitzenden Bernd Fabritius in der Abschlussveranstaltung angesprochene Öffnung des Heimattags hin zu den Siebenbürger Sachsen, die in Rumänien leben, und zur rumänischen Mehrheitsbevölkerung, so außerordentlich wichtig, weil sie ein Modellfall im Umgang der Minderheit mit der Mehrheit und vor allem der Mehrheit mit der Minderheit im Kulturellen und im Bildungsangebot ist. Die deutschen Muttersprachenschulen sind staatliche rumänische Schulen, in denen zum weit überwiegenden Teil auf Deutsch unterrichtet wird, nicht nur die deutsche Sprache, sondern vor allem auch die Sachfächer. Und das ist außergewöhnlich.
Nach der Festkundgebung des Heimattages: die ...
Nach der Festkundgebung des Heimattages: die beiden Botschafter Werner Hans Lauk (rechts) und Dr. Lazăr Comănescu mit Dinkelsbühls Oberbürgermeister Dr. Christoph Hammer. Foto: Lukas Geddert
Gerade im Schulbereich mangelt es unter anderem an deutschsprachigen Lehrkräften. Wie lassen sich diese Probleme lösen?
Ich glaube, wir müssen das Thema weiter fassen, nämlich dahingehend: Erstens – was existiert bereits? Wir haben zum einen eine ganze Reihe von Muttersprachenschulen, an denen rund 21000 Schülerinnen und Schüler bis zum Abitur ausgebildet werden. Zum anderen werden an rumänischen Universitäten über 70 Fachstudiengänge in deutscher Sprache unterrichtet. Es ist schwierig, das haben Sie ganz richtig erkannt, Lehrkräfte in ausreichender Zahl zu finden, egal ob aus Deutschland entsandte oder Lehrkräfte im rumänischen Schul- und Hochschulsystem, die Sachfächer in deutscher Sprache unterrichten können Wir versuchen, über verschiedene Lösungsansätze den Anreiz zu erhöhen, dass Lehrkräfte nach Rumänien kommen oder dass sich Lehrer in Rumänien zusätzlich zu ihrer Fachkompetenz auch eine sprachliche Qualifikation erwerben, um auch in deutscher Sprache unterrichten zu können. Das wird nicht einfach sein. Wir wissen, dass das Einkommen der rumänischen Lehrkräfte insgesamt sehr gering ist und für viele eher der Anreiz besteht, mit ihren oftmals sehr guten Sprachkenntnissen in die Industrie zu gehen und in der Wirtschaft zu arbeiten. Ich bin zuversichtlich, dass es uns gelingen wird – wie wir das zum Teil schon machen, über Stipendien, vielleicht aber auch über Patenschaften, die ich angeregt habe, seitens der Siebenbürger Sachsen etwa, die hier in Deutschland leben – jüngere Menschen dafür zu gewinnen, einen Lehrerberuf zu ergreifen, der Zufriedenheit und berufliche Zukunft auch jenseits einer vielleicht noch nicht ausreichenden finanziellen Abgeltung ermöglicht.

Die ausgewanderten Siebenbürger Sachsen stellen ein Potential dar, weil sie ihre Kultur weiterpflegen wollen. Wie können sie sich nach Ihrer Meinung auch in ihrer alten Heimat, in Siebenbürgen, engagieren?
Zunächst einmal hat mir sehr gefallen, dass Dr. Hans-Georg Franchy, Vorsitzender der HOG Bistritz-Nösen e.V., in der Podiumsdiskussion angeregt hat, dass man die alte Heimat Siebenbürgen durch Besuche stärkt und dabei auch andere Menschen mitnimmt, die vorher nichts mit siebenbürgisch-sächsischer Kultur zu tun hatten und auf diese Weise sich einen unmittelbaren persönlichen Eindruck verschaffen, was an wunderbarer siebenbürgisch-sächsischer Kultur, an Historie, aber auch an sehr schöner, attraktiver Landschaft vorhanden ist. Es ist wichtig, dass sich gerade die in Siebenbürgen ansässigen Siebenbürger Sachsen auch wirtschaftlich gut entwickeln können. Vielfach ist das der Fall, aber in den eher ländlichen Regionen bedarf es der wirtschaftlichen Anreize, die beispielsweise im Tourismus bestehen können. Das Land hat dort ein großes Potential, etwa mit den wunderbaren, zum Teil restaurierten Kirchenburgen. Siebenbürgen hat auch unter diesem Gesichtspunkt viel zu bieten, und davon sollten sich möglichst viele auch selbst überzeugen können.

Sehr geehrter Herr Botschafter, vielen Dank für das Gespräch.

Schlagwörter: Interview, Botschafter, deutsch-rumänische Beziehungen, Heimattag 2014

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