25. Februar 2011

Literatur- und Zeitgeschichtliches

„Die Peripherie wird attraktiver, bereichert das Zentrum“, schlussfolgert Walter Engel in einem Beitrag für Heft 4/2010 der Zeitschrift Spiegelungen, in dem er sich mit den literaturwissenschaftlichen Studien auseinandersetzt, die in einem neueren Tagungsband des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität München (IKGS) unter dem Titel „Wahrnehmung der deutsch(sprachig)en Literatur aus Ostmittel- und Südosteuropa – ein Paradigmenwechsel?“ erschienen sind.
In dem Band würden Werke sowie poetologische Positionen namhafter deutscher Autoren aus Südosteuropa, „die längst zum Kanon deutscher Gegenwartsliteratur gehören“ (Paul Celan, Oskar Pastior, Herta Müller), neben regional relevanten Autoren mit ihrer spezifischen Prägung untersucht und Forschungsergebnisse präsentiert, die zur intensiveren Wahrnehmung der deutschen Minderheitenliteraturen Südosteuropas in der germanistischen Fachwelt wie auch in der literarischen Öffentlichkeit des deutschen Sprachraums beitrügen, so der Rezensent zu der von Peter Motzan und Stefan Sienerth herausgegebenen Studiensammlung.

Einem verwandten Forschungsgebiet wendet sich der in den USA lehrende Germanist István Gombocz zu, der sich in dem Aufsatz Donauschwaben in Amerika mit einem der bisher „unerschlossenen Aspekte der donauschwäbisch-amerikanischen Kulturgeschichte“ befasst, indem er in die Pressegeschichte der Donauschwaben in Übersee Einblick bietet und den Deutsch-ungarischen Familienkalender, der von 1932 bis 1954 erschienen ist, vorstellt. Óndra Łysohorsky (1905-1989), einem bemerkenswerten zweisprachigen Dichter Südosteuropas, ist der Artikel von Paul Tischler gewidmet, den Spiegelungen als Textprobe aus dem beim IKGS in Vorbereitung befindlichen Autorenlexikon abdruckt. Łysohorsky, der der im Grenzgebiet zwischen Polen und Tschechien lebenden Minderheit der Lachen angehörte, schrieb lachisch und deutsch. In der Rubrik „Literarische Texte“ veröffentlicht Spiegelungen einen Auszug „Niemand. Nirgends“ aus dem gleichnamigen Roman des aus der Vojvodina stammenden Schriftstellers und Literaturwissenschaftlers Boško Tomašević, geb. 1947. Die „archäologische Erzählung“, die heimatliche Landschaft und Geschichte in mythischen Bildern heraufbeschwört, wurde von Helmut Weinberger aus dem Serbischen übertragen.

Zum 70. Geburtstag von Ingmar Brantsch werden neue Gedichte des aus Kronstadt stammenden Lyrikers und Prosaisten veröffentlicht, der als Buchautor wie auch mit literaturkritischen und literaturgeschichtlichen Aufsätzen hervortrat, u.a. in dieser Zeitschrift. Der Germanist Cosmin Dragoste, 33, Verfasser der ersten rumänischen Dissertation über Herta Müller, der Lyrik in rumänischer und deutscher Sprache schreibt, ist mit einer Auswahl von Gedichten vertreten. „Schranken der gesellschaftlichen Organisierung der Ungarndeutschen in der Rákosi-Ära (1949-1945)“ ist der Beitrag der Fünfkirchner Historiker József Vonyó und Zsolt Vitári betitelt, die in ihrer zeitgeschichtlichen Untersuchung nachweisen, wie Diskriminierungen der Deutschen in Ungarn in der Nachkriegsperiode sich über Jahrzehnte in deren gesellschaftlicher Existenz und Bewusstsein niederschlugen. So kamen zu den vom kommunistischen Regime errichteten äußeren Schranken innere hinzu, die die Selbstorganisierung der Ungarndeutschen zwecks Interessenvertretung behinderten.

Deutsche Geschichte Südosteuropas spiegelt sich auch in mehreren Berichten der Rubrik „Forum“ über wissenschaftliche Tagungen u.a. in Ulm (Jahrestagung der Kommission für Geschichte und Kultur der Deutschen in Südosteuropa über Museen der deutschen Minderheiten) oder in Güns/Kőszeg (über Stadtforschung in Ungarn). „Forum“ berichtet auch über das breite Medienecho, das der Beitrag Stefan Sienerths in Spiegelungen 3/2010 über die IM-Tätigkeit Oskar Pastiors ausgelöst hat, und über die Jenenser Tagung zum Thema „Die Securitate in Siebenbürgen“. Informiert wird zudem über donauschwäbische Dialekte auf der Passauer Dialektologentagung, die Fotografie als Geschichtsquelle und Eindrücke vom 10. Internationalen Graduiertenkolloquium zur Geschichte und Gegenwart des Karpaten-Raumes. Der Historiker Rudolf Gräf würdigt den Grazer Fachkollegen Harald Heppner zum 60. Geburtstag. An den siebenbürgischen Künstler Friedrich von Bömches (1916-2010) erinnert Gudrun Liane Ittu. Zahlreiche fachkundige Rezensionen machen auch diesmal auf wichtige Neuerscheinungen aufmerksam.

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Schlagwörter: Südosteuropa, Literaturgeschichte, IKGS

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