25. Oktober 2011

Hermann von Salza & Gusto Gräser: Deutscher Orden & Alternativbewegung

Vom 20. September bis 1. Oktober hat der Verband der Siebenbürger Sachsen in Berlin die Siebenbürgisch-Sächsische Kulturwoche veranstaltet (siehe SbZ Online vom 18. Oktober 2011). Mit zwei Veranstaltungen hat sich auch das Deutsche Kulturforum östliches Europa in die Kulturwoche eingebracht: mit der Podiumsdiskussion aus Anlass des 800. Jahrestages der Berufung des Deutschen Ordens ins Burzenland und mit dem Thementag zu einem der Begründer der Alternativbewegung, dem Kronstädter Gusto Gräser.
Für das Deutsche Kulturforum östliches Euro­pa war es ein ereignisreicher Herbst – und das, obwohl ihm ein Umzug bevorsteht. Ab November residiert es in die Berliner Straße 135 in Potsdam. Der siebenbürgische Bezug war bei der Veranstaltung vom 20. September im Europasaal der Deutschen Gesellschaft zur Erzählkultur in Ostmittel- und Südosteuropa unter dem Titel „Es schläft ein Lied in allen Dingen“ und bei der Verleihung des Georg-Dehio-Preises eher zufällig.

Bewusst gesetzt war der siebenbürgische Bezug bei den zwei Veranstaltungen im Rahmen der Kulturwoche. Genauso bewusst wie bei der Rahmenveranstaltung zum Georg-Dehio-Preis, bei der von Johann Schneider moderierten Podiumsdiskussion „Kirche und Kultur im Wandel. Siebenbürgen und Berlin-Brandenburg im Vergleich“ mit Altbischof D. Dr. Christoph Klein, Altbischof Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Huber und Prof. Dr. Konrad Gündisch. Sie findet am 1. November ab 19.00 Uhr statt im Atrium der Deutschen Bank, Unter den Linden 13-15, 10117 Berlin.

Der Deutsche Orden im Burzenland

Am 26. September wurde ins Auditorium des neuen Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrums der Humboldt-Universität eingeladen, wo der Hochmeister des Deutschen Ordens, Hermann von Salza, als „Ordensritter und Diplomat zwischen Kaiser und Papst“ im Mittelpunkt stand.
Blick in das Auditorium des Jacob-und-Wilhelm ...
Blick in das Auditorium des Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrums der Humboldt-Universität. Auf dem Podium v.l.: Prof. Dr. Dr. h. c. Udo Arnold, Dr. Harald Roth (Moderation), Prof. Dr. Roman Czaja, Prof. Dr. Konrad Gündisch. Foto: Ariane Afsari, Deutsches Kulturforum östliches Europa
Kurz nachdem Hermann in sein Amt berufen wurde, verlieh König Andreas II. dem Deutschen Orden das Burzenland – 1211, vor 800 Jahren. Dass der Orden recht bald nach der Vertreibung aus Ungarn im Nordosten Europas, im Preußenland, eine neue Aufgabe erhielt, legte einen Vergleich dieser beiden Regionen und der historischen Vorgänge nahe. Prof. Dr. Dr. h. c. Udo Arnold, Bonn, skizzierte zunächst die Geschichte der Ordensgründung und die Position der noch jungen Rittervereinigung in den deutschen Ländern zu Beginn des 13. Jahrhunderts. Prof. Dr. Konrad Gündisch, Oldenburg, umriss die Aufgaben des Ordens im Osten Ungarns, nicht nur die Kumanen abzuwehren und zu missionieren, sondern auch dem jungen Lateinischen Kaiserreich in Konstantinopel von Norden her Entlastung zu verschaffen. Prof. Dr. Roman Czaja aus Thorn sprach schließlich über die Lehren, die der Orden aus dem Ungarn-Abenteuer zog und seinen Auftrag im Preußenland ganz anders anging.

Eine angeregte Diskussion zwischen den drei Fachleuten, ergänzt durch Fragen aus dem rund 70-köpfigen Publikum, offenbarte nicht nur, wie spannend Geschichte von vor acht Jahrhunderten sein kann, sondern ließ auch die grundlegenden Unterschiede zwischen dem Ordenswirken in Ungarn und in Preußen deutlich werden. Ergänzt wurde die Veranstaltung durch die Ausstellung „800 Jahre Burzenland“, die bereits zu Pfingsten in Dinkelsbühl und den Sommer über im Burzenland zu sehen war.

Thementag Gusto Gräser

Gusto Gräser um 1939. Foto: Gräser-Archiv ...
Gusto Gräser um 1939. Foto: Gräser-Archiv
Am 1. Oktober war das Berliner Publikum in die Katholische Akademie Berlin geladen, um beim Thementag „Gusto Gräser. Ein grüner Prophet aus Siebenbürgen“ einen der maßgeblichen Gründerväter der Alternativbewegung kennenzulernen. Der 1879 in Kronstadt geborene und künstlerisch hochbegabte Gustav Arthur Gräser sollte schon in jungen Jahren aus der festgefügten evangelisch-sächsischen Welt ausbrechen, um sich zunächst den ersten Kommunen in Mitteleuropa anzuschließen, aber schon bald konse­quent einen eigenen, mit der Natur im Einklang stehenden Weg zu gehen. Über dieses außergewöhnliche Leben berichtete zunächst Hermann Müller, Gräser Biograph und Betreuer des Gusto-Gräser-Archivs in Freudenstein, anschließend Hans Bergel mit seinem Beitrag „Der lachende Siebenbürger“.
18-jährig wurde Gräser – im Bild von Mai 1898 ...
18-jährig wurde Gräser – im Bild von Mai 1898 sitzend, rechts – in die Künstlerkommune Himmelhof des Wiener Malers Karl Wilhelm Diefenbach aufgenommen. Foto: Gräser-Archiv
Durch den Vortrag des Schauspielers Wolf Euba aus Gräsers Gedichten und Schriften wurde dieser herausragende Geist viel leichter vorstellbar. Der Dokumentarfilm des Schweizer Filmemachers Christoph Kühn verbildlichte das wechselvolle Leben Gräsers. Nach langen Aufenthalten in der Schweiz, wo er auf dem Monte Verità eine weit ausstrahlende Landkommune gründete, kurzer Rückkehr nach Siebenbürgen, schließlich nach Aufenthalten in Ber­lin und andernorts fand Gräser 1958 in München ein vereinsamtes Ende. Abschließend fasste Müller noch einmal das Denken Gräsers zusammen und verwies auf die vielfältige und weitreichende Ausstrahlung, die er ausübte, etwa auf Schrift­steller wie Hermann Hesse oder Philosophen wie Martin Heidegger.

H. R.

Schlagwörter: Kulturwoche, Berlin, Deutscher Orden, Gräser

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