15. März 2003

Dr. Armin Hiller

Seit Oktober 2001 ist Dr. Armin Hiller Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Rumänien. Seine abwechslungsreiche Diplomatenlaufbahn brachte den 1938 in Perleberg/Westprignitz geborenen, studierten Juristen schon in die verschiedensten Erdkreise. Ob als Verkehrsreferent der deutschen Botschaft in Washington oder als ständiger Vertreter des Leiters bzw. als Leiter der deutschen Botschaften in Maputo, Brazzaville, Prag und, zuletzt, Lagos. Über seine besonderen Erfahrungen als deutscher Botschafter in Bukarest gab Dr. Hiller im folgenden Gespräch mit Robert Sonnleitner Auskunft.
Herr Botschafter, mit welchen Erwartungen sind Sie ins Land gekommen? Wurden Sie angenehm oder eher unangenehm überrascht?

Bevor ich den Posten in Bukarest antrat, habe ich mich selbstverständlich über mein zukünftiges Gastland, über seine politische, wirtschaftliche und kulturelle Situation eingehend informiert. Als meine Frau und ich in Bukarest eintrafen - wir kamen direkt aus Afrika - wussten wir beide schon nach wenigen Tagen, dass wir "nach Hause" zurückgekehrt und in einem Land waren, das wie Deutschland zu Europa gehört und dessen Kultur uns vertraut war. Die warmherzige, gastfreundliche Aufnahme und eine große Offenheit und Freundschaft für Deutschland, die wir - sowohl auf allen Ebenen des offiziellen Rumäniens als auch bei den Menschen, denen wir im Alltag begegnet sind - wahrnahmen, haben uns das Eingewöhnen und die Arbeit leicht gemacht.

Herr Hiller, gehen deutsche Diplomaten gerne nach Rumänien?

Es gab in der Vergangenheit manche Vorurteile und negative Klischees. Selbst manche meiner Kollegen im Auswärtigen Amt waren nicht frei davon. Dies hat sich aber in den letzten Jahren entscheidend geändert. Im vergangenen Jahr war ein Referenten-Posten an der Botschaft Bukarest derjenige, für den sich innerhalb des Auswärtigen Amtes die meisten Bewerber überhaupt bewarben, noch vor Posten in New York, Paris oder Rom.

Wie würden Sie die Mentalität der Rumänen charakterisieren? Haben Sie den Eindruck, dass sich die Einstellung der Menschen in Rumänien ändert bzw. geändert hat?

Ich habe im Laufe meines Berufslebens gelernt, sehr vorsichtig mit dem Begriff "Mentalität" umzugehen; denn ein Volk besteht aus Menschen, und diese entziehen sich insoweit einer summarischen Einordnung in irgendwelche Raster. Gleichwohl: Ich habe die Rumänen als ein warmherziges und freundliches Volk kennen gelernt. Sie waren und sind hilfsbereit und gastfreundlich. Sie sind aufgeschlossen und gut ausgebildet und verfügen über gute Voraussetzungen für eine schnelle Integration in die euro-atlantischen Strukturen. Ich habe hier viele Menschen getroffen, die sich in gesellschaftlichen Bereichen engagieren, die viel Zeit, Geduld und Anstrengungen in den Aufbau von Firmen und Wirtschaftsunternehmen investieren. Die Menschen scheinen sich jedoch auch in Rumänien zu ändern, jedenfalls in den Städten. Sie scheinen den gleichen Alltagsstress zu entwickeln, wie wir Westeuropäer ihn schon seit längerem beklagen.

Umreißen Sie bitte den Aufgabenbereich einer deutschen Botschaft. Was verbirgt sich hinter der "konsularischen Tätigkeit für deutsche Staatsangehörige"?

Die Botschaft ist für das Gesamtspektrum der Beziehungen zwischen dem Entsendestaat und dem Gastland - also für die politischen, wirtschaftlichen und Kulturbeziehungen zuständig.
"Die Rechts- und Konsularabteilung ist so etwas wie ein Rathaus oder Notariat für unsere Landsleute im Ausland, die sich zum Beispiel in Pass- und Personenstandsangelegenheiten an uns wenden. Wir beglaubigen Unterschriften, stellen Pässe und Zeugnisse aus, geben Informationen weiter und helfen in Notfällen. Natürlich steht die Rechts- und Konsularabteilung auch Rumänen zur Verfügung.
"Die politische Abteilung - ein Kerngeschäft unserer Tätigkeit - verfolgt die Ereignisse und Entwicklungen in Rumänien. Sie erläutert und vertritt die Politik der Bundesregierung gegenüber den Behörden des Gastlandes, stellt Kontakte zwischen Politikern, Parlamentariern und anderen Repräsentanten beider Länder her und nimmt daneben eine Vielzahl von Aufgaben wahr, die alle dazu dienen, die Beziehungen zwischen Deutschland und Rumänien auszubauen und zu vertiefen.
"Die Wirtschaftsabteilung kümmert sich um die Außenwirtschaftsförderung, um deutsche Investitionen und beobachtet die Investitionsbedingungen vor Ort. Sie steht aber auch Rumänen mit Rat und Tat zur Seite, die in Deutschland investieren oder rumänische Produkte verkaufen wollen.
"Das Referat für wirtschaftliche Zusammenarbeit koordiniert Projekte der wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenarbeit - eine Aufgabe, die insbesondere auch im Rahmen der EU-Unterstützungsprogramme zunehmend an Bedeutung gewinnt.
"Die Kulturabteilung hat die Aufgabe, die auswärtige Kulturpolitik in Rumänien umzusetzen. Ein intensiver Kulturaustausch zählt zu den tragenden Säulen unserer Außenpolitik. Darunter verstehen wir keineswegs etwa einen einseitigen Kulturexport, sondern eine Zweibahnstraße, die dazu dient, Kulturen miteinander in Verbindung zu bringen und damit einer menschlichen Dimension der Außenpolitik Raum und Einfluss zu geben. Wichtig ist natürlich auch die Vermittlung eines möglichst umfassenden, ausschließlich an der Realität orientierten Deutschlandbildes und - insbesondere in Rumänien ein Schwerpunkt - die Förderung der deutschen Sprache, die hier über eine lange und lebendige Tradition verfügt.
"Das Minderheitenreferat, das nicht zur "Standardausstattung" von Botschaften gehört und insoweit nur an wenigen Vertretungen vorhanden ist, kümmert sich in Rumänien in erster Linie, aber nicht ausschließlich um die deutsche Minderheit, die - hierin liegt ihre Bedeutung für die bilateralen Beziehungen - eine wichtige Brückenfunktion zwischen unseren Ländern hat und haben soll.
"Schließlich gibt es ein Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, das zuständig ist für Pressekontakte im Gastland und mit Deutschland. Zu seinen Aufgaben gehört das, was man heute als "public diplomacy" umschreibt - die Wahrnehmung eines Aufgabenkanons, der in Demokratien und in offenen, pluralistischen Gesellschaften immer bedeutender für die Beziehungen zwischen Staaten und Gesellschaften wird.

Wie sehen Sie die Vorurteile der Deutschen gegenüber Rumänien?

Vorurteile sind Stereotypen, hinter denen sich häufig ein Mangel an Kenntnissen und Informationen verbirgt. Sie werden in offenen Gesellschaften, in denen die Massenmedien eine beherrschende Rolle spielen, dadurch verstärkt, dass häufig nur Katastrophenmeldungen einen Nachrichtenwert haben. Diese Mechanismen gelten natürlich auch für Vorurteile, die es in Deutschland gegenüber Rumänien gibt und die sich - um einige Beispiele zu nennen - auf Aids-Kinder, Räuberbanden und finstere Securitate-Agenten beziehen. Solche falschen Verallgemeinerungen müssen korrigiert werden. Eine Aufgabe, die wir gemeinsam wahrnehmen müssen durch die Vermittlung von Informationen, die sich an den Realitäten orientieren. So fördert und unterstützt die Botschaft Besuche deutscher Journalisten und Medienvertreter in Rumänien. Uns liegt daran, dass Rumänien als unser zukünftiger Partner in der Europäischen Union von der deutschen Öffentlichkeit fair und umfassend wahrgenommen wird.

Wie bringen Sie der rumänischen Bevölkerung Deutschland näher?

Viele Rumänen haben ein differenziertes Bild von Deutschland. Dies hat vielerlei Gründe, angefangen von einer weit in die Vergangenheit reichenden gemeinsamen Geschichte mit einer früher sehr starken deutschen Minderheit, die maßgeblich zum Deutschlandbild der Rumänen beigetragen hat und immer noch beiträgt. Die räumliche Nähe zu Deutschland ermöglichte vielen einen Reiseaufenthalt. Es gibt deutsche TV-Programme in fast allen Kabelnetzen des Landes, die über Deutschland und Deutsche berichten. Ich möchte auch den hiesigen Medien in diesem Zusammenhang ein Kompliment machen: Sie berichten ausführlich, faktisch meist korrekt und häufig mit Sympathie über das größte und wirtschaftlich stärkste Land der Europäischen Union und seine vielfältigen Bindungen zu Rumänien. Die Aufgabe der Botschaft besteht nun darin, weiterführende und vertiefte Informationen zu Einzelfragen oder bilateral besonders interessierenden Bereichen zu geben.

Traditionell besteht eine kulturelle Verbindung zwischen Rumänien und Frankreich. Hat Rumänien inzwischen auch eine gewisse Affinität zu Deutschland?

Wir haben vor wenigen Tagen in Bukarest, zusammen mit Frankreich, den 40. Jahrestag der Unterzeichnung des Elysée-Vertrages gefeiert. Mein französischer Kollege, Philippe Etienne, und ich waren uns von Anfang an darin einig, dieses wichtige Ereignis nicht nur in einen bilateralen Kontext zu stellen, sondern seine europäische Dimension zu betonen und Rumänien mit einzubeziehen. Wir waren deshalb sehr dankbar, dass Staatspräsident Iliescu uns in dieser Absicht unterstützt und aus diesem Anlass einen Festakt ausgerichtet hat. Der Präsident wies in seiner Ansprache zu Recht darauf hin, dass die Beziehungen Rumäniens zu Deutschland genau so eng sind wie die zu Frankreich. Er führte aus, dass Deutsche seit über 800 Jahren auf dem Gebiet Rumäniens leben und einen entscheidenden Beitrag zur Geschichte und zum Aufbau des Landes geleistet haben. Damit hat Präsident Iliescu einen Punkt unterstrichen, der - davon bin ich überzeugt - über den Alltag hinaus für das Verhältnis beider Länder eine ganz besondere Bedeutung hat und auch in der Zukunft haben wird.

Ist es Ihre Aufgabe, die deutsche Minderheit zum Bleiben in ihren Gemeinden zu bewegen?

Die Zukunft der deutschen Minderheit in Rumänien, die zahlenmäßig stark zurückgegangen ist, aber immer noch gut 60 000 Menschen umfasst, hängt in entscheidender Weise davon ab, wie sie sich selbst und ihre Rolle in ihrer rumänischen Heimat definiert. Sie hat nach der politischen Wende von 1989 die Möglichkeit erhalten und auch genutzt, sich zu organisieren und für ihre Interessen wirksam einzutreten. Sie hat damit begonnen, die wirtschaftlichen Grundlagen für eine Zukunft in Rumänien zu schaffen. Die Botschaft sieht es nicht als ihre Aufgabe an, die deutsche Minderheit in irgendeiner Weise zu beeinflussen, also sie etwa indirekt zum Bleiben oder zum Gehen zu ermuntern. Wir hoffen, dass möglichst viele bleiben, damit die traditionellen Bindungen und Verbindungen zwischen unseren Ländern, für die die Minderheit mit ihrer Brückenfunktion eine wichtige Rolle spielt, erhalten und weitergeführt werden. Es ist daher unser Bestreben dabei mitzuhelfen, dass diejenigen aus der deutschen Minderheit, die in Rumänien ihre Zukunft sehen, dies unter den bestmöglichen Umständen tun können. Deshalb unterstützen wir die Organisationen der Deutschen in Rumänien und sprechen mit der rumänischen Regierung, die ebenfalls einen anerkennenswerten Beitrag leistet, damit die Rumäniendeutschen die zum Bleiben erforderlichen Rahmenbedingungen haben.

Wie beurteilen Sie die Bedeutung der siebenbürgisch-sächsischen Einrichtungen im Westen?

Die Organisationen der Siebenbürger Sachsen haben eine wichtige Rolle bei der Artikulierung der Interessen der Deutschen aus Siebenbürgen, etwa gegenüber der Bundesregierung oder der deutschen Gesellschaft. Dies haben sie stets fair und loyal zu ihrer früheren rumänischen Heimat getan und damit das Verhältnis zwischen beiden Ländern positiv beeinflusst. Nach der politischen Wende konnten sie auch den hier verbliebenen Landsleuten besser mit Rat und Tat beistehen. Ohne diese Organisationen hätten sich die ausgesiedelten Sachsen in Deutschland viel schwerer getan, ohne sie würde aber auch in den alten sächsischen Gemeinden in Rumänien weniger geschehen, etwa in Bereichen der Denkmalspflege oder der sozialen Belange.

Viele in Deutschland lebenden Siebenbürger Sachsen sind als Spätaussiedler im Besitz der doppelten Staatsbürgerschaft. Wie reagieren die deutschen Behörden, wenn ein Doppelstaatler z.B. in Rumänien in Not gerät?

Deutschland und mit ihm ein großer Teil der internationalen Gemeinschaft sehen in dem Instrument der Mehrfach-Staatsangehörigkeit keinen erstrebenswerten Zustand. Dieses Prinzip steht auch hinter dem deutschen Staatsangehörigkeitsrecht, das in der Regel eine mehrfache Staatsangehörigkeit ausschließt. Ein Mehrfach-Staatler kann sich in der Regel nicht aussuchen, welche Staatsangehörigkeit einem Drittstaat gegenüber gelten soll. Diese Entscheidung liegt bei dem Drittstaat. Das hat mitunter schwerwiegende Konsequenzen, zum Beispiel in Auslieferungsfragen.
Für den Siebenbürger Sachsen in Deutschland, der auch im Besitz der rumänischen Staatsangehörigkeit ist, bedeutet das, dass er im Falle eines juristischen Problems in Rumänien von den rumänischen Behörden als rumänischer Staatsbürger behandelt wird. Die deutsche Botschaft würde im Falle einer Inhaftierung auch nicht automatisch benachrichtigt. Sie könnte dem Betroffenen keine uneingeschränkte konsularische Unterstützung gewähren.

Was unternimmt die deutsche Regierung und deren Botschaft in Bukarest, um Rumänien für deutsche Investoren interessant zu machen?

Es ist vor allem Aufgabe der Regierung, den Wirtschaftsstandort Rumänien für Auslandsinvestitionen attraktiv zu machen. Sie muss wettbewerbsfähige Investitionsbedingungen schaffen und für ein gutes Investitionsklima sorgen. Dazu gehören Rechtssicherheit, Verwaltungsvereinfachung, Korruptionsbekämpfung und eine investorenfreundliche Einstellung der Behörden. Die rumänische Regierung hat bereits viel getan, um Auslandsinvestitionen in Rumänien zu fördern. Es gibt aber noch Defizite, die abgebaut werden müssen.
Deutschland - und damit auch die Botschaft - leistet allerdings auch seinen Beitrag, um deutsche Unternehmen nach Rumänien zu bringen. Im vergangenen Jahr haben wir eine groß angelegte Studie über das Investitionsklima finanziert und der rumänischen Regierung übergeben. Im September 2002 wurde in Bukarest die Deutsch-Rumänische Außenhandelskammer eröffnet. Die Kammer wirbt bei Fachveranstaltungen in Deutschland um deutsche Investoren für Rumänien und kümmert sich um bereits ansässige Unternehmen. In die gleiche Richtung zielt auch die Arbeit der Wirtschaftsabteilung der Botschaft. Wir haben angesichts des in absehbarer Zeit bevorstehenden Beitritts Rumäniens zur Europäischen Union ein gemeinsames Interesse daran, die Handels- und Investitionsbeziehungen so eng wie möglich zu gestalten.

Wo kann man mehr über die Arbeit der Deutschen Botschaft in Rumänien erfahren?

Die Homepage der Deutschen Botschaft in Bukarest finden Sie im Internet unter der Adresse www.deutschebotschaft-bukarest.ro. Dort erhalten Sie zusätzliche Informationen und können auch mit uns Kontakt aufnehmen. Unabhängig hiervon steht die Botschaft mit ihren Mitarbeitern jederzeit zur Beantwortung von Fragen zur Verfügung und ist bei der Beschaffung von Informationen behilflich.

Herr Botschafter, vielen Dank für das Gespräch.

Link: Deutsche Botschaft in Rumänien

Schlagwörter: Interview, Politik

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