27. Januar 2011

Die siebenbürgisch-sächsische Mundart: Kulturreferententagung in Leitershofen

Für den 3. bis 5. Dezember hatte Bundeskulturreferent Hans-Werner Schuster zur letztjährigen Kulturreferententagung ins Diözesan-Exerzitienhaus St. Paulus in Leitershofen bei Augsburg eingeladen. Im Mittelpunkt stand die siebenbürgisch-sächsische Mundart. Pfarrer Bernddieter Schobel, Dr. Elke Weber, Dr. Sigrid Haldenwang, Prof.Dr.Dr.h.c.mult. Harald Zimmermann sowie Robert Sonnleitner informierten mit Vorträgen, während die Mundartdichter Dietrich Weber, Wilfried Römer und Oswald Kessler ihre eigenen Werke vortrugen. Abgerundet durch eine vertonte Bildpräsentation, verband das Wochenende wissenschaftliche, literarische, persönliche, gemeinschaftliche und volkstümliche Zugänge zum siebenbürgisch-sächsischen Dialekt.
Der Einladung waren 24 Kulturreferenten der Kreisgruppen und andere Ehrenamtliche, die sich kulturell engagieren, gefolgt. Nach der Begrüßung und Einführung in die Tagung stellte der Vortrag von Pfarrer Bernddieter Schobel zum Thema „Sachsesch Wält – wie gedruckt“ die Frage der Verschriftlichung des Siebenbürgisch-Sächsischen. Die Rubrik „Sachsesch Wält“ in der Siebenbürgischen Zeitung sieht Schobel als Ansporn und Motivation das Sächsische auch zu schreiben und nicht nur zu sprechen, ist doch die Verschriftlichung der Mundart ein wesentlicher Bestandteil ihrer Pflege. Nachdem es aber 243 verzeichnete siebenbürgische Gemeinden gebe und ebenso viele Dialekte, sei es schwierig, diese einheitlich „recht zu schreiben“. In den zurückliegenden fünf Jahren hat sich dank Hanni Markel für die Rubrik eine Schreibweise herausgebildet, die mit nur drei zusätzlichen Sonderzeichen sowie Lautverdopplung (für Dehnung und Kürzung) der Besonderheit der jeweiligen Mundart gerecht wird, ohne die Lesbarkeit zu behindern.

Anschließend lasen drei der vier anwesenden Mundartdichter aus ihren Werken. Dietrich Weber im Schirkanyer, Wilfried Römer im Mediascher und Oswald Kessler im Kerzer Dialekt. Sie boten Kurzweiliges wie auch Nachdenkliches. Wilfried Römer, der auch aus den Tagebuchaufzeichnungen seines Großvaters Carl Römer einige Passagen vortrug, rezitierte im Wettstreit mit Rosel Potoradi auch beim anschließenden geselligen Miteinander Mundartgedichte von Schuster Dutz.

Dietrich Weber. Foto: Hans-Werner Schuster ...
Dietrich Weber. Foto: Hans-Werner Schuster
Im Referat „Die Herkunft der Siebenbürger Sachsen im Spiegel ihrer Mundarten“ verdichtete Dr. Elke Weber die Geschichte der sprachwissenschaftlichen Abhandlungen über die Herkunft der Siebenbürger Sachsen und beleuch- tete drei Thesen und ihre Hauptvertreter näher. Schon im 18. Jahrhundert hatte Martin Felmer Siebenbürgen aufgrund von mundartlichen Untersuchungen in drei Dialekträume aufgeteilt und die Herkunft der Siebenbürger Sachsen im niederdeutschen Raum geortet. Georg Keintzel betonte in der ersten rein sprachwissenschaftlichen Untersuchung Ende des 19. Jahrhunderts, dass die jahrhundertelange Ferne von der Urheimat zu Veränderungen und Beeinflussungen in der Sprache führen müsse. Er rekonstruierte den älteren Lautbestand des Siebenbürgisch-Sächsischen und verglich ihn mit den deutschen Dialekten zur gleichen Zeit. Er kam zu dem ­Ergebnis, dass der Konsonantismus des Siebenbürgisch-Sächsischen in den wesentlichen Punkten mit dem Mittelfränkischen übereinstimme. Sprachveränderung – es seien ganze Ortsgemeinschaften ausgewandert und hätten sich in der neuen Heimat mit anderen Ortsgemeinschaften zu Sprachgemeinschaften zusammengeschlossen – betonte auch Richard Huß, der bedeutendste siebenbürgische Sprachforscher. Er veröffentlichte 1926 eine wissenschaftliche Abhandlung zur These von der luxemburgischen Urheimat. Er kam zu dem Schluss, dass das Siebenbürgische dem Luxemburgischen ähnele, dass aber eine eindeutige Festlegung der Urheimat nicht möglich sei. Die aktuelle Forschung sieht – mit der Einschränkung der nicht nachweisbaren Urmundart – die Herkunft der Siebenbürger Sachsen im mittelfränkischen Sprachgebiet. Das tut auch Dr. Elke Weber, die in ihrer Dissertation die Mundart von Sächsisch Regen unter den verschiedensten sprachwissenschaftlichen Gesichtspunkten untersucht hat.

Dr. Sigrid Haldenwang. Foto: Hans-Werner Schuster ...
Dr. Sigrid Haldenwang. Foto: Hans-Werner Schuster
Dr. Sigrid Haldenwang, die seit 1971 am Siebenbürgisch-Sächsischen Wörterbuch mitarbeitet, seit 1986 leitend, betonte in ihrem Vortrag „Das Siebenbürgisch-Sächsische Wörterbuch im Wandel der Zeit“ die wechselhaften Umstände der Arbeit am langjährigen Projekt. Auf der Grundlage der Vorarbeiten seit dem 17. Jahrhundert begann mit Johann Wolff und Adolf Schullerus Mitte des 19. Jahrhunderts die Arbeit am Wörterbuch mit dem Ziel, es einerseits als einen wichtigen Teil der deutschen Sprachwissenschaft zu etablieren und andererseits das Volksleben der Siebenbürger Sachsen vor dem Hintergrund der Sprache darzustellen – Letzteres wurde 1971 aufgegeben. Sie beleuchtete die Beziehungen zu weiteren Wörterbucheditionen, insbesondere zum Nordsiebenbürgisch-Sächsischen Wörterbuch, und stellte Institutionen, Verlage und Personen vor, die maßgeblichen Anteil an seiner Entstehung hatten. Nachdem 1924 der erste Band A-C und zuletzt 2006 der neunte Band Q-R erschienen sind, wird zurzeit der Buchstabe S für die Drucklegung – voraussichtlich 2012 – vorbereitet. Sigrid Haldenwang und Malwine Dengel leisten diese Arbeit im Rahmen des Institutes für gesellschaftlich-humanistische Forschungen der Rumänischen Akademie in Hermannstadt. Als Grundlage dienen ihnen rund zwei Millionen Zettel – Folge eines Wortschatzes, dessen Vokalismus sich bei weitgehend einheitlichem Konsonantismus als äußerst buntscheckig erweist. Dieser „Schatz“ ist Garant dafür, dass die Arbeit der Wörterbuchstelle weitergeführt wird, auch wenn es schwieriger werden wird, kompetente, wenn möglich der Mundart mächtige Mitarbeiter zu gewinnen.

Abgerundet wurde der Tagungsschwerpunkt Mundart durch den Vortrag von Robert Sonnleitner zum Thema „Saksesch-WWWält“ – Spracharchiv auf Siebenbuerger.de. Sonnleitner skizzierte kurz die Entstehung und die „Rettung“ von großen Teilen der Sprachaufnahmen, die 1966-1975 in 143 siebenbürgisch-sächsischen Orten gemacht wurden, sowie deren Digitalisierung und Veröffentlichung im Internet. Die Sichtung, das Schneiden und die tontechnische Bearbeitung der Aufnahmen nehmen viel Zeit in Anspruch, sind aber nicht nur für die Mundart der Siebenbürger Sachsen von unschätzbarem Wert. Das veranschaulichte Sonnleitner nicht allein durch seine Beamer-Präsentation, sondern auch durch ausgewählte akustische Beispiele.

Die Referate führten jeweils zu lebhaften Diskussionen, in die sich das gesamte Auditorium einbrachte. Kulturreferenten und die weiteren ehrenamtlichen Teilnehmer hatten aber auch die Gelegenheit, über aktuelle Kulturarbeit und die von ihnen mitgestalteten Veranstaltungen zu berichten. So kam ein reger Austausch zustande, und manch einer wird von den Anregungen und Aktivitäten der anderen profitieren, wird sie einfließen lassen in die zukünftige Kulturarbeit, der man sich zum Ausklang der Tagung widmete.

Gewissermaßen als Anregung für das Jubiläumsjahr 2011 – 800 Jahre seit der urkundlichen Erwähnung des Burzenlandes – hatte schon am Samstagnachmittag Prof. Dr. Harald Zimmermann über den Deutschen Ritterorden im Burzenland referiert: souverän und kompetent, engagiert und kurzweilig. Wenn allerdings die Vergabe des Burzenlandes im Jahre 1211 an den Deutschen Orden ein Grund zum Feiern sei, dann nur, weil 1224 König Andreas II. den Siedlern des Altlandes das Andreanum, „den Goldenen Freibrief“ verliehen habe, um sie als Mitstreiter für die Vertreibung des Deutschen Ordens 1225 zu gewinnen.

Die Tagung regte an zum Nachdenken, zur Diskussion, zu Meinungs- und Wissensaustausch und bot Anregungen für den Alltag der kulturellen Arbeit. Danken möchten wir hierfür Referenten, Mundartdichtern und Hans-Werner Schuster, der auch dieses Mal eine vorzügliche Tagungsstätte ausgesucht hatte, in der wir uns das ganze Wochenende rundum wohlgefühlt haben, und der souverän wie humorvoll durchs Programm führte.

Astrid Sutoris und Ingrid Hermann

Schlagwörter: Mundart, Saksesch Wält, Tagung

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