25. Dezember 2012

Gestörter Weihnachtsfriede 1490

Eine der mittelalterlichen Originalurkunden des Hermannstädter Staatsarchivs, die zurzeit im „Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen-online“ erschlossen werden, trägt am unteren Rand den Eingangsvermerk: am Weihnachtstag – also dem 25. Dezember – „in ecclesia sub missa”: in der Kirche während der Messe. Adressaten waren Richter und Rat der Stadt Hermannstadt und dessen Bürgermeister Thomas Altemberger (bekannt durch die Casa Altemberger, das heutige Museumsgebäude in Hermannstadt, und den Codex Altemberger, eine mit farbigen Illustrationen ausgeschmückte Sammlung alter Rechtstexte).
Ein Bote kam vom Vizewoiwoden und überbrachte dessen zwei Tage vorher datierte Nachricht: Neben Wladislaus hatte sich nämlich auch sein Bruder Johann Albrecht 1490 Hoffnungen auf die ungarische Königswürde gemacht. Diese suchte er militärisch zu erzwingen. Auf dessen Geheiß drohten polnische Feinde, die „hostes Polonicales“, mit einem bewaffneten Einfall in den siebenbürgischen Teil des ungarischen Königreichs: „in partes Transsilvanas hostiliter intrare volunt“.
Vizewoiwode Stephan Telegdi befiehlt den ...
Vizewoiwode Stephan Telegdi befiehlt den Hermannstädtern, das Heeresaufgebot nach Klausenburg zu senden, da ein Einfall aus Polen drohe. Foto: Thomas Șindilariu
Der siebenbürgische Vizewoiwode sammelte eilig Verteidigungstruppen. An Hermannstadt sandte er die Aufforderung, das „vexilium“, das Feldzeichen der Stadt, aufzurichten und mit den Truppen der Stadt und der „pertinentii“, der Zubehörgemeinden des Stuhls, schleunigst „versus Coloswar“ aufzubrechen, um sich dort mit den anderen Kräften des Vizewoiwoden zu vereinigen. Dem Aufruf zum Heeresaufgebot in der Weihnachtsmesse war größtmögliche Aufmerksamkeit gewiss. Und damit war der weitere, turbulente Verlauf des Weihnachtsfestes 1490 bestimmt. Wladislaus II. herrschte über 25 Jahre in Ungarn, bis zu seinem Tod im Jahre 1516 – im Wesentlichen friedlich, aber in steter Finanznot. Zahlreich sind Bitten, Aufforderungen, Mahnungen an Hermannstadt, Kronstadt und die Sachsen allgemein überliefert. Sie zeigen uns die Notlagen, die den König und seinen Hof bedrohten: von Söldnern, die nachdrücklich ihren Sold einforderten, bis zum drohenden Ausfall der Erzförderung in „Rivulo­do­minarum“ (Frauenbach/Baia Mare). Andere Königsurkunden betrafen das Miteinander mit anderen Gruppen: Die vor Hermannstadt lebenden „Pharaones seu Cziganones“ befreite der ­König 1492 von allen Abgaben an den Woiwoden, weil sie schon der Stadt zu Diensten sein mussten. Auch Klage und Gegenklage von Juden vor dem Hermannstädter Gericht regelte der König 1492. Hermannstadt und Kronstadt nutzten die königliche Finanznot durch Vorfinanzierungen, die sie sich vergelten ließen durch Übertragung der Verwaltung königlicher Einkunftsquellen. Die Bürgermeister Thomas Altemberger und Georg Hecht waren zugleich königliche Kämmerer. 1498 verpfändete der König die Törzburg an Kronstadt; dadurch entfiel die letzte mit dieser Stadt konkurrierende Gewalt im Umland.
Siegel Wladislaus II. Foto: Sindilariu ...
Siegel Wladislaus II. Foto: Sindilariu
Eines der großen Langzeitprojekte der landeskundlichen Forschung ist im Jubiläumsjahr des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde immer wieder genannt worden: das „Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen“. Der erste Band erschien 1892. Sechs Bände folgten. Insgesamt 4687 Urkunden aus den Jahren 1191 bis 1486 sind veröffentlicht worden. Dank der Förderung des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien konnte das Urkundenbuch mit all diesen Urkundentexten Anfang 2012 online gehen. Wir berichteten ausführlich in unserer Oster-Ausgabe darüber. Seitdem wurde das Online-Urkundenbuch von mehr als 4000 verschiedenen „Hosts“ (Internet-Anschlüssen) für mehr als 150000 Anfragen genutzt. Dank weiterer Förderung wird das Urkundenbuch jetzt bis zum Ende des 15. Jahrhunderts als Online-Edition fortgesetzt. Zu Weihnachten 2012 werden mehr als 200 weitere Urkundeninhalte in die Online-Datenbank neu eingestellt. Damit wird das Urkundenbuch online noch attraktiver, weil hier exklusiv die Erschließung der Urkundeninhalte fortgesetzt wird. Der Aufruf ist über die Internet-Präsenz des Siebenbürgen-Instituts möglich, http://siebenbuergen-institut.de/special-menu/e-transylvanica/urkundenbuch-zur-geschichte-der-deutschen-in-siebenbuergen-online/

S. B.

Schlagwörter: Geschichte, Urkundenbuch

Bewerten:

16 Bewertungen: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.