17. Januar 2023

„Zauberformeln habe ich nicht …“

„… aber ein paar Informationen und Tipps“, so Ella Schindler, die am 12. Januar beim dritten Online-Presseabend von Siebenbürgischer Zeitung und Bundeskulturreferat des Verbandes der Siebenbürger Sachsen einen Vortrag zum Thema „Interviews richtig führen“ hielt. Sympathisch, kompetent und für ihren Beruf brennend präsentierte sich die Referentin den 36 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Zoom-Konferenz, die sich beeindruckt von ihren Ausführungen zeigten und im Anschluss weiterführende Fragen stellten.
Online-Presseabend zum Thema „Interviews richtig ...
Online-Presseabend zum Thema „Interviews richtig führen“ mit der Referentin Ella Schindler (zweite Reihe, dritte von links). Bildschirmfoto: Dagmar Seck
Die studierte Sozialpädagogin Ella Schindler arbeitet seit 2006 als Redakteurin beim Verlag Nürnberger Presse und ist dort seit zwei Jahren für die Volontärsausbildung verantwortlich. Die gebürtige Ukrainerin kam als 16-Jährige mit ihrer russlanddeutschen Familie nach Deutschland und hegte von Jugendjahren an den Traum Journalistin zu werden. In ihrer Arbeit, aber auch in ihrem ehrenamtlichen Engagement (unter anderem als Co-Vorsitzende bei den Neuen deutschen Medienmacher*innen) ist Ella Schindler insbesondere die Förderung der Vielfalt in den Redaktionen ein großes Anliegen.

Interviews richtig führen – wie macht man das? Nach einem kurzen Überblick zu Grundlagen im Journalismus, zu denen neutrale und wahrheitsgemäße Berichterstattung, Sorgfaltspflicht bei der Recherche und Beachtung der Persönlichkeitsrechte gehören, ging es in den drei Blöcken Vorbereitung und Recherche, Durchführung und Nachbearbeitung um die journalistische Gattung Interview. Einige Fragen sollten vor dem Gespräch geklärt werden: Habe ich den richtigen Interviewpartner und kann ich persönlich mit ihm sprechen? Welchem Zweck dient das Gespräch, wo findet es statt und eignet sich dieser Ort für Fotos, falls welche gemacht werden sollen? Funktioniert das Aufnahmegerät einwandfrei? Nichts ist ärgerlicher, als nach dem Gespräch festzustellen, dass die Technik versagt hat, denn dann steht man, falls man sich im Verlauf keine Notizen gemacht hat, mit leeren Händen da.

Bei der Durchführung sei zu beachten, so Schindler, das Aufzeichnen anzukündigen, eventuell mitzuschreiben, höflich zu bleiben, sich weder provozieren noch die Gesprächsführung aus der Hand nehmen zu lassen. Falls eine Antwort unbefriedigend ausfalle, könne man die Frage einfach mit anderen Worten wiederholen. Auch Schweigen sei ein probates Mittel, denn „die wenigsten ertragen Stille“. Zum Abschluss gilt es zu klären, ob das Interview autorisiert werden soll, ob also der Gesprächspartner den fertigen Text zur Durchsicht und Freigabe bekommt. Diese in Deutschland übliche Praxis ist kein Muss und gesetzlich nicht geregelt; umso wichtiger ist es, die Autorisierung immer vom Einzelfall abhängig zu machen.

Die Nachbearbeitung eines Interviews stellt meist den arbeitsintensivsten Teil dar. Das Gespräch muss abgetippt, Versprecher ausgebessert, die Sprache geglättet, der Text gekürzt, gestrafft, verbunden sowie Zwischenfragen eingeschoben werden, um längere Absätze zu unterteilen. Als Überschrift empfiehlt Ella Schindler „ein möglichst knackiges Zitat aus dem Interview“, der Vorspann soll informativ und unterhaltsam, die Einstiegsfrage spannend und möglichst kompakt formuliert sein, denn – so hatte es die Referentin zu Beginn ausgeführt – 70 Prozent der Zeitungsleser lesen nur den ersten Absatz eines Artikels, 30 Prozent lesen etwas weiter und lediglich fünf Prozent bleiben bis zum Schluss dabei. Als Journalist tut man also gut daran, das Wichtigste, Spannendste, Spektakulärste an den Anfang zu stellen, um die Leserinnen und Leser einzufangen und bei der Stange zu halten. Authentizität hilft dabei und lässt sich in einem Interview zum Beispiel damit erreichen, dass man dialektale Wendungen des Interviewten beibehält – dies allerdings nur, wenn es im Gespräch um die Person selbst geht und nicht um ein Sachthema, zu dem ein Experte befragt wird. Grundsätzlich gilt: So wörtlich wie möglich, so frei wie nötig.

Ella Schindlers Vortrag, der mit einem kurzen Exkurs über Bilder abschloss, fand großen Anklang bei den Teilnehmern des Online-Presseabends, der von Bundeskulturreferentin Dagmar Seck gewohnt souverän moderiert und vom Kulturwerk der Siebenbürger Sachsen e.V. aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales gefördert wurde.

Nach dieser letzten Veranstaltung einer dreiteiligen virtuellen Reihe dürfen sich alle Interessierten auf das nächste Pressereferentenseminar freuen, das nach langer coronabedingter Pause wieder in Präsenz stattfinden soll: Vom 24.-26. März geht es in Leitershofen bei Augsburg mit Vorträgen, praktischen Übungen und geselligem Miteinander ums Kennenlernen, Vernetzen und – natürlich – Schreiben.

Doris Roth

Schlagwörter: Presseseminar, Presseabend, Online-Veranstaltung, Siebenbürgische Zeitung, Bundeskulturreferat

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