18. September 2010

Hermannstädter Singgruppe „Sälwerfäddem“ bringt Herbststimmung nach Heilbronn

„Sälwerfäddem härwestlich en brongem Hoor, wä wangderlich!“ - das Lied von Grete Lienert (Text) und Hans Mild (Melodie) wirkte in mancherlei Hinsicht programmatisch, und es wird uns, die Sängerinnen und Sänger des Liederkranzes der Siebenbürger Sachsen Heilbronn, sooft wir es singen an ein ganz besonderes Wochenende erinnern: an den Besuch der Hermannstädter Singgruppe, die sich diesen Namen gegeben hat, denn „et hunn sich än diem brongen Hoor diër Fäddem vill gefången“.
Die „Sälwerfäddem“ kamen passend zum Herbstbeginn zu uns. Warm, freundlich, ein bisschen wehmütig war dieses sonnige Herbstwochenende Anfang September. Es war ein Wochenende der Begegnungen. Dabei waren wir alle gemäß dem Motto des diesjährigen Heimattages „Gemeinsam unterwegs“, wie Christa Andree, Vorsitzende der Kreisgruppe Heilbronn, in ihrem Begrüßungswort am Samstag vor Konzertbeginn im Bürgerhaus Böckingen feststellte.

Auch Pfarrer Walther Seidner, Mitglied der Singgruppe und Meister des Wortspiels, empfand sich dabei als „seidner“ Faden, der „Sälwerfäddem“ vorstellte, indem er durch seinen Beitrag zwei Nachbarschaften miteinander verband: „de iwerscht“, die der Siebenbürger, die „oben“ leben, hauptsächlich im geographischen Sinn, der im Laufe der Zeit jedoch allerlei Konnotationen erfahren hatte, und „de nederscht“, die im südlicher liegenden Siebenbürgen lebenden Landsleute, hier vertreten eben durch „Sälwerfädem“. Der für Pfr. Seidner typische Humor fand auch an diesem Abend viel Anerkennung.

„Gemeinsam unterwegs“ war man auf vielfältige Weise, zum Beispiel kulinarisch: Unsere fleißigen ehrenamtlichen Köchinnen Senta Schuller, Gertraud Grempels und Christa Andree hatten sich zum Empfang der Gäste im Haus der Siebenbürger Sachsen in Heilbronn-Böckingen am Freitagabend für das „Böckinger Feldg’schrei“, schwäbische Hausmannkost, am Samstagmittag hingegen, „echt“ siebenbürgisch, für ein deftiges Szegediner Gulasch entschieden und sie ernteten viel Lob. Cremeschnitten und Baumstriezel vervollständigten die siebenbürgische Tafel. Schon der erste Abend entwickelte sich für Gäste und Gastgeber zum gemütlichen Beisammensein.

Am Samstag war man „gemeinsam unterwegs“ auf der Stadtrundfahrt in Heilbronn, bevor man sich für das Konzert fein machte. Im Bürgerhaus Böckingen erlebten wir den Auftritt der „Sälwerfäddem“. Der Vorsitzende der Landesgruppe Baden-Württemberg, Alfred Mrass, begrüßte die Gäste und stellte fest, dass Veranstaltungen dieser Art dazu beitrügen, Einheit, Identität und Zusammenhalt innerhalb des Völkchens der Siebenbürger Sachsen zu fördern, und zeigten, dass „die Gräben zwischen den Ausgewanderten und den Daheimgebliebenen größtenteils zugeschüttet sind, auch wenn nicht alle dies erkannt haben.“

Das Wort hatte nun die Singgruppe „Sälwerfäddem“, bestehend aus zwölf Damen und drei Herren. Kein Chor, wie Ingrid Buertmes, die durch das Programm führte, verdeutlichte. Erstens seien „Sälwerfäddem“ für einen Chor zu klein, und zweitens hätten sie keinen Dirigenten. Wir erfuhren die Vielfalt des siebenbürgisch-sächsischen Volksliedes, Fröhliches und Melancholisches, wohl bekannte Weisen wie „Willst du Gottes Werke schauen“ zum Auftakt, Heimisches aus der Feder von Grete Lienert wie „Der Owend kit erun“, „Sommmerowend“, „Der Kuckuck“, das niedliche „Bromerchen“ von Fritz Schuller, aber auch weniger geläufige Lieder wie etwa die Vertonung von Gedichten Frida Binder-Radlers: „Ech hiurt de Viujel saingen“, „Um Brännchen“, einfühlsam vorgetragen, sehr wirkungsvoll begleitet von je einer Blockflöte, Gitarre und Mandoline, wohltuende Harmonie. Abgerundet wurde der Vortrag durch die beiden rumänischen Volkslieder „De-ar fi mândra-n deal“ und „Ciobănaș cu trei sute de oi“, für die die Singgruppe viel Applaus erntete. Besonders beeindruckten die Interpretationen des „Wäjeliedchen“ von Grete Lienert und des „Wälden Vijelchen“. „Unsere sächsische Seele hat geklungen“, stellte Alfred Mrass in seinem Dankwort fest. „Es war Gesang von Herz zu Herz“, empfand Hilda Femmig, Dichterin und ehemalige Chorsängerin.
Die Singgruppe „Sälwerfäddem“ in der Heilbronner ...
Die Singgruppe „Sälwerfäddem“ in der Heilbronner Auferstehungskirche. Foto: Alex Wolf
Das Motto „Gemeinsam unterwegs“ entwickelte auch weitere Nuancen. Der Gitarrist Dorin Neamtu hat sich als Rumäne den „Sälwerfäddem“ wie selbstverständlich angeschlossen. Ileana Constantiniu, die kein Deutsch, geschweige denn Sächsisch spricht, sah in ihrer siebenbürgisch-sächsischen Tracht adrett aus. Sie war eine der Damen des Quartetts und trug die Lieder in siebenbürgischer Mundart mit viel Hingabe vor.

Der Liederkranz der Siebenbürger Sachsen unter der Leitung von Melitta Wonner, eine der Kulturgruppen der in der ersten Etappe gastgebenden Kreisgruppe Heilbronn, ergänzte das Programm der „Sälwerfäddem“ durch den Vortrag von vier Stücken. Zum Abschluss sangen beide Chöre zusammen „Af deser Ierd“ und „De Astern“. Die Konzertbesucher stimmten mit ein. Schließlich spielten die „Neckartalmusikanten“, die siebenbürgische Blaskapelle von Bietigheim-Bissingen, mit viel Schwung zum Tanz auf, wobei Walter Theiss gekonnt moderierte.

Am Sonntag stand der Gottesdienst in der Auferstehungskirche in Heilbronn-Böckingen im Zeichen Siebenbürgens. Als die „Sälwerfäddem“ in Tracht singend vor dem Altarraum standen, sich ganz leise im Takt des jeweiligen Chorals wiegten, hätte man in der voll besetzten Kirche die berühmte Nadel fallen hören. Auch hier: vertraute Lieder, aber auch Neues, feierlich beschwingt, harmonisch vorgetragen.

In seiner Predigt baute Walther Seidner auf den Wochenspruch auf: „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Pfarrer Seidners Predigt, die dieser mit den Grüßen seitens seiner Stolzenburger Kirchengemeinde beschloss, war „echt“ siebenbürgisch: frei gesprochen, aus dem Leben gegriffen, auf das Leben bezogen, sehr lehrreich. Wir fühlten uns in frühere Zeiten versetzt. Der Klingenberger Pfarrer Klaus Aller, der in diesem Gottesdienst für die Liturgie zuständig war, dankte dann auch für die Horizonterweiterung, geographisch wie geistig. Wir Heilbronner empfanden es als Fügung, dass im Rahmen dieses Gottesdienstes eines lieben, von uns allen sehr geschätzten Mannes gedacht wurde, der einige Tage zuvor verstorben war: Kurt Speil, langjähriger Leiter des Orchesters der Kreisgruppe Heilbronn.

Im Anschluss an diesen etwas anderen Gottesdienst lud die Kirchengemeinde der Auferstehungskirche zu einem Ständerling ein, den Dekan i.R. Hermann Schuller mit einem Gruß- und Dankwort einleitete und der Gelegenheit zu weiterem Austausch bot. „Sälwerfäddem“ setzten danach ihr Programm fort. Zum Mittagessen ging es nach Gundelsheim in das Heimathaus Siebenbürgen, das Alten- und Pflegeheim auf Schloss Horneck. Bernd Schütz, der 1. Vorsitzende des Hilfsvereins „Johannes Honterus“, begrüßte die Gäste und stellte die Geschichte des Hauses vor. In der Siebenbürgischen Bibliothek zeigte Dr. Annemarie Weber die Schätze, im Siebenbürgischen Museum erläuterte Marius Tataru dessen Konzeption und die Exponate der einzelnen Räume. Zur Freude der Heimbewohner gaben „Sälwerfäddem“ ein kleines Chorkonzert auf der Pflegestation. Nach Kaffee und Kuchen trat man die Rückfahrt nach Heilbronn an, um den letzten Abend vor der Weiterfahrt nach Stuttgart mit den Gastgebern zu verbringen.

Für die Heilbronner Gastfamilien, zum Teil Mitglieder des Liederkranzes der Siebenbürger Sachsen, stellte der Besuch aus Hermannstadt eine Bereicherung dar. Es war eine Freude zu sehen, welche Mühe die Hermannstädter Sängerinnen und Sänger, viele unter ihnen durchaus in recht fortgeschrittenem Alter, auf sich genommen haben, um zu uns zu kommen, uns zu zeigen, auf welch erfrischende, beeindruckende Weise sie in der alten Heimat unser Brauchtum pflegen. „Sälwerfäddem“ werden für uns ein Ansporn sein. Volksgut, Tradition, Brauchtum, das geistige Erbe verpflichten zur Pflege und zur Übermittlung an die nächsten Generationen.

Hannelore Schuster

Schlagwörter: Heilbronn, Konzert, Hermannstadt

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