23. Juli 2011

Rosenheimer auf Erlebnisreise jenseits des Polarkreises

Ende Mai startete eine Gruppe von 21 Personen vom Münchener Flughafen nach Tromsø, dem Paris des Nordens, mit unserem Reiserführer Georg, einem Norwegenkenner. Erfreulicherweise hatte sich auch ein Ehepaar aus dem Allgäu und ein weiteres Ehepaar, „echte Sachsen“ aus dem Vogtland, unserer Gruppe angeschlossen. Nach einem ruhigen Flug landeten wir sanft am Ziel. Bei leichtem Schneeregen empfing uns Erik, unser Busfah-rer, mit einem beeindruckenden norwegischen Lied und fuhr uns ins Hotel. Ein kleiner Stadtspaziergang nach dem Abendessen sorgte für die nötige Nachtruhe.
Am nächsten Morgen ging es durch Nordnorwegen nach Schweden bis zum Abisko- Nationalpark, der für seine reiche Gebirgsflora und spezifische nordische Landschaft bekannt ist und bereits seit 1909 als Nationalpark ausgewiesen ist. Die Weiterfahrt ging auf den guten Straßen in das durch den Eisenerzbergbau geprägte Kiruna. In der nördlichsten Stadt Schwedens besichtigten wir die weltweit größte Erzlagerstätte und fuhren mit einem Sonderbus bis auf 500 m unter Tage. Wir bekamen gelbe Schutzhelme und folgten der Englisch sprechenden Führung in die stillgelegten Stollen. Viele Schaubilder und ein Film (in deutscher Sprache) ergänzten das Gesagte. Das harte Magnetiterz wird angebohrt, gesprengt und zu etwa kirschgroßen Pellets in Drehrohröfen verarbeitet. Diese werden dann mit der Lofotenbahn nach Narvik in Norwegen verschickt und gehen von da aus in alle Welt, um in Hochöfen geschmolzen und weiterverarbeitet zu werden. Wir konnten die riesengroßen Maschinen und Bagger bestaunen, die alle ferngesteuert werden. Wir besichtigten auch das unterirdische Bergwerkmuseum. Da die Mine erweitert werden soll, muss ein Teil der Stadt verlegt werden. Zum Opfer fallen auch bedeutende Bauten, die aber wieder aufgebaut werden sollen. Sehenswert ist die aus Holz erbaute Kiruna Kyrka, die den traditionellen Samen-Hütten nachempfunden ist. Die Samen, eine nomadisierende indigene Bevölkerung, lebt von Jagd, Fischfang, Rentierzucht, und Kunsthandwerk. Die zwölf vergoldeten Holzstatuen auf dem Dach der Kirche symbolisieren menschliche Gefühle. Ein Spaziergang führte uns ins Zentrum der Stadt, wo auch das Modell einer deutschen Maxus-Rakete steht, die von einer Münchner Firma geliefert wurde und für Versuche in der Schwerelosigkeit in einem Parabelflug im Raum bestimmt ist.
Rosenheimer Reisegruppe vor der Holzkirche in ...
Rosenheimer Reisegruppe vor der Holzkirche in Kiruna (Schweden). Foto: A. Frank
Auf der Rückfahrt nach Norwegen konnten wir die Landschaft noch einmal genießen. Die Lappenpforte, ein halbkreisförmiges Trogtal, das Wahrzeichen dieser Gegend, zeigte sich von seiner schönsten Ansicht: Blumenwiesen, Gewässer, und Berge, ab und zu rot an-gemalte Ferienhäuser. In Riksgränsen bestiegen wir die Lapplandbahn und fuhren nach Narvik. Der Ausblick war gigantisch: über 1 000 m hohe Berge, hie und da ein Lichtblick, die raue Natur. Wir wurden auch auf die Unterschiede zwischen Fjord (schmaler langer Meeresarm) und Sund (Meerenge) aufmerksam gemacht. In Narvik wartete bereits der Bus und fuhr uns ins Hotel. Durch den Golfstrom ist die Hafenstadt eisfrei. Die Verladeanlage für das schwedische Erz liegt auf einer ins Meer ragenden Landzunge und ist die größte und modernste der Welt. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt zerstört. Die Lofotenstraße führte uns zur weltbekannten Inselgruppe, die nördlich des Polarkreises liegt. Die Inseln des Lichts zeigen sich teilweise gebirgig, wild und baumlos, aber auch grün, mit malerischen Fischerhütten, kleinen Häfen und schroffen Felsen, die aus dem Meer wachsen. Die wichtigsten Inseln sind durch Brücken und Tunnel miteinander verbunden. Die Landschaft wird geprägt durch Sandstrände, Wiesen, Felsen, Sümpfe, Seen sowie durch schneebedeckte Berge. Hier geht die Sonne im Sommer nicht unter. Das Klima ist relativ mild. Der deutsche Kaiser Wilhelm II liebte die Lofoten und kam jährlich zur Sommerfrische her. Zu seinem Gedenken gibt es in Digermühlen eine Gedenkstätte.

Beeindruckend war das Wikingermuseum in Borg. Auf einer Wiese weideten Kühe ohne Hörner. Wir besichtigten die Rekonstruktion eines 83 Meter langen Häuptlingssitzes, der etwa um 500 nach Christus hier errichtet wurde. Eine deutschsprachige Führung erklärte uns alles Wissenswerte. Ein offenes Feuer verbreitete wohlige Wärme. Düsteres Licht schimmerte von den Deckenlampen. Der Geruch von Holz und Teer stieg auf. Aus Blechstreifen zusammengenietete Kessel, Feuerzangen, Schürhaken, Geschirr aus Speck-stein und sonstige Haushaltsgeräte, Wohnungseinrichtungen, Betten, Felle, Kleidung und Gebrauchsgegenstände, aber auch Kettenhemden und Helme und der Aufbau von Schiffen sind zu sehen. Wir fühlten uns in die Wikingerzeit zurückversetzt. Die Holzpfosten, die das Dach tragen, sind mit Schnitzereien versehen, die ein kraftvoll wirkendes Muster erkennen lassen. Auch Silberarbeiten lassen eine ausgereifte Technik in filigranem Stil erkennen. Schwertgriffe, Halsketten und Medaillons bildeten die Prunkstücke der Metallverarbeitung. In Holz oder Stein eingeritzte Runen-Inschriften erinnern an besondere Ereignisse.

Dann fuhren wir durch Reine. Es kam uns vor, als wenn es das Ende der Welt sei. Neben der Straße sahen wir an Holzgestellen aufgehängte Stockfische, vor allem Kabeljau, die durch Trocknen haltbar gemacht werden und als Leckerbissen weltweit exportiert werden. Der Besuch in der Malselv-Kirche, den unsere beiden Begleiter speziell für uns organisiert hatten, war überwältigend. Zuerst sangen wir in der Kirche die Melodie, die wir schon vorher gelernt hatten, natürlich norwegisch und anschließend wurde uns eine mit der norwegischen Flagge geschmückte Sahnetorte serviert, die hervorragend schmeckte. Selbstverständlich trugen wir uns ins Gästebuch der Kirche ein. Die Schiffsfahrt in den Trollfjord war ein besonderes Erlebnis. Spät am Abend ging es los. Es wehte ein eiskalter Wind und wir bekamen warme Schutzkleidung, mit der wir die mehrstündige Fahrt gut überstehen konnten. Möwen, die unser Schiff begleiteten, konnten aus der Hand gefüttert werden. Bald näherte sich auch ein 45-jähriger Seeadler mit einer Spannweite von 2,75 m. Einige Teilnehmer fischten erfolgreich mit einer Angel und ein Schiffsjunge servierte Süßigkeiten. Wir erfuhren, dass der Adler, als es ihm nicht besonders gut ging, von den Bootsleuten gepflegt und gefüttert wurde. Dann kam der große Moment: Das Hurtigrutenschiff „Nordnorge“ näherte sich uns und fuhr in den Trollfjord ein. Der Bootsführer lenkte unser Schiff an die schmalste Stelle des Fjords, so dass das Schiff nicht vorbei konnte. Wir spielten die Piraten und brüllten vor Freude, als das Schiff auf der Stelle wendete und in eine andere Richtung fuhr. Erik, unser Fahrer, sang „O sole mio“. Anschließend gab es eine himmlische Fischsuppe. Spät in der Nacht fielen wir im Hotel in die Betten, dabei war es noch taghell.

Das Kriegsmuseum in Svolvaer, der Hauptstadt der Lofoten, erinnert mit einer Sammlung von Waffen, Uniformen, Bildern, Bomben, Abzeichen und sonstigem Kriegsgerät aller kriegsbeteiligten Länder an den Zweiten Weltkrieg. Im Trollmuseum erfuhren wir, dass Trolle nicht geärgert werden dürfen. Es gibt, wie bei den Menschen, böse und gute Exemplare. Sie leben in Bergen unter Brücken, sind bucklig, haben lange Nasen und einen einfältigen Blick. Kleine aufgeschichtete Steinpyramiden am Wegrand stimmen die Trolle der Umgebung freundlich. Neben den vielen Trollgestalten gab es auch einen Weg, auf dem die Fuß- und Handabdrücke verschiedener Persönlichkeiten in einer Zementplatte eingegossen sind. Darunter auch die von der norwegischen Sängerin Anita Hegeland, die als 10-Jährige, 1971 mit Roy Black das Lied „Schön ist es auf der Welt zu sein“ sang. Auf dieser Reise hatten wir ein typisch norwegisches Erlebnis und zwar die Fährüber-fahrten von Fiskebøl nach Melbu, von den Lofoten zu den Vesterålen und am nächsten Tag von Andenes hinüber nach Gryllefjord auf der Insel Senja. Wir erlebten krasse und sanfte Bergformationen, Strandebenen, Ackerland, Wald, Moorlandschaften und Seen. Die wichtigsten Orte auf der Strecke sind Stokmarknes, Heimat der Hurtigruten, wo wir auch das Museum besuchten, und Sortland. Auf der Fahrt genossen wir den schönen Ausblick auf das offene Meer und den Atlantik. Unterwegs stieg der Gitarrist Arild in den Bus ein und unterhielt uns mit norwegischen Volksliedern. Von uns erklangen „So ein Tag, so schön wie heute“ und „Kein schöner Land“. Über die Gisundbrücke, eine der längsten Pfeilerbrücken Europas, erreichten wir Tromsø, die „Pforte zum Eismeer“, wo auch die Eismeerkathedrale steht, mit ihrem spitzwinkligen, dreieckigen weißen und zackigen Dach, das sich bis auf den Boden erstreckt. Sie soll die Polarnacht, die Mitternachtssonne und das Nordlicht gleichermaßen symbolisieren. Der Besuch des Polarmuseums lohnte sich auf alle Fälle. Hier wird das Leben in der Kälte und Dunkelheit in Schaukästen gezeigt. Gut beschriftete Exponate über die Jagd und den Fischfang, Werkzeuge und Waffen, Haushaltsgeräte, Bootsbau, Jagdhütten und Fanggeräte werden gezeigt, aber auch archäologische Funde, Hundeschlitten und ausgestopfte Tiere. Besonders detailliert sind der Walfischfang, die Rentierjagd und der Polarfuchsfang beschrieben. Ein Raum ist dem norwegischen Polarforscher und erfolgsreichstem Entdeckungsreisenden des Nord- und Südpols Roald Amundsen (1872-1928) gewidmet.

Anschließend war noch Zeit für einen Besuch des Tirpitz-Museums. Das liegt in der Nähe der Stelle, wo das deutsche Schlachtschiff, Schwesterschiff der Bismarck, im Zweiten Weltkrieg versenkt wurde. Die Original-Ausstellungsobjekte, die vom versenkten Schiff zusammengetragen worden waren, riefen bei uns beklemmende Eindrücke hervor. Ein besonderes Exponat war die Enigma-Verschlüsselungsmaschine, mit der jeder einzelne Buchstabe kodiert werden konnte.

Es ging ans Abschiednehmen. Wir sangen auf Norwegisch das eingeübte Abschiedslied „Wo die Rosen niemals sterben“. Wir werden diese schöne Fahrt noch lange im Sinn behalten, vor allem weil wir nicht nur das Pflichtprogramm durchgezogen haben, sondern auch durch die Bemühungen unseres Reiseleiters und des Busfahrers sehr viel zusätzlich erlebt und gesehen haben. Ein besonderer Dank gilt auch den Mitreisenden, die durch gute Zusammenarbeit und ihr Verständnis für ein gutes Gelingen der Fahrt beigetragen haben. Obwohl wir von den sehr hohen Preisen überrascht waren und uns besonders bei den alkoholischen Getränken sehr zurückgehalten haben, war die Reise sehr gelungen. Wir empfehlen diese Route auch anderen Gruppen.

Hildegard und Erwin Schuster

Schlagwörter: Rosenheim, Reisebericht

Bewerten:

40 Bewertungen: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.