15. Dezember 2014

Unterwegs mit der Eisenbahn

Besonders hart traf es während der Evakuierung die Siebenbürger Sachsen aus den sieben Orten im Kokelgebiet (Draas, Felldorf, Katzendorf, Maniersch, Rode, Zendersch, Zuckmantel). Hier gab es keine Vorbereitungen für eine geordnete Evakuierung. Johann Mann aus Maniersch schreibt 1956 über den Transport mit der Eisenbahn, nachdem sein Dorf am 7. September 1944 „auf Grund militärischer Anordnung binnen einer Stunde geräumt werden musste“.
Gegen morgens war ein Zug von etwa 50 Waggons, darunter drei oder vier Viehwaggons, die Übrigen alles nur Schotter- oder Bahnschienen-Waggons, ohne eine cm-hohe Seitenwand. Ich schleppte meine noch wenig zurückbehaltenen Sachen auch auf so einen Waggon, auf welchem wir 82 Personen unterbringen mussten. In kurzer Zeit war alles verladen, und der Zug setzte sich in Bewegung. Es ging immer nur kurze Strecken weit, und dann wurde gehalten, da die Lokomotive viel zu schwach war der großen Last gegenüber. Es waren 2600 Personen, zusätzlich noch für jeden das Gepäck aufgeladen. Einmal ging‘s vor- und dann rückwärts. Jeder hätte nun davon geeilt, weil die Nachricht verbreitet wurde, dass die russische Front schon sehr nah sei und immer näher rücke. Zweimal riss der Zug in zwei und drei Teile. Bis dass das Eisenbahnpersonal wieder alles zurechtgemacht hatte, dauerte das gewöhnlich halbe Tage. Bei längeren Aufenthalten suchte jeder, wo etwas zu finden war, nach Brettern und Stangen. So wurde von Tag zu Tag und von Woche zu Woche, während der Fahrt, jeder für sich, an die Waggons mit der Zeit etwa ein Meter hohe Seitenwände angebracht. Obenauf wurden Holzstangen quer gelegt, und hierauf wurde der Waggon mit Maisstengeln und Stroh zugedeckt. Ein Dach, durch welches der Regen leicht durch konnte, der Sonnenschein dagegen nicht, und war daher nur für trockene und kalte Nächte geeignet. Weil es aber auch Regentage und -nächte gab, so wurden wir nass, und unser Gepäck fing an zu faulen. In der dritten und vierten Woche waren wir schon geplagt mit Ungeziefer, da ein Reinhalten und Wäschewaschen absolut nicht möglich war. (…)

In diesen Waggons mit dem niedrigen Strohdach (…) konnte niemand einmal grad stehen oder sitzen, sondern nur gebückt. Mussten oft bei Fliegeralarm mit Kind und Kegel aus dem Zug Hals über Kopf herausstürzen und das Weite suchen.

Textauswahl: Horst Göbbel

Schlagwörter: Flucht und Evakuierung, Österreich

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