9. Oktober 2011

Auf den Spuren der Deutschen Ordensritter: Studienreise des AKSL

Eigentlich ist es eine Schnapsidee: Einen Umweg von fast 2 000 km auf dem eh schon langen Weg nach Kronstadt zu machen, um die Wirkstätten des Deutschen Ritterordens zwischen Ostsee und Karpatenbogen buchstäblich zu erfahren.
Prof. Dr. Konrad Gündisch startet mit einiger Skepsis die Suche nach Mitfahrern für eine Busreise von der Marienburg an der Nogat zur Marienburg am Alt. Und das Interesse ist überwältigend. Bald ist ein Bus voll, und die Flut von Anmeldungen endet nicht. 62 hoch motivierte Hobby- und Profi-Historiker füllen schließlich einen Doppeldeckerbus. Siebenbürger, Banater und Interessierte aus fast allen Teilen Deutschlands machen sich auf die abenteuerliche Fahrt durch das wenig bekannte Ostmitteleuropa.

1211 war eine Handvoll Deutscher Ordensritter aus dem Heiligen Land dem Ruf des ungarischen Königs Andreas II. ins Burzenland gefolgt. 800 Jahre später, am 10. September, startet unsere Expedition um 4 Uhr früh auf der Drabenderhöhe.

In Berlin steigt eine große Gruppe zu, und abends bei der Ankunft in Marienburg zeigt der Kilometerzähler bereits 1 100 km. Mächtig ragen die roten Backsteinmauern der Burganlage in den tiefblauen Abendhimmel. 20 km weit sind sie zu sehen. Entsprechend eindrucksvoll vermittelten sie im Mittelalter die Macht des Deutschen Ordens und seines Hochmeisters.
Hochmeisterschloss Marienburg/Mabork - Blick von ...
Hochmeisterschloss Marienburg/Mabork - Blick von der Nogat. Foto: Konrad Gündisch
Ganze vier Stunden dauert am nächsten Morgen die Führung durch die mächtige Anlage und liefert ein Bild von deren Aufbau und dem ritterlichen Leben in der Ordensburg. Ganz besonders beeindruckt aber die Arbeit der Restauratoren, die zwei Mal innerhalb des letzten Jahrhunderts die alte Pracht aus Ruinen und Trümmern wieder aufbauen mussten.

Marienwerder, Kulm, Thorn und Krakau sind die nächsten Glanzpunkte der Reise. Orte, die mit der Geschichte und dem Schicksal des Ordens existentiell verbunden sind. Beziehungen zu Siebenbürgen sind überraschend häufig zu finden; in der Lebensgeschichte des berühmten Astronomen Nikolaus Kopernikus genau so wie in den Königsgrüften der Wawel-Burg am Ufer der Weichsel in Krakau, wo auch Stephan Báthory liegt, der siebenbürgische Fürst und polnische König.

Interessant bleibt es auch im Bus auf den vielen Hunderten Kilometern Landstraße. Nach der täglichen kurzen Morgenandacht lösen sich hochkarätige Spezialisten unterschiedlicher Disziplinen am Mikrophon ab. Historiker, Theologen, Geografen, Geologen, Musiker, Ingenieure und selbst ein Mathematiker erläutern Hintergründe, erklären Zusammenhänge und vermitteln Wissen auf ungemein unterhaltsame Art. Filme zum Thema laufen über die Bildschirme des modernen Reisebusses. Die älteren dieser Filme sind zeitbedingt tendenziös verfälscht und führen zu heftigen Reaktionen der Fachleute, was für alle anderen wiederum von hohem Unterhaltungswert ist.

Neben den thematisch wichtigen Orten werden auch touristische angefahren. Es wird gemunkelt, dass die tägliche Pünktlichkeit aller Teilnehmer möglicherweise ein neuerliches Wunder der Schwarzen Madonna von Tschenstochau sei. Jedenfalls können wir live erleben, was Marienverehrung bedeutet, damals zur Zeit der Ordensritter ebenso wie heute.

Überraschungen bietet auch die Slowakei. Eine große evangelische Holzkirche, UNESCO Weltkulturerbe, erzählt in Käsmark mit eindringlichen Bildern von deutscher Geschichte im Zipser Land. Hier finden Mitreisende noch Spuren ihrer Vorfahren. Über Leutschau, vorbei an der Zipser Burg, die in Form und Größe an Rosenau erinnert, geht es nach Kaschau, das 2013 europäische Kulturhauptstadt wird. Von da sind es nur noch zwei Tage bis Kronstadt. Auf der Burg in Großwardein lebt noch die Erinnerung an Kaiser und König Sigismund, in Klausenburg die an Stephan Ludwig Roth. Jahrhunderte, Herrscherhäuser, Ordensgeschichte und siebenbürgisches Schicksal beginnen sich im Bewusstsein der müden Reisenden zu überlagern... und da ist nach gut 3 000 km das Ziel erreicht. Die Zinne von Kronstadt grüßt bei herrlichem Sonnenschein aus dem Gürtel der Karpaten weit übers Burzenland.
Marienburg am Alt. Foto: Ortwin Gündisch ...
Marienburg am Alt. Foto: Ortwin Gündisch
Es ist aber auch höchste Zeit. Während noch Koffer und Reisetaschen von Hand zu Hand aus dem Bus ins Hotel gereicht werden, eilt Dr. Ulrich Wien bereits im dunklen Anzug durch die Burzengasse. Pünktlich eröffnet er als Leiter des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde dessen Tagung im Festsaal der Redoute. Über deren erfolgreichen Verlauf und das stimmungsvolle Sachsentreffen wird in dieser Zeitung separat berichtet.

Drei Tage wird gefeiert: vom Gottesdienst in der Schwarzen Kirche über ein Festmahl am Marienburger Anger bis zum Bürgermeister-Empfang im Rathaus. Selbst für Wanderungen in die Schulerau und den Besuch der Orgelbauerwerkstatt in Honigberg reicht die Zeit. Aber dann muss auch unsere Truppe, gerade so wie die Ordensritter zuvor, das Burzenland wieder verlassen.

Zisterzienser haben den Deutschen Orden hier beerbt. Also erfahren wir auf dem historischen Boden der Kerzer Abtei, dass diese Mönche nur von Brot und Wasser gelebt haben. Das „Zisterzienserbrot“ wurde aber aus Speck, Hackfleisch, Eiern und Dörrpflaumen mit ganz wenig Mehl gebacken und das „Wasser“ wurde aus den vom Orden aus Frankreich hier eingeführten Trauben gekeltert. Das beeindruckt Historiker wie Laien, und der Reiseleiter beschließt demokratisch, das Mutterkloster von Kerz außerplanmäßig anzufahren. Nach einem halben Tag in der schönen Haupt- und Hermannstadt und einem kurzen Aufenthalt im geschichtsträchtigen Mühlbach windet sich der riesige Bus auf abenteuerlichen, immer enger werdenden Sträßchen bis nach Egresch, und wir sehen … nichts. Ein steiniges Unkrautfeld mit streunenden Hunden ist alles, was von der einstigen Pracht des Zisterzienserklosters übrig geblieben ist, und alle wissen: Jetzt sind wir wirklich im Egrisch. Das tut der guten Laune durchaus keinen Abbruch. Szeged wird nur bei Nacht besichtigt und alle freuen sich auf Wien. Da läuft Prof. Dr. Harald Zimmermann zu ganz großer Form auf. Er, dessen 85. Geburtstag wir gemeinsam auf der Reise feiern durften, kennt sich nicht nur in den verstaubten Deutschordens-Dokumenten des Vatikans bestens aus, sondern auch in der quicklebendigen Stadt Wien. Im Geschwindschritt führt er von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten, dass die Gruppe größte Mühe hat zu folgen.
Zipser Burg. Foto: Dietmar Rennich ...
Zipser Burg. Foto: Dietmar Rennich
Schließlich ist der heutige Sitz des Hochmeisters erreicht. Gleich ums Eck beim Stephansdom ist Sitz, Kirche und Schatzkammer des Deutschen Ordens. Ritter gibt es keine mehr, nur ihre Wappenschilde zieren die hohen Wände. Heute ist der Orden rein kirchlich und karitativ tätig. Dieses ist ein würdiger Abschluss der Reise. So empfinden es alle. Die Reisegefährten sind inzwischen zu Freunden geworden und der letzte Abend im Hotel Wienerwald wird ausgiebig und ausgelassen gefeiert. Alle machen unter viel Gelächter bei einem Quiz mit, dessen Erlös dem Hilfsverein „Johannes Honterus“ für den Erhalt des Heimathauses auf dem Deutschmeisterschloss Horneck in Gundelsheim gespendet wird. Der Höhepunkt des Abends und die Zusammenfassung der Reise ist aber das lange und gar kauzige Gedicht von Heinz Acker mit der ernüchternden Pointe:

...doch als die Ritter im Burzenland waren
mussten sie, wie später Columbus, erfahren,
dass die Sachsen bereits im Lande waren.
Sie haben zur Verwirrung der wissenschaftlichen Welt
schnell noch einige Burgruinen in die Landschaft gestellt.
„Mission erfüllt!“ konnte der olle Salza nach Rom rapportieren
und mit seinen Mannen nach Norden marschieren.
So sind diese Nichtstuer und Halunken
irgendwo tief in Polen versunken.
Durch eine Lautverschiebung, man möge stutzen,
wurden zum Schluss aus der Burzen die Pruzzen!

Berndt Schütz

Schlagwörter: Jubiläumsjahr 2011, Reise, AKSL, Deutscher Orden

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