9. August 2021

Kommunalpolitiker und Schulleiter: Hermann Schmidt erhält Willy-Brandt-Medaille

Dem 93-jährigen Siebenbürger Sachsen Hermann Schmidt ist die Willy-Brandt-Medaille verliehen worden. Die nach Willy Brandt, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland (1969-1974) und SPD-Parteivorsitzender (1964 bis 1987), benannte Medaille ist die höchste Auszeichnung, die die Partei zu vergeben hat. Der feierliche Akt erfolgte am 19. Juni in der Großen Kreisstadt Mössingen (Landkreis Tübingen) im Beisein der früheren Bundesjustizministerin Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin. Das Schwäbische Tagblatt berichtete über das „Mössinger SPD-Urgestein“ Schmidt unter dem Titel „Beispielhaft für Zusammenhalt und Solidarität eingesetzt“.
Der Text der Urkunde, die dem Geehrten ergänzend zur Medaille überreicht wurde, lautet: „Du verkörperst in besonderer Weise unsere sozialdemokratischen Ideale ‚Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität‘. Deine Verbundenheit mit unseren Werten und Deine Verdienste um die Partei sind beispielhaft. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands spricht Dir Dank und Anerkennung dafür aus und verleiht Dir die Gedenkmedaille Willy Brandt. Wir sind stolz, Dich in unserer Mitte zu wissen.“ Gezeichnet ist das Dokument von der SPD-Parteivorsitzenden Saskia Esken, deren Mutter als Flüchtling aus dem Egerland kam, und dem Parteivorsitzenden Norbert Walter-Borjans.
Hermann Schmidt, Träger der Willy-Brandt ...
Hermann Schmidt, Träger der Willy-Brandt-Medaille. Foto: privat
Auf die Frage, weshalb ihm diese exklusive Ehre zuteil geworden sei, erklärte Hermann Schmidt gegenüber der Siebenbürgischen Zeitung, bescheiden über sich selbst in der dritten Person sprechend: „Der konkrete Grund für die Verleihung der Willy-Brandt-Medaille ist sicherlich die Beständigkeit und Verlässlichkeit, mit der ein geehrtes SPD-Mitglied Jahrzehnte lang auf den verschiedenen Ebenen gewirkt hat.“ Dass die frühere Bundesjustizministerin Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin bei der Überreichung der Medaille zugegen war, „hängt auch damit zusammen, dass sie viele Jahre lang Bundestagsabgeordnete des Kreises Tübingen war und wir befreundet sind“.

Auch der Oberbürgermeister der Stadt Mössingen, Michael Bulander (parteilos), gratulierte in einem Glückwunschschreiben „zu dieser hochverdienten Ehrung“. Schmidt gestalte durch sein „herausragendes politisches Wirken“, so schreibt Bulander, „das demokratische Miteinander in unserer Stadt und darüber hinaus seit vielen Jahrzehnten voller Herzblut und Überzeugung mit“. Er habe die Ideale der SPD „nicht nur gelebt, sondern beispielhaft vorgelebt“. Angesichts des „stürmischen gesellschaftlichen Wandels“ und einem „vielfach feststellbaren Vertrauensverlust der Politik“ seien „Vorbilder wie Sie wichtiger denn je“.

Hermann Schmidt hat sich über Jahrzehnte für die SPD kommunalpolitisch engagiert. 1960 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern des Ortsvereins Mössingen und war auch dessen erster Vorsitzender. Nach 50-jähriger Mitgliedschaft ernannte ihn der Ortsverein zum Ehrenvorsitzenden. Zwischen 1965 und 1996 war Schmidt, mit Unterbrechungen, Mitglied des Mössinger Gemeinderats und zeitweilig stellvertretender Bürgermeister, Mitglied des Tübinger Kreistags, des Regionalverbands Neckar-Alb und Jugendschöffe beim Amtsgericht Tübingen. Das Schwäbische Tagblatt würdigt insbesondere sein Eintreten für Arbeiterrechte, das im Zusammenhang stehe mit seinem persönlichen Deportationsschicksal, aber auch mit späteren Tätigkeiten als Hilfsarbeiter in der Stahlproduktion und Kraftfahrer bei der US-Army, ehe er auf seinem Berufsweg als Schullehrer 1965 zum Rektor der Gottlieb-Rühle-Volksschule in Mössingen, seinem Wohnort, aufstieg. Von 1983 bis 1990 war Schmidt Geschäftsführender Schulleiter der Stadt Mössingen, bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1990.

Nach den prägenden Erfahrungen aus seinem Leben in Siebenbürgen gefragt, entgegnet der greise Landsmann, dass er nach geglückter Flucht aus Siebenbürgen Mitte Dezember 1947 seinen 20. Geburtstag im Westen, in Österreich gefeiert habe. Die erste Flucht nach Hause sei ihm bereits mit 17 Jahren im Sommer 1945 aus dem Kohlenbergwerk Petrowka bei Donezk gelungen. Mehr stehe in seinem Buch „Vom Alt zur Alb“, das allerdings nicht mehr verlegt werde. Siebenbürgen habe er „in politisch aufgewühlter Zeit und im Krieg“ erlebt: „geprägt von der Erneuerungsbewegung, als Mitglied der DJ, dem kameradschaftlichen Zusammenleben der Schüler im Untergymnasium in Schäßburg, besonders im Internat ‚Alberthaus‘ und dann im Lehrerseminar in Hermannstadt. Sport, vor allem Handball, Bergtouren und Wanderungen füllten die Freizeit aus“, erinnert sich der aus Marienburg bei Kronstadt stammende Landsmann. Aus seiner Verbundenheit mit Siebenbürgen heraus engagierte sich Schmidt auch in der neuen Heimat für die Gemeinschaft. 1953 unterstützte er die Gründung der Kreisgruppe Reutlingen. Im Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde e.V. Heidelberg (AKSL), dem er seit dessen Gründungsjahr 1962 angehört, arbeitete er aktiv in der Sektion Pädagogik und Schulgeschichte mit.

Der heute 93-jährige Landsmann ist seit November 2020 verwitwet (nach über 60-jähriger Ehe), hat fünf Kinder, sieben Enkelkinder und einen Urenkel. Angesprochen auf sein Lebensmotto, erwidert Hermann Schmidt kurz und bündig: „Wer wagt, gewinnt.“

Christian Schoger



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Schlagwörter: Schmidt, Mössingen, Ehrung, SPD, Brandt, Bundeskanzler, Parteivorsitzender, Soziales, Arbeitsrecht, Heidelberg, AKSL, Hermannstadt

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