8. September 2010

Ein fast vergessener Name: Zum 125. Geburtstag des Sängers Gerhard Jekelius

Gerne ergreift man die Gelegenheit, Namen aus der jüngeren kulturellen Vergangenheit Siebenbürgens in Erinnerung zu rufen und zu würdigen, Namen, die inzwischen fast niemandem mehr geläufig sind: Die „Erlebnisgeneration“ gibt es nicht mehr, und das Interesse der heutigen Generation an historischen Geschehnissen und deren Protagonisten ist bekanntlich sehr gering.
Man kann es nur immer wieder sagen, denn es fällt immer wieder auf, sobald man sich in die siebenbürgische Musikgeschichte begibt: Siebenbürgen hat – und dies ist keine der häufig anzutreffenden Outrierungen – im Vergleich zur Bevölkerungszahl der Siebenbürger Sachsen eine frappierend große Zahl an überragenden Sängerinnen und Sängern hervorgebracht. Diese hatten wiederum zu einem Großteil in Deutschland und Europa Erfolg, Anerkennung, Ansehen, ja Berühmtheit erlangt oder verliehen dem siebenbürgischen Musikleben in Lied, Kantate, Oratorium, Oper und Operette Impulse und Niveau. Einige, wie Jenny Brenner, Mathilde von Larcher, Helene Greger-Honigberger, Ella Gmeiner, Lula Mysz-Gmeiner, Adele Reissenberger-Umling, Carmen Marschall, Ella Nikolaus, Maria Glückselig de Livadia, Brunhild Möckesch-Greiner, Adele Schopf-Simonis, Maria Schunn, Traute Klein, Gerda Herrmann-Wonner, Emil Krauss, Hans Copony, Wilhelm Orendt, Rudolf Gmeiner, Gustav Borger, Karlfritz Eitel, Alfred Witting, Fritz Hintz-Fabricius und Hans Markus, sind in den letzten Jahren in siebenbürgisch-sächsischen und rumänischen Blättern gewürdigt worden.

In diese Reihe, in der bei weitem nicht alle bedeutenden Namen vertreten sind, sei nun anlässlich seines 125. Geburtstags auch der Bariton Gerhard Jekelius gestellt. Sein Name und sein künstlerisches Charisma lebten eine ganze Weile im Bewusstsein der siebenbürgischen Vorkriegsgeneration. Seinem Nachleben erst erging es, wie es manchen Musikern ergangen war, die sich um die Jahrhundertwende und in den Zwischenkriegsjahren in Deutschland oder Österreich niedergelassen hatten: Sie waren in Siebenbürgen kaum bekannt oder wurden schnell vergessen. Zu Lebzeiten erfreute sich der in Berlin lebende Jekelius, wie gesagt, in Siebenbürgen bei Publikum und Musikliebhabern einer beachtlichen Popularität, besonders in Kronstadt, seinem Heimatort. Er konzertierte verhältnismäßig oft in dieser Stadt, meist zusammen mit dem Kronstädter Musikdirektor Victor Bickerich, gelegentlich auch mit seiner Frau, einer vortrefflichen Sängerin.

Denkwürdig ist sein Mitwirken in einer Aufführung des Deutschen Requiems von Brahms 1923 und vor allem in der siebenbürgischen (damit auch rumänischen) Erstaufführung von Bachs Matthäus-Passion 1924 mit dem Christuspart. Es folgten Wiederholungen und dann auch Haydns Schöpfung 1925 und die Johannes-Passion von Bach 1931, alle unter Bickerichs Leitung. Aber auch Jekelius’ Kammerkonzerte und Vorträge in den kirchlichen Abendmusiken gestalteten sich zu besonderen Erlebnismomenten.

Gerhard Jekelius wurde am 24. September 1885 als Sohn des Arztes Fritz Jekelius in Kronstadt geboren. Dort wurde er musikalisch von Rudolf Lassel betreut. Nach dem Abitur am Kronstädter Honterus-Gymnasium ging er zum Gesangsstudium zunächst an das Konservatorium nach Wien, danach zu Raimund von Zur Mühlen, dem berühmten Liedinterpreten und Schüler Clara Schumanns, nach Berlin und London. Mit Wohnsitz in Berlin begann Jekelius eine rege und erfolgreiche, auch internationale Konzerttätigkeit. Man kann ihn als Konzert- und Oratoriensänger bezeichnen: Diese Spezialisierung gab es früher noch häufig als Unterscheidung und Abgrenzung zum Opernfach. In späteren Jahren widmete Jekelius sich fast ausschließlich der privaten Lehrtätigkeit.

Während seines Studiums bei Raimund von Zur Mühlen hatte er seine künftige, 1882 in Bremen geborene Frau Eva Katharina kennengelernt. Sie war das dritte Kind des am Hamburger Stadttheater wirkenden Sängerehepaars Fritz und Marie Lissmann. Eva hatte vorher schon in Paris Gesang bei der renommierten Mathilde Marchesi geborener Graumann aus Frankfurt studiert. Bald trat Eva Jekelius eine beachtenswerte Karriere als Konzertsängerin an. 1935 erhielt sie einen Ruf als Gesangsprofessorin an die Staatliche Hochschule für Musik nach Berlin.

Bei Kriegsende drangen russische Soldaten in ihr Haus ein und erschossen beide: Das war am 26. April 1945. Die beiden Kinder, Kurt und Monika, überlebten.

Karl Teutsch

Schlagwörter: Musikgeschichte, Kronstadt

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