17. Januar 2015
Update für das Siebenbürgen-Bild der Kulturreferenten
Vom 5. bis 7. Dezember 2014 hatte Bundeskulturreferent Hans-Werner Schuster zu der Kulturreferententagung in das Diözesan-Exerzitienhaus Sankt Paulus in Leitershofen eingeladen. 41 Kulturreferenten und in der Kulturarbeit aktive Multiplikatoren waren der Einladung gefolgt. Dank ihrer engagierten Mitarbeit, des Themas und der kompetenten Referenten ist die Tagung rundum als Erfolg zu werten.
Seit den 90er Jahren vermitteln die Kulturreferententagungen ehrenamtlichen Kulturreferenten der Gliederungen unseres Verbandes sowie in der Kulturarbeit engagierten Multiplikatoren Informationen, Kenntnisse und Fertigkeiten rund um Siebenbürgen, die Siebenbürger Sachsen und ihre Kultur. Bei diesem Personenkreis besteht ebenso wie bei den Siebenbürger Sachsen insgesamt die Gefahr, dass ein nostalgisches, gewissermaßen gestriges Bild von Siebenbürgen und der siebenbürgisch-sächsischen Kultur gepflegt und vermittelt wird. Dieses Bild zu aktualisieren, gewissermaßen einem Update zu unterziehen, war das Hauptziel der Tagung.
Dass dieses Ziel auch dem Bedürfnis der Zielgruppe entsprach, zeigt die hohe Teilnehmerzahl. Trotz Advents- und Weihnachtsfeiern kamen 41 statt der 35 geplanten Teilnehmer, darunter auch je zwei stellvertretende Bundesvorsitzende und Landeskulturreferenten. Neben dem Thema dürfte die gute Resonanz und die Anwesenheit eines Filmteams von der Deutschen Journalistenschule München auch den hochkarätigen Referenten zu verdanken sein. Wie Hans-Werner Schuster in seiner Einführung hervorhob, hatte man bei der Kulturreferententagung erstmals einen Abgeordneten des Bundestages und den Präsidenten des Bundes der Vertriebenen (Dr. Bernd Fabritius in einer Person) sowie die Vorsitzenden zweier Landsmannschaften – Dr. Bernd Fabritius und Peter Leber – als Referenten gewonnen.
Eine hochkarätige Referentin, Christiane Gertrud Cosmatu, Unterstaatssekretärin im Departement für interethnische Beziehungen beim Generalsekretariat der Regierung von Rumänien, war kurzfristig verhindert. Ihren Beitrag „Die Minderheitensituation in Rumänien“ hatte sie Benjamin Józsa, Geschäftsführer des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, zukommen lassen, der damit am Freitagabend seine erste „Vorlesung“ bestritt. Souverän brachte Józsa die Inhalte des schriftlichen Referates rüber, von den staatlich-gesetzlichen Rahmenbedingungen bis hin zu den Auswirkungen auf das Alltagsleben. Angesichts der Wirtschaftssituation und der Lebensbedingungen in Rumänien, wo 40% der Bevölkerung unter dem Existenzminimum leben, darf die Situation der 20 anerkannten Minderheiten trotz weiterhin fehlendem Minderheitenschutzrecht als gut bezeichnet werden. Souverän bestritt Józsa auch die anschließende Diskussion, die insbesondere um die politische Vertretung der Minderheiten (Fraktion der kleinen Parteien, Minderheitenrat, Vertretung auf Kreis-, Stadt- und Gemeindeebene) und ihre finanzielle Förderung (für das DFDR jährlich 1,6 Millionen Euro an institutioneller Förderung) sowie um das Schulwesen der Minderheiten kreiste.
Den eigenen Beitrag „Die Siebenbürger Sachsen heute“ brachte Benjamin Józsa am nächsten Morgen. Da es der 6. Dezember war, hatte er den Bildband „Alte Städte, Dörfer und Kirchenburgen“ von Theo Damm mitgebracht. Den Band und einen von Heike Mai-Lehni und Rainer Lehni mit Zuckerguss verzierten Lebkuchen-Nikolaus konnte jeder Teilnehmer nach Hause mitnehmen.
Józsa skizzierte die jetzige Situation der Siebenbürger Sachsen im Gesamtzusammenhang der Entwicklung Rumäniens und der Rumäniendeutschen und mit dem Schwerpunkt Klaus Johannis und Hermannstadt. Er tat es in gewohnter Art und Weise: selbstbewusst, locker, selbstironisch, pointiert und mit gutem Bildmaterial unterlegt. Ohne zu beschönigen zeichnete er ein zukunftsfrohes Bild, das auch – aber nicht nur – dem Wahlsieg von Klaus Johannis geschuldet ist. Die anschließende Diskussion kreiste um Tourismus und Kirchenburgen sowie um die Entwicklung der Mitgliederzahlen und der Finanzmittel des Forums. In seinem Beitrag „Rumäniendeutsche Netzwerke und Zusammenarbeit in Europa“ gewährte der Bundesvorsitzende und frisch gewählte BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius, MdB Einblicke in seine Tätigkeit im Rahmen des Verbandes sowie der Föderation der Siebenbürger Sachsen, des BdV und des Bundestages. Er machte einerseits deutlich, dass er die Energie für die vielen und vielfältigen Aufgaben aus unserer Gemeinschaft bezieht, dass er bei diesen Aufgaben aber auch immer den Nutzen für unsere Gemeinschaft im Auge hat. Die neuen Aufgaben und Ämter gehen einher mit der Knüpfung von Kontakten zu immer mehr und immer einflussreicheren Organisationen und Personen, die auch für siebenbürgische Themen sensibilisiert und im Bedarfsfall dafür eingespannt werden können. Allerdings sei das nur als Begleitung und Unterstützung der eigenen Bemühungen und Aktivitäten möglich, sei es im Verband oder im BdV. Wichtig sei mit Blick auf ersteren, die Tradition der Selbstverwaltung weiterzuführen, und mit Blick auf den BdV, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit den Staaten der Herkunftsgebiete zu verstärken sowohl zum Nutzen der dort lebenden wie der vertriebenen und ausgesiedelten Deutschen.
Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Siebenbürger Sachsen skizzierend bezog Fabritius in seinen Schlussbemerkungen Position zu der Wahl von Klaus Johannis als Präsident Rumäniens. Was Wunder, dass die Diskussion insbesondere darum und um die zukünftige Entwicklung Rumäniens kreiste.
Damit wurde gewissermaßen der Endpunkt der „Entwicklung Rumäniens seit 2007“, so das Thema des folgenden Referates, vorweggenommen. Dieses Manko ironisch doppelt brechend, stellte der aus dem Stegreif vortragende Journalist und Leiter der Rumänienabteilung der Deutschen Welle, Robert C. Schwartz, seine Ausführung unter den Titel „Rumänien. Ein Wintermärchen“. Trotz negativer Entwicklungen seit dem Jubeljahr 2007 – Wirtschaftskrise 2008/2009 und bis heute stark sinkende Investitionsquote, strapazierte Rechtsstaatlichkeit durch die Amtsenthebung Băsescus, Korruptionsskandale, Alterung der Gesellschaft etc. – sieht auch Schwartz der zukünftigen Entwicklung Rumäniens gelassen entgegen. Auch wenn er nach den sieben mageren Jahren nicht unbedingt sieben fette Jahre erwartet, mache die geopolitische Lage zwischen Russland und Bulgarien und einem wackligen Ungarn aus Rumänien einen wichtigen Stützpunkt der Demokratie in Südosteuropa – erstrecht mit einem Präsidenten Johannis.
Die folgenden Referate brachten uns zwei weitere Gruppen der deutschen Minderheit in Rumänien nahe. Der Journalist Luzian Geier vom Augsburger Bukowina-Institut stellte nicht nur „Die Buchenlanddeutschen heute“ vor, sondern skizzierte deren Entwicklung seit 1774 Die Tatsache, dass ihr Siedlungsgebiet seit 1940 zwischen der Sowjetunion bzw. der Ukraine und Rumänien aufgeteilt ist, dass der Großteil von ihnen damals umgesiedelt worden ist, und dass es nie ein ausgeprägteres buchenländisches Gemeinschaftsbewusstsein gab, erklärt, warum heute bukowinadeutsche Kultur von ihren über die ganze Welt verstreuten Trägern nur wenig gepflegt wird. Auch nicht in der Südbukowina, wo noch rund 780 Deutsche leben und sich in den acht Ortsforen des Regionalforums Bukowina (mit 1200 Mitgliedern!) zusammengeschlossen haben.
Um vieles positiver hätte Peter Leber, Vorsitzender der Landsmannschaft der Banater Schwaben, in seinem Referat „Die Banater Schwaben heute“ die Lage dieser größten Gruppe innerhalb der Rumäniendeutschen vorstellen können. Davon ausgehend, dass diese Lage uns Siebenbürger Sachsen bekannt und ähnlich der Situation in Siebenbürgen ist, hat er über jene rund 10000 Banater Schwaben berichtet, die nach dem 2. Weltkrieg in der Provence angesiedelt wurden und vor allem über deren Beitrag zur Wiederbelebung des Ortes La Roque-sur-Pernes. Aufgrund der anschließenden Diskussion hat er den Teilnehmern eine Zusammenstellung der aktuellen Situation in Rumänien zukommen lassen.
Die beiden letzten Referate widmeten sich der „Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien heute“ sowie dem „Unterricht in deutscher Sprache“. Ersteres präsentierte Dr. Stefan Cosoroabă, der vor den Andachtsworten von Pfarrer Bernd Dieter Schobel auch ein paar besinnliche Worte zum 2. Advent gesprochen hatte. Der Universitätsprofessor, Pfarrer und Referent für institutionelle Kooperation der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien bot ein kurzweiliges Bilderquizz und eine mit Bildmaterial veranschaulichte erhellende Analyse der heutigen ambivalenten Situation. Ambivalent nicht so sehr wegen der Faktenlage mit positiven wie auch negativen Entwicklungen, sondern wegen des Zwiespalts zwischen sächsischer Volkskirche und lutherischer Konfessionskirche. Dieser Zwiespalt wird weiterhin bestehen, wendet sich doch diese Kirche sowohl hin zu den Siebenbürger Sachsen in der Welt, als auch hin zu den evangelischen Rumänen.
Den Schlusspunkt setzte Helmine Pop, Leiterin der Schulkommission des DFDS. Engagiert und kompetent zeichnete sie das Bild des Unterrichts in deutscher Sprache. Ohne zu beschönigen machte sie die Erfolge sichtbar, die nach dem Einbruch 1990 nicht denkbar waren. Einen Einbruch sieht sie auch als Folge der Wirtschaftskrise von 2008/2009 und dem damit einhergehenden Mangel an deutschsprachigen Lehrern. Weil es aber, so Pop, „ohne deutsche Schule keine deutsche Minderheit gibt!“ muss auch dieser Einbruch gemeistert werden mit Hilfe der verschiedenen deutschen Partner, durch zusätzlichen Einsatz des Forums und der Lehrer. Es wird aber schwierig sein, so lange das Unterrichtswesen in Rumänien insgesamt krankt. Symptomatisch dafür war, dass bei der Diskussion ungläubig – gleich viermal! – gefragt wurde, ob es in Rumänien tatsächlich keine Berufsschulen gibt.
Abgerundet wurden das Programm durch Berichte der Teilnehmer über ihre Tätigkeit. Neben viel Positivem wurden dabei auch die Probleme angesprochen, die die Kulturarbeit beeinträchtigen. Schade, dass gerade im Fall der Kreisgruppe Augsburg die Probleme als Folge der positiven Entwicklung auftreten: Sie, die gerade erst das neue, von der Stadt gestellte Vereinsheim zum Leben erweckt hat, befürchtet nun, dass es durch die Ghettoisierung wieder im Dornröschenschlaf versinkt. Es ist ein Problem, das von der Kreisgruppe nur in Zusammenarbeit mit der Stadt gelöst werden kann, ebenso wie die zukünftige Bewahrung der nahegelegenen Sammlung Martin Rill nur in Zusammenarbeit mit dem Sammler gelöst werden kann.
Erfahrungsaustausch fand auch beim abendlichen geselligen Beisammensein statt, bei dem nicht nur Gemeinschaft sondern auch Kulinarisches als Spielart siebenbürgisch-sächsischer Kultur gepflegt wurde – mal in der gemütlichen Zirbelstube bei Hanklich aus Heidenheim, der mit dem Föhn aufgewärmt wurde, mal im Tagungsraum, wo man von der Kreisgruppe Augsburg ebenso großzügig bewirtet wurde wie in der Kaffeepause.
Auch wenn das gesteckte Ziel, unser Siebenbürgen-Bild zu aktualisieren, erreicht wurde, konnte das Tagungsthema nicht erschöpfend behandelt werden. Den deutschen Einrichtungen und Institutionen, Neusiedlern und Rückwanderern und auch sonstigen Minderheiten in Rumänien wird sich die Kulturreferententagung 2015 widmen. Und weil die Aktualisierung unseres Siebenbürgen-Bildes auch der Anschauung und sinnlichen Erfahrung bedarf, soll diese Tagung im Rahmen einer Siebenbürgen-Exkursion stattfinden.
Zur Fotogalerie: Kulturreferententagung 2014
Dass dieses Ziel auch dem Bedürfnis der Zielgruppe entsprach, zeigt die hohe Teilnehmerzahl. Trotz Advents- und Weihnachtsfeiern kamen 41 statt der 35 geplanten Teilnehmer, darunter auch je zwei stellvertretende Bundesvorsitzende und Landeskulturreferenten. Neben dem Thema dürfte die gute Resonanz und die Anwesenheit eines Filmteams von der Deutschen Journalistenschule München auch den hochkarätigen Referenten zu verdanken sein. Wie Hans-Werner Schuster in seiner Einführung hervorhob, hatte man bei der Kulturreferententagung erstmals einen Abgeordneten des Bundestages und den Präsidenten des Bundes der Vertriebenen (Dr. Bernd Fabritius in einer Person) sowie die Vorsitzenden zweier Landsmannschaften – Dr. Bernd Fabritius und Peter Leber – als Referenten gewonnen.
Eine hochkarätige Referentin, Christiane Gertrud Cosmatu, Unterstaatssekretärin im Departement für interethnische Beziehungen beim Generalsekretariat der Regierung von Rumänien, war kurzfristig verhindert. Ihren Beitrag „Die Minderheitensituation in Rumänien“ hatte sie Benjamin Józsa, Geschäftsführer des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, zukommen lassen, der damit am Freitagabend seine erste „Vorlesung“ bestritt. Souverän brachte Józsa die Inhalte des schriftlichen Referates rüber, von den staatlich-gesetzlichen Rahmenbedingungen bis hin zu den Auswirkungen auf das Alltagsleben. Angesichts der Wirtschaftssituation und der Lebensbedingungen in Rumänien, wo 40% der Bevölkerung unter dem Existenzminimum leben, darf die Situation der 20 anerkannten Minderheiten trotz weiterhin fehlendem Minderheitenschutzrecht als gut bezeichnet werden. Souverän bestritt Józsa auch die anschließende Diskussion, die insbesondere um die politische Vertretung der Minderheiten (Fraktion der kleinen Parteien, Minderheitenrat, Vertretung auf Kreis-, Stadt- und Gemeindeebene) und ihre finanzielle Förderung (für das DFDR jährlich 1,6 Millionen Euro an institutioneller Förderung) sowie um das Schulwesen der Minderheiten kreiste.
Den eigenen Beitrag „Die Siebenbürger Sachsen heute“ brachte Benjamin Józsa am nächsten Morgen. Da es der 6. Dezember war, hatte er den Bildband „Alte Städte, Dörfer und Kirchenburgen“ von Theo Damm mitgebracht. Den Band und einen von Heike Mai-Lehni und Rainer Lehni mit Zuckerguss verzierten Lebkuchen-Nikolaus konnte jeder Teilnehmer nach Hause mitnehmen.
Józsa skizzierte die jetzige Situation der Siebenbürger Sachsen im Gesamtzusammenhang der Entwicklung Rumäniens und der Rumäniendeutschen und mit dem Schwerpunkt Klaus Johannis und Hermannstadt. Er tat es in gewohnter Art und Weise: selbstbewusst, locker, selbstironisch, pointiert und mit gutem Bildmaterial unterlegt. Ohne zu beschönigen zeichnete er ein zukunftsfrohes Bild, das auch – aber nicht nur – dem Wahlsieg von Klaus Johannis geschuldet ist. Die anschließende Diskussion kreiste um Tourismus und Kirchenburgen sowie um die Entwicklung der Mitgliederzahlen und der Finanzmittel des Forums. In seinem Beitrag „Rumäniendeutsche Netzwerke und Zusammenarbeit in Europa“ gewährte der Bundesvorsitzende und frisch gewählte BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius, MdB Einblicke in seine Tätigkeit im Rahmen des Verbandes sowie der Föderation der Siebenbürger Sachsen, des BdV und des Bundestages. Er machte einerseits deutlich, dass er die Energie für die vielen und vielfältigen Aufgaben aus unserer Gemeinschaft bezieht, dass er bei diesen Aufgaben aber auch immer den Nutzen für unsere Gemeinschaft im Auge hat. Die neuen Aufgaben und Ämter gehen einher mit der Knüpfung von Kontakten zu immer mehr und immer einflussreicheren Organisationen und Personen, die auch für siebenbürgische Themen sensibilisiert und im Bedarfsfall dafür eingespannt werden können. Allerdings sei das nur als Begleitung und Unterstützung der eigenen Bemühungen und Aktivitäten möglich, sei es im Verband oder im BdV. Wichtig sei mit Blick auf ersteren, die Tradition der Selbstverwaltung weiterzuführen, und mit Blick auf den BdV, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit den Staaten der Herkunftsgebiete zu verstärken sowohl zum Nutzen der dort lebenden wie der vertriebenen und ausgesiedelten Deutschen.
Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Siebenbürger Sachsen skizzierend bezog Fabritius in seinen Schlussbemerkungen Position zu der Wahl von Klaus Johannis als Präsident Rumäniens. Was Wunder, dass die Diskussion insbesondere darum und um die zukünftige Entwicklung Rumäniens kreiste.
Damit wurde gewissermaßen der Endpunkt der „Entwicklung Rumäniens seit 2007“, so das Thema des folgenden Referates, vorweggenommen. Dieses Manko ironisch doppelt brechend, stellte der aus dem Stegreif vortragende Journalist und Leiter der Rumänienabteilung der Deutschen Welle, Robert C. Schwartz, seine Ausführung unter den Titel „Rumänien. Ein Wintermärchen“. Trotz negativer Entwicklungen seit dem Jubeljahr 2007 – Wirtschaftskrise 2008/2009 und bis heute stark sinkende Investitionsquote, strapazierte Rechtsstaatlichkeit durch die Amtsenthebung Băsescus, Korruptionsskandale, Alterung der Gesellschaft etc. – sieht auch Schwartz der zukünftigen Entwicklung Rumäniens gelassen entgegen. Auch wenn er nach den sieben mageren Jahren nicht unbedingt sieben fette Jahre erwartet, mache die geopolitische Lage zwischen Russland und Bulgarien und einem wackligen Ungarn aus Rumänien einen wichtigen Stützpunkt der Demokratie in Südosteuropa – erstrecht mit einem Präsidenten Johannis.
Die folgenden Referate brachten uns zwei weitere Gruppen der deutschen Minderheit in Rumänien nahe. Der Journalist Luzian Geier vom Augsburger Bukowina-Institut stellte nicht nur „Die Buchenlanddeutschen heute“ vor, sondern skizzierte deren Entwicklung seit 1774 Die Tatsache, dass ihr Siedlungsgebiet seit 1940 zwischen der Sowjetunion bzw. der Ukraine und Rumänien aufgeteilt ist, dass der Großteil von ihnen damals umgesiedelt worden ist, und dass es nie ein ausgeprägteres buchenländisches Gemeinschaftsbewusstsein gab, erklärt, warum heute bukowinadeutsche Kultur von ihren über die ganze Welt verstreuten Trägern nur wenig gepflegt wird. Auch nicht in der Südbukowina, wo noch rund 780 Deutsche leben und sich in den acht Ortsforen des Regionalforums Bukowina (mit 1200 Mitgliedern!) zusammengeschlossen haben.
Um vieles positiver hätte Peter Leber, Vorsitzender der Landsmannschaft der Banater Schwaben, in seinem Referat „Die Banater Schwaben heute“ die Lage dieser größten Gruppe innerhalb der Rumäniendeutschen vorstellen können. Davon ausgehend, dass diese Lage uns Siebenbürger Sachsen bekannt und ähnlich der Situation in Siebenbürgen ist, hat er über jene rund 10000 Banater Schwaben berichtet, die nach dem 2. Weltkrieg in der Provence angesiedelt wurden und vor allem über deren Beitrag zur Wiederbelebung des Ortes La Roque-sur-Pernes. Aufgrund der anschließenden Diskussion hat er den Teilnehmern eine Zusammenstellung der aktuellen Situation in Rumänien zukommen lassen.
Die beiden letzten Referate widmeten sich der „Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien heute“ sowie dem „Unterricht in deutscher Sprache“. Ersteres präsentierte Dr. Stefan Cosoroabă, der vor den Andachtsworten von Pfarrer Bernd Dieter Schobel auch ein paar besinnliche Worte zum 2. Advent gesprochen hatte. Der Universitätsprofessor, Pfarrer und Referent für institutionelle Kooperation der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien bot ein kurzweiliges Bilderquizz und eine mit Bildmaterial veranschaulichte erhellende Analyse der heutigen ambivalenten Situation. Ambivalent nicht so sehr wegen der Faktenlage mit positiven wie auch negativen Entwicklungen, sondern wegen des Zwiespalts zwischen sächsischer Volkskirche und lutherischer Konfessionskirche. Dieser Zwiespalt wird weiterhin bestehen, wendet sich doch diese Kirche sowohl hin zu den Siebenbürger Sachsen in der Welt, als auch hin zu den evangelischen Rumänen.
Den Schlusspunkt setzte Helmine Pop, Leiterin der Schulkommission des DFDS. Engagiert und kompetent zeichnete sie das Bild des Unterrichts in deutscher Sprache. Ohne zu beschönigen machte sie die Erfolge sichtbar, die nach dem Einbruch 1990 nicht denkbar waren. Einen Einbruch sieht sie auch als Folge der Wirtschaftskrise von 2008/2009 und dem damit einhergehenden Mangel an deutschsprachigen Lehrern. Weil es aber, so Pop, „ohne deutsche Schule keine deutsche Minderheit gibt!“ muss auch dieser Einbruch gemeistert werden mit Hilfe der verschiedenen deutschen Partner, durch zusätzlichen Einsatz des Forums und der Lehrer. Es wird aber schwierig sein, so lange das Unterrichtswesen in Rumänien insgesamt krankt. Symptomatisch dafür war, dass bei der Diskussion ungläubig – gleich viermal! – gefragt wurde, ob es in Rumänien tatsächlich keine Berufsschulen gibt.
Abgerundet wurden das Programm durch Berichte der Teilnehmer über ihre Tätigkeit. Neben viel Positivem wurden dabei auch die Probleme angesprochen, die die Kulturarbeit beeinträchtigen. Schade, dass gerade im Fall der Kreisgruppe Augsburg die Probleme als Folge der positiven Entwicklung auftreten: Sie, die gerade erst das neue, von der Stadt gestellte Vereinsheim zum Leben erweckt hat, befürchtet nun, dass es durch die Ghettoisierung wieder im Dornröschenschlaf versinkt. Es ist ein Problem, das von der Kreisgruppe nur in Zusammenarbeit mit der Stadt gelöst werden kann, ebenso wie die zukünftige Bewahrung der nahegelegenen Sammlung Martin Rill nur in Zusammenarbeit mit dem Sammler gelöst werden kann.
Erfahrungsaustausch fand auch beim abendlichen geselligen Beisammensein statt, bei dem nicht nur Gemeinschaft sondern auch Kulinarisches als Spielart siebenbürgisch-sächsischer Kultur gepflegt wurde – mal in der gemütlichen Zirbelstube bei Hanklich aus Heidenheim, der mit dem Föhn aufgewärmt wurde, mal im Tagungsraum, wo man von der Kreisgruppe Augsburg ebenso großzügig bewirtet wurde wie in der Kaffeepause.
Auch wenn das gesteckte Ziel, unser Siebenbürgen-Bild zu aktualisieren, erreicht wurde, konnte das Tagungsthema nicht erschöpfend behandelt werden. Den deutschen Einrichtungen und Institutionen, Neusiedlern und Rückwanderern und auch sonstigen Minderheiten in Rumänien wird sich die Kulturreferententagung 2015 widmen. Und weil die Aktualisierung unseres Siebenbürgen-Bildes auch der Anschauung und sinnlichen Erfahrung bedarf, soll diese Tagung im Rahmen einer Siebenbürgen-Exkursion stattfinden.
H-WS
Zur Fotogalerie: Kulturreferententagung 2014
Schlagwörter: Kulturreferenten, Tagung, Fabritius, Rumänien und Siebenbürgen
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